Schalker 2:3-Niederlage:Die schwarzen sechs Minuten

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Der FC Schalke schafft es nicht, ein 2:0 über die Zeit zu bringen. Nach einer starken ersten Halbzeit brechen die Gelsenkirchener ein und verlieren am Ende gegen furiose Leverkusener.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Ein 2:0, das war früher nicht nur eine feine Sache, sondern auch eine halbwegs verlässliche Versicherung für die Mannschaft, die vorne lag. In diesen launischen April-Tagen ist das 2:0 dagegen ein dringender Anlass, eine schlimme Enttäuschung zu befürchten. Nach Borussia Dortmund (3:4 in Liverpool), Mainz 05 (2:3 gegen Köln), Eintracht Braunschweig (2:2 gegen Freiburg) und am Samstagnachmittag Union Berlin (2:6 in Nürnberg) hat am Samstagabend auch Schalke 04 den 2:0-Fluch zu spüren bekommen.

Bis zur Pause erfreuten sich die Schalker einer vermeintlich stabilen Führung gegen ein vermeintlich gründlich unterlegenes und erstaunlich derangiertes Bayer Leverkusen, am Ende waren es dann aber die mutmaßlichen Verlierer, die jubelnd nach Hause gingen. Binnen sechs Minuten wandelte Bayer das 0:2 in ein 3:2 und landete damit den sechsten Sieg hintereinander. Die nächste Qualifikation für die Champions League rückt damit in greifbare Nähe. "Es war ein grandioses Spiel von uns", schwärmte Julian Brandt, Schütze des 1:2, das dem Spiel die Wende gab. Für Schalke wird es wohl bestenfalls die kleine Europa League werden - vorausgesetzt, dass die Mannschaft wieder lernt, ein Spiel zu gewinnen. Schwacher Trost, dass sie einiges dazu beigetragen hatte, dass dieses Samstagabend-Top-Spiel seinem Etikett gerecht wurde.

Wende eingeleitet: Julian Brandts (l.) 1:2 für Leverkusen markiert den Wendepunkt im Spiel - gegen Schalke gewinnt Bayer am Ende mit 3:2. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Fährmann bat alle um Vergebung

"Wir wollten allen zeigen, dass wir in die Champions League wollen. Das hat man in der ersten Halbzeit nicht so gesehen, aber in der zweiten Halbzeit war es eine überragende Leistung", sagte Bayer-Torwart Bernd Leno, der einen großen Auftritt hingelegt hatte. Sein Kollege Ralf Fährmann hingegen bat außer den Mitspielern auch "jeden einzelnen Fan" um Vergebung, denn anders als üblich war er diesmal nicht der Mann, der sein Team vor dem Unheil bewahrte, sondern derjenige, der die entscheidenden Fehler beging. Fährmann servierte mit einem missratenen Abwurf die Vorlage zum Anschlusstor und ließ dann einen harmlosen Schuss von Karim Bellarabi zum Ausgleich ins Netz rutschen."Ralf Fährmann hat uns so viele Spiele gerettet, das waren heute die ersten Fehler von ihm. Letztendlich sind wir traurig und tief enttäuscht. Wir haben leichtsinnig gespielt", konstatierte Schalkes Trainer André Breitenreiter.

Dabei hatte die Partie so gut begonnen für Schalke. Der Leverkusener Abwehrchef Ömer Toprak hatte sich nach auskuriertem Muskelfaserriss während der Woche wieder zum Dienst eingefunden und erhielt von Roger Schmidt sogleich seinen Stammplatz in der Innenverteidigung. Dieser Vertrauensbeweis war ehrenwert, aber voreilig. Toprak konnte den Mangel an Spielpraxis nicht leugnen und war ein Unsicherheitsfaktor in der Bayer-Deckung. Ein erstes Indiz dafür ergab sich nach vier Minuten, als er Leroy Sané im Strafraum ungeschickt attackierte und dadurch einen Elfmeter hervorrief. Klaas-Jan Huntelaar gegen Leno lautete das Duell, das der Leverkusener Torwart für sich entschied. Huntelaar gab sich während des bogenförmigen Anlaufs zwar alle Mühe, seinen Gegner zu locken, aber das Manöver misslang, Leno parierte den halbhoch geschossenen Ball.

Schmidt glaubte an die Wende

So überraschend lebhaft, wie sie die Partie aufgenommen hatten, setzten die Schalker die Arbeit fort. Besonders Eric-Maxim Choupo-Moting setzte der Leverkusener Abwehr zu, der hakenschlagende Linksaußen produzierte eine Torszene nach der anderen und durfte sich nach 13 Minuten das 1:0 gutschreiben lassen. Toprak hatte den Ball noch einflussreich abgefälscht. Schalke blieb auch nach der Führung angriffslustig und drängte mit Tempo und Dynamik vorwärts. Einer dieser Vorstöße durch die Mitte brachte das 2:0. Sané und Max Meyer erzielten den Treffer in sehenswerter Co-Produktion, der unglückliche Verteidiger Toprak traf wieder zu spät am Unfallort ein. "Es war eine sehr schwache erste Halbzeit von uns. Wir lagen verdient 0:2 hinten. Das haben die Spieler schon selbst bemerkt, dass sie nicht gut gespielt haben", sagte Leverkusens Trainer Roger Schmidt, stellte aber fest: "Wir wussten, wenn wir hier ein Tor machen, ist noch was drin."

Die Anzeichen zur Wende stellten sich dann tatsächlich zügig nach dem Wiederanpfiff ein. Während Bayer nun eine ganz andere Entschlossenheit erkennen ließ, zogen sich die Schalker eingeschüchtert zurück. Kaum ein Gegenangriff wollte ihnen mehr gelingen, die Ballverluste häuften sich, ein Angriff nach dem anderen rollte über die von Junior Caicara behütete Abwehrseite. Und dann folgten die schwarzen sechs Minuten: 1:2 Brandt, 54., 2:2 Bellarabi, 56., 2:3 Chicharito, 60., der einen Konter nach Schalker Eckball vollendete. Zwischendurch hatten Bellarabi und Aranguiz noch Pfosten und Latte getroffen. Letzterer wiederholte dieses Kunststück später mit einem Freistoß.

Nach der Führung ließ der Leverkusener Zugriff nach, Toprak räumte - angeschlagen - seinen Platz für Ramalho, Schalke nahm wieder die Angriffstätigkeit auf. Aber von Choupo-Moting war jetzt nur noch gelegentlich etwas zu sehen, meistens liefen die Offensivaktionen über Sané, der zwar viel Gefahr verbreitete mit seinen Flügelläufen, aber zu oft das richtige Abspiel versäumte. Chancen gab es dennoch genügend für die wieder erwachten Schalker, doch Huntelaar scheiterte bei der besten Gelegenheit wieder an Leno.

© SZ vom 24.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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