Segeln von Rio:Dusche auf dem Boot

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Probiotische Darmkeime im Gepäck: Ferdinand Gerz (links) versucht, sein Immunsystem zu unterstützen. (Foto: Nikos Alevromytis/oh)

Ferdinand Gerz testet das olympische Revier - in einem Gewässer, das die Gesundheit gefährdet.

Von Christopher Gerards

Ferdinand Gerz spricht gerade über die olympische Test-Regatta in Rio, als es im Hintergrund zu rauschen beginnt. Er hat sich zum Telefonat an den Pool gesetzt, dort ist die Internet-Verbindung am besten. Im Moment, sagt Gertz, füllt jemand am Pool Chlor nach. Daher das Rauschen.

Wenn in diesen Tagen bei Seglern die Sprache auf das Wasser in Rio de Janeiro kommt, ist dessen Sauberkeit immer ein großes Thema. In manchen Fällen liegt das an Hotel-Pools, in denen Chlor nachgefüllt wird. Meist liegt es aber an der Bucht vor Rio de Janeiro, in der 2016 die Segler um olympische Medaillen kämpfen: der Guanabara-Bucht. Ein Traum von einem Segelrevier eigentlich, Sandstrände, Hügel am Horizont, am westlichen Eingang liegt der Zuckerhut. Doch im Moment interessieren sich die Menschen vor allem für eine Meldung: Das Wasser soll derart verschmutzt sein, dass es die Gesundheit der Sportler gefährdet. Gespannt schauen deshalb in diesen Tagen alle nach Rio. Denn dort testen die Segler ein letztes Mal vor Olympia die Bedingungen. Bis Samstag dauern die Wettkämpfe, 326 Sportler sind dabei. Einer davon ist Ferdinand Gerz, 26, aus München.

Gerz, gemeinsam mit Oliver Szymanski Europameister in der 470er-Klasse, ist bereits im vergangenen Jahr dort gesegelt und erzählt jetzt, was er in der Guanabara-Bucht so gesehen hat. Schrankteile hat er damals im Wasser treiben sehen, Holzplatten, solche Sachen. Diesmal seien ihm noch keine großen Gegenstände begegnet. Es habe lange nicht geregnet, "dann spülen die Flüsse nicht so viel Sperrmüll an". Aber der Müll, sagt Gerz, sei vor Rio ohnehin nur das eine Problem.

Das andere Problem sind die Abwässer, die in die Bucht laufen. Die US-Nachrichtenagentur AP veröffentlichte Ende Juli die Ergebnisse eines Tests, den sie bei dem brasilianischen Virologen Fernando Spilki in Auftrag gegeben hat. Demnach seien die Austragungsorte der Schwimm- und Bootswettbewerbe in gesundheitsgefährdender Weise mit Bakterien und Viren belastet. Zudem sollen die Delfine im Segelrevier zu den kontaminiertesten Meerestieren der Welt gehören, so hat es José Lailson Brito von der Universität Rio de Janeiro ermittelt. Vor allem der zunehmende Schiffsverkehr sei ein Problem. Das lokale Organisationskomitee widersprach den Vorwürfen in einer Stellungnahme: "Es gibt kritische Punkte, die allen bekannt sind. Aber dennoch entspricht das Wasser in den Gebieten, wo die olympischen Strecken abgesteckt werden, nationalen und internationalen Normen." Dennoch ist die Aufregung jetzt groß.

"Ich habe garantiert mehr als drei Teelöffel geschluckt."

"Wenn man bei den Olympischen Spielen krank würde, wäre das natürlich katastrophal", sagt Gerz. Um sich zu schützen, nehmen sie im deutschen Team auf den Beibooten mobile Duschen mit. Damit säubern die Athleten zwischen den Rennen ihre Gesichter. Gertz nimmt zudem probiotische Darmkeime ein, die das Immunsystem unterstützen sollen. Bei der Junioren- WM der Ruderer, die Anfang August in einem der olympischen Gewässer bei Rio stattfand, erkrankten kürzlich 13 US-Athleten mit Magen-Darm-Problemen. Gerz sagt, ihm gehe es ziemlich gut bislang, wie auch dem Rest des deutschen Teams, er sagt: "Toi, toi, toi."

Die lokalen Organisatoren bezweifeln zwar natürlich vehement, dass das Wasser die Gesundheit der Sportler gefährden kann. Aber dass die Bucht nicht sauber ist, sehen auch sie so. Boote sollen deshalb jeden Tag Müll einsammeln, der im Wasser treibt. Außerdem sollen Barrieren Unrat abhalten. Wenn man Gerz nun fragt, ob er sich angesichts all der Meldungen überhaupt auf Olympia freue, sagt er drei Dinge: Er und Szymanski müssten sich ja noch qualifizieren. Zweitens sei das Segelquartier eines der schönsten weltweit, mal abgesehen vom verschmutzten Wasser natürlich. Und ja, sagt Gerz dann noch, "wir freuen uns drauf

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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