Schalkes 2:3 gegen Mailand:Das Wunder bleibt aus

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Schalke 04 hat dem AC Mailand einen großen Kampf geboten. Die Schalker haben in dem spannenden Drama Herz und Leidenschaft gezeigt, die Mailänder zähe Gegenwehr und Momente der Klasse, aber auch ungewohnte Schwächen.

Ein Wunder und eine Sensation hatten sie beschworen, und ein wunderliches Spiel war es allemal. Aber die Sensation wollte sich trotz noch so viel Einsatz und Passion nicht einstellen, und so musste sich Schalke 04 beim AC Mailand nach einer bis zur letzten Sekunde packenden Partie 2:3 geschlagen geben.

Rausgeflogen: Der Schalker Levan Kobiashvili liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen. (Foto: Foto: dpa)

Die Niederlage war ein wenig unglücklich und die Vorstellung aller Ehren wert - aber das bedeutete einen schwachen Trost. Da im Parallelspiel Eindhoven gegen Istanbul 2:0 gewinnen konnte, müssen sich die Schalker aus der Champions League verabschieden und ihren Europapokalauftritt im kommenden Jahr im Uefa-Cup fortsetzen. Die fehlenden Punkte für eine erfolgreichere Kampagne hatte Schalke früher liegen lassen, zum Beispiel beim 3:3 in Istanbul.

Schwer enttäuscht traten die Schalker deshalb die Heimreise an. "Wir haben den Verein und die Bundesliga gut präsentiert - leider nicht mit dem richtigen Ergebnis", sagte Manager Rudi Assauer, während sich Trainer Ralf Rangnick ärgerte, "dass wir Milan durch zwei Fehler genau in der Phase ins Spiel gebracht haben, als wir Chef im Ring waren."

Mit dem Anpfiff eröffnete der spanische Schiedsrichter Gonzalez ein intensives Duell mit einer Unmenge an engen und harten Zweikämpfen. Rangnick durfte sich dabei glücklich schätzen, dass er seinen Abwehrchef Marcelo Bordon aufbieten konnte, dessen Verletzung sich als weniger schwerwiegend erwies. Der Brasilianer musste seinen Wert nahezu pausenlos unter Beweis stellen, im Deckungszentrum war er als Wachmann neben Dario Rodriguez ständig gefordert.

Zu den großen Torszenen kam es allerdings auf beiden Seiten nicht, das Spiel trug sich weitgehend zwischen den Strafräumen zu, und als Hauptdarsteller profilierten sich die Spezialisten für Nah- und Bodenkampf, namentlich der Mailänder Gennaro Gattuso stach hervor. Seine Laufleistung dürfte allein in der ersten Halbzeit circa 150 Kilometer betragen haben, wobei er es dabei auch noch fertig brachte, einige Dutzend Grätschen zu setzen und mehreren seiner Gegner (Lincoln, Lewan Kobiaschwili, Hamit Altintop) empfindliche Schmerzen zuzufügen.

Christian Poulsen trifft gegen Milan. (Foto: Foto: Reuters)

Gattusos auffällige Präsenz offenbarte jedoch auch die Unauffälligkeit seiner Mitspieler, die sich als Heimelf nicht dominant in Szene setzen konnten. Schalke trat couragiert und konzentriert auf und war zunächst auch eher im Begriff, das Mailänder Tor in Gefahr zu bringen. Kevin Kuranyi schoss jedoch nach einer Hereingabe von Rafinha übers Ziel (7.). Eine Viertelstunde später hätte Gonzalez auf Elfmeter für Schalke entscheiden können; Nestas Trikotzerren gegen Kuranyi ließ er jedoch unbestraft.

Allmählich kam dann aber die Mailänder Spielkunst zur Entfaltung, besonders Kaká fand besser in die Partie und brachte mit guten Szenen Unruhe in die Schalker Deckungsarbeit. Als sich beide Seiten schon auf ein Remis zur Pause eingerichtet hatten, führte ein Solo von Kaká, das Bordon mit einem Foul beendete, zur Mailänder Führung. Eigentlich war es nur ein Freistoß aus 25 Metern, doch Pirlo verwandelte die halbe Chance in einen Treffer ohne Chance zum Einspruch.

Torwart Frank Rost erkannte die Gefahr des gemein flatternden Balls erst, als er im Netz lag. Wer das für das typische Erzeugnis einer coolen Spitzenelf hielt, sah sich im nächsten Moment des Irrtums überführt. Eine Minute nach dem 0:1 verwertete Poulsen einen Freistoß von Lincoln zum verdienten Ausgleich.

Zur zweiten Hälfte nahm Rangnick für den bereits verwarnten Ernst, der Tribünengast Jürgen Klinsmann nicht überzeugen konnte, Asamoah ins Spiel. Ein Signal für mehr Offensive, das die Mannschaft gleich in die Tat umsetzte - die prompt auftretenden Chancen für Lincoln und Asamoah führten jedoch nicht zu Toren, und darin bestand in dieser entscheidenden Phase der Unterschied.

Während Schalke den Druck erhöhte, spielte Mailand seine Vorzüge aus: Schewtschenko brachte im Strafraum Kaká in Position, der präzise zum 2:1 einschoss (52.). Bis die sichtlich schockierten Schalker ihre Reihen sortiert hatten, hatte Kaká schon zum zweiten Mal getroffen (60.). Ein Doppelfehler von Bordon hatte die Vorgeschichte geliefert.

Finster sah es nun aus für die Schalker Hoffnungen, doch die Mannschaft bewies Moral. Zwar ging die gute Ordnung der ersten Halbzeit nun zusehends verloren, aber die Mannschaft wehrte sich mit dem Mut der Verzweiflung und kam zu weiteren Chancen. Kevin Kuranyi vergab freistehend eine erstklassige Gelegenheit, doch wenig später brachte Lincoln mit Andrej Schewtschenkos gütiger Hilfe - er fälschte den Fernschuss entscheidend ab - seine Mannschaft wieder heran. Das 3:3 und damit das Achtelfinale war wieder in Reichweite.

So entwickelte sich ein spannendes Drama, bei dem die mit Wucht anrennenden Schalker Herz und Leidenschaft zeigten und die Mailänder zähe Gegenwehr und Momente der Klasse, aber auch ungewohnte Schwächen boten. Ihre Abwehr, geschwächt durch den frühen Ausfall von Veteran Maldini, genügte - abgesehen von Nesta - nicht immer dem Gütesiegel Made in Italy. Andererseits konnten sich die Schalker Spitzen Kuranyi und Asamoah in den wesentlichen Momenten nicht durchsetzen. Zum Schluss war es ein kopfloses Stürmen gegen die Uhr. Milan zitterte, wackelte - aber fiel nicht.

© SZ vom 7.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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