Seitenflügel:Einordnung in Extreme ist extrem daneben!

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Nur weil wir nicht gegen die Holländer ran müssen, haben wir bei der Auslosung zur EM-Qualifikation noch lange kein Losglück gehabt. Anmerkungen zur deutschen Fußball-Psyche.

Bernd Oswald

Nach zwei Jahren Pause muss sich Deutschland mal wieder qualifizieren, dieses Mal für die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz. Die Gruppenauslosung ist schon geschafft. Meinung landauf landab: Losglück für die DFB-Elf.

Ein bisschen verwunderlich ist dieser Tenor der Fachpresse schon. Gegen Tschechien haben wir bei der EM 2004 1:2 verloren, die Tschechen sind Zweiter der Weltrangliste. Das letzte Match gegen die Slowakei ging ebenfalls verloren. Das 0:2 von Bratislava stürzte die Nationalmannschaft zu Beginn der WM-Saison in eine schwere Krise.

Gegen Irland gewann deutsche Fußballer letztmals vor satten 26 Jahren - und das nicht weil die beiden Nationen seitdem nicht mehr gegeneinander gespielt hätten. Bei der WM-Vorrunde 2002 gab es ein mageres 1:1, davor eine Niederlage und ein weiteres Unentschieden. Gegen Wales sieht es nicht viel besser aus: letzte Partie verloren, letzter Sieg 1995. Nur die Bilanz gegen Zypern ist blütenrein: vier Siege in vier Spielen. Und gegen Fußball-Zwerg San Marino hatte Deutschland noch gar nicht die Ehre.

Schwarz oder Weiß und nichts dazwischen

Statistik-Kram? Sicher, aber genau dieser Statistik-Kram wäre bemüht worden, wenn der namhafteste Gruppengegner Frankreich geheißen hätte. Oder noch besser die Niederlande. Was haben wir doch bei der WM-Gruppen-Auslosung gezittert, dass uns die Oranje erspart bleiben mögen! Die Fußball-Psyche in Deutschland wird nach wie vor von den großen Namen dominiert. Nur Nationen, die schon einen Titel gewonnen haben, zählen als schwere Gegner.

An der Realität geht das völlig vorbei. Der Blick für die wahren Spielstärken der Mannschaften ist vernebelt.

Zwar ist unsere aktuelle Nationalmannschaft weder so schlecht wie die schlimmsten Kritiker tun, sie ist aber auch nicht so gut, dass sie mit links den Weltmeister-Titel holt. Natürlich hat das Team von Jürgen Klinsmann gute Chancen, sich für die EM 2008 zu qualifizieren. Ein Spaziergang wird das aber sicher nicht. Da von Losglück zu sprechen, ist Unfug - wie das ganze Geschwafel von Losglück oder -pech. Das sind die beiden Extreme. Schwarz oder Weiß. Dazwischen gibt es nichts. Wie dämlich ist das denn!?

Aber vielleicht sind ja nicht die Fachleute schuld, sondern die deutsche Sprache. Oder hat Deutschland etwa Losdurchschnitt gehabt?

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