Schwedens Sturm:"Gut, gut, gut!"

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Der schwedische Stürmer Marcus Allbäck steigt vom gewöhnlichen Fußballer zum Tagesgott auf.

Ronald Reng

Herr Allbäck sagt, sein Sohn sei "gut, gut". Es ist eine jener klassischen Weltmeisterschafts-Unterhaltungen: Man redet mit jemandem Englisch, der eigentlich gar kein Englisch spricht.

Aber Herr Allbäck ist nicht nur ein freundlicher, sondern auch ein gedankenschneller Mensch, und so erfindet er sich sein eigenes Englisch. "Good" ist darin die unverzichtbare Vokabel. Das Meiste an der schwedischen Fußball-Nationalelf ist laut Herrn Allbäck zurzeit "gut".

Wenn er dann über seinen Sohn sagt, dass der "gut, gut" sei, lässt sich leicht ausmalen, wie gut er spielt. Vater Stefan Allbäck übrigens war selbst auch einmal ein Fußballer, mehr als 400 Mal spielte er für Örgryte IS in der Allsvenska Liga. Aber "nicht so gut" wie Sohn Marcus, sagt er.

Gescheitert in der Bundesliga

Das nennt man wohl eine Karriere: Marcus Allbäck, 32, vor zwei Jahren gescheitert in den Tiefen der Bundesliga bei Hansa Rostock, zum Helden aufgestiegen bei dieser WM. Im Angriff der schwedischen Elf, wo Weltklassefußballer wie Zlatan Ibrahimovic und Henrik Larsson zu Hause sind, ist er bislang die dominante Figur.

Zwar ist das Adjektiv "dominant" bewusst gewählt und nicht etwa "überragend", denn seine Dominanz umfasst auch etliche spektakuläre Fehlschüsse in der Vorrunde gegen Trinidad sowie Paraguay. Aber es war auch und vor allem Marcus Allbäck, der Schweden ins Achtelfinale am Samstag gegen Deutschland brachte.

Er legte Freddie Ljungberg den Ball zum 1:0-Siegtor gegen Paraguay auf, er köpfelte das 1:1 beim 2:2 gegen England. Es wird zur Regelmäßigkeit, dass man ihn spät nachts, lange nach Schlusspfiff in den Stadiongängen Sätze sagen hört, schöner als Tore: "Ich fühlte das Glück durch meinen Körper rauschen, und ich wusste nicht, wo ich hinlaufen sollte."

Eine WM erlaubt sich gerne den Spaß, gewöhnliche Profis für ein paar Tage die Größten sein zu lassen. Der heute beim VfB Stuttgart untergekommene Däne Jon Dahl Tomasson etwa gilt unter Fans seines ehemaligen Klubs Newcastle United noch heute als der schlechteste Fußballer, der geboren wurde, aber bei der WM 2002 spielte er so auffällig, dass ihn der große AC Mailand anstellte.

Dutzende solcher Beispiele ließen sich finden. Der Aufstieg der Gewöhnlichen zu Tagesgöttern ist auch möglich, weil das Niveau einer WM gerade in der Vorrunde unter dem der Spitzenklubs liegt.

Und natürlich, weil die Form eines Fußballers unergründliche Wege geht. Jeder ordentliche Profi spielt in seiner Karriere mal ein paar Wochen unwiderstehlich - wenn er Glück hat, sind gerade WM-Wochen.

Marcus Allbäck absolvierte 59 Spiele in der Nationalelf, schoss dabei 24 Tore, er müsste zu den Respektpersonen des Teams gehören. "Ach, was", sagt er, "wenn doch Henrik Larsson ungefähr 40 Jahre älter als ich ist." Er kann sich ganz gut einschätzen.

Nun wird ernsthaft diskutiert, ob er auch gegen Deutschland anstatt des nach einer Leistenzerrung zurückkommenden Ibrahimovic von Beginn an stürmen sollte. Er jedoch hat immer gesagt: "Wenn Zlatan und Henrik fit sind, müssen sie spielen, kein Zweifel."

Die englische Fußballsprache hat ein Wort für Spieler wie ihn: journeymen. Es trägt eine bittere Bedeutung: Tagelöhner. Aber es klingt schön, nach Reisen, nach unterwegs sein. Allbäck wechselte spät, mit fast 28, nach Holland zum SC Heerenveen.

2002 zog er weiter zu Aston Villa, für drei Millionen Euro Ablöse. Zwei Jahre später war er nur noch 200 000 Euro wert. Das sagt viel über sein Gastspiel in England. Für Rostock war er trotzdem die große Nummer, einer aus der Premier League. Rostock, erinnert er sich noch? "Es war eine schöne Zeit in einem freundlichen Klub." Tatsächlich?

"Gut, wir sind auch abgestiegen." Mit nur vier Toren in 23 Spielen trug Allbäck seinen Teil dazu bei. Es ist leicht zu erkennen, warum viele in ihm einen Klassestürmer sehen und warum er so oft die Erwartungen nicht erfüllt. Er bewegt sich geschickt, er ist durchschlagend kräftig, so erobert er sich immer wieder beste Schusspositionen.

Zehn Cent für jedes Tor

Aber wenn er dann schießt, trifft er zu oft den Ball nicht ganz richtig, zielt er nicht ganz genau. Miroslav Klose, den Deutschen, den Konkurrenten vom kommenden Samstag, bewundert er: "Der macht aus allem Tore."

Früher schenkte der Großvater ihm für jedes Tor im Jugendteam eine Krone, das sind rund zehn Cent. So begann er reich zu werden: Dieses Jahr hat er für den FC Kopenhagen 15 Tore erzielt, die Form, unergründlich, schwankend, ist gut zu ihm.

Deshalb, glaubt Herr Allbäck, stehen die Chancen für seinen Sohn und für Schweden am Samstag in München gegen Deutschland "gut, gut, gut".

© SZ vom 23.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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