Sechserpack:Demokratische Rudelbildung

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Schöne Momente erlebten Spieler wie Leon Goretzka, der ein Tor mit Ansage schoss, und Caiuby, der so stark agierte wie nie. Eine weniger erfreuliche Szene musste Martin Harnik ertragen, der eine Slapstickeinlage darbot.

Freistoßdemokratie

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Nach dem Freistoßentscheid kamen acht Schalker Spieler zur Besprechung mit Ball zusammen. Es sah so aus, als ob sie einen schlauen Trick ausklügelten - oder eine basisdemokratische Debatte abhielten. Beides stimmte. Mancher Spieler wie Bastian Oczipka gesellte sich dazu, "um den Leverkusener Torwart zu irritieren"; andere bewarben sich, den Freistoß schießen zu dürfen. Leon Goretzka rief im Duell mit dem härtesten Gegenkandidaten Jewgen Konopljanka das beste Argument auf: "Ich habe Naldo gesagt, dass ich das Ding reinhauen werde." Naldo, Alterspräsident, Abwehrchef und Versammlungsleiter, ordnete daraufhin Goretzka als Schützen an und tat gut daran: Der Nationalspieler traf dank lückenhafter Mauer präzise zum 1:0. Goretzka dankte seinem Förderer Naldo: "Er war in der Diskussion sehr präsent." Philipp Selldorf

Lattentreffer

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Der Österreicher Martin Harnik hat in fast jedem dritten seiner 197 Bundesligaspiele, jedem zweiten seiner 60 Zweitligaspiele und fast jedem vierten seiner 68 Länderspiele Tore erzielt. Der 30 Jahre alte Stürmer ist eine zuverlässige Kraft, aber was ihm da jetzt in der 87. Minute passiert ist, als er seine Hannoveraner in Mönchengladbach aufs leere Tor zum Sieg hätte schießen können, das wird als Slapstick-Bild in Erinnerung bleiben: Harnik drosch den Ball aus zwei Metern an die Latte des verwaisten Tores und griff sich mit den Händen genauso fassungslos an den Schädel wie draußen Trainer André Breitenreiter und Manager Horst Heldt. Sieben Minuten später, als das Spiel durch einen Elfmeter 1:2 verloren war, taugte Harniks vorangegangenes, perfekt getimtes Kopfball-Tor zum 1:1 nicht mal mehr als Trost. Ulrich Hartmann

Augsburgs Kane

(Foto: Philippe Ruiz/imago)

"Wir haben gesehen, dass wir auch gegen Top-Mannschaften hoch anlaufen können", sagte Manuel Baum. Was der Trainer meinte: Der FC Augsburg hatte mutig gespielt beim 1:2 gegen Borussia Dortmund, zumindest in der zweiten Halbzeit, und war dafür beinahe belohnt worden. Ein Spieler verkörperte am Samstag beide Seiten: den Mut und das Beinahe. Stürmer Caiuby, eifrigster Zweikämpfer beim FCA und Ziel jedes Konters, hatte die Lücken in Dortmunds Abwehr zu seinem zweiten Saisontreffer zum 1:1 genutzt, wie es bislang in dieser Saison erst wenigen Spielern gelang, und die hießen unter anderem Harry Kane und Cristiano Ronaldo. Andererseits hatte Caiuby auch beste Chancen zum Ausgleich vergeben. Was bleibt? Augsburg ist so gut wie seit Jahren nicht mehr. Und Caiuby, 29, wohl so stark wie noch nie. Sebastian Fischer

Ultra auf der Bank

(Foto: Nordphoto/imago)

Es ist ja eine der romantischsten Vorstellungen im Fußball, dass es ein Spieler von der Tribüne auf den Rasen schafft. Über Michael Zetterer, 22, war bislang jedoch nicht bekannt, dass er bekennender Fan von Werder Bremen ist. Der Münchner spielte seit der E-Jugend für die SpVgg Unterhaching und wechselte 2015 vor allem nach Bremen, weil Haching Geld brauchte. Zetterer hat sich nun aber wiederholt wie ein Werder-Fan verhalten. Im Derby beim HSV forderte er von der Bank aus so vehement den Abpfiff, dass er die gelbe Karte sah. 2015 hatte er bereits gegen Frankfurt wegen Meckerns von der Bank aus Gelb gesehen. Gespielt hat er für Werder noch nie. Seine Unterstützung ist zwar erwünscht, "er sollte aber vermeiden, wegen einer fünften Gelben gesperrt zu werden", sagte Manager Frank Baumann. Sebastian Fischer

Hardtwald-Phantom

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der Schönheitsfehler war schnell vergessen: Nachdem der erste Treffer des Sandhäusers Lucas Höler am Sonntag gegen Jahn Regensburg noch wegen Abseits aberkannt worden war, jubelte der Stürmer später zweimal regulär beim 2:0 des Zweitliga-Dritten SV Sandhausen. Beide Male war Höler frei vor Jahn-Torhüter Philipp Pentke aufgetaucht - wie wenn er sich zuvor hinter einem Baum am nahe gelegenen Hardtwald versteckt hätte. Erst drückte der 23-Jährige den Ball nach einem Freistoß ins Tor, dann flitzte er den anderen davon. Mit fünf Toren ist Höler zweitbester Schütze der Liga. Während er in der Jugend lange nicht auf höchstem Niveau kickte - im Norden für Hansa Schwanewede, Osterholz-Scharmbeck und den Blumenthaler SV -, etabliert er sich als Profi nun als beständiges Tor-Phantom im Süden. Johannes Kirchmeier

Die Klasse von 2011

(Foto: Eibner/imago)

Seine Mitschüler sind längst berühmt: Markus Gisdol trainiert den HSV, Roger Schmidt trainierte Leverkusen, Markus Weinzierl Augsburg und Schalke. Thomas Schneider ist Co-Trainer der Nationalmannschaft. Jens Härtel gehörte 2011 zu einem der erfolgreichsten Jahrgänge der DFB-Fußballlehrerausbildung, doch ein Angebot aus der Bundesliga hat er nie bekommen. Warum, hat er sich manchmal gefragt und bei der Suche nach der Antwort über seine Herkunft sinniert: "Als ostdeutscher Trainer wird dir keiner eine Stelle anbieten, da musst du schon selbst hochkommen", sagte er der Zeit. Nun ist Härtel, 48, aus Rochlitz in Sachsen als Trainer des 1. FC Magdeburg mal wieder auf einem guten Weg. Magdeburg, Tabellenzweiter der dritten Liga, schlug Jena mit 2:0. Es war der neunte Sieg im elften Spiel. Sebastian Fischer

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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