Schalke vs Bayern:Kühler und klüger

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Vor vier Jahren unterlagen die Schalker im Saisonfinale dem FC Bayern - dieses Mal fühlen sie sich für das Duell besser gerüstet.

Von Christoph Biermann

"Wir haben damals in der Verteidigung mit Waldoch und Hajto gespielt", sagt Rudi Assauer und beginnt ganz langsam zu lächeln. "Mit Hajto", sagt er noch einmal und hat nun ein ganz breites Grinsen auf dem Gesicht. Die ersten Zuhörer lachen. Genau, Hajto! Ganz vergessen, mit dem wäre Schalke 2001 fast Deutscher Meister geworden.

Stammspieler beim so genannten "Meister der Herzen" war er, inoffizieller Weltmeister im Einsammeln von Gelben Karten, Einwurfmaschine und legendärer Bälle-nach-vorne-Klopper. Ein harter Junge, der später irgendwann noch geklaute Zigaretten gekauft hat. Auch nicht gerade ein Delikt für Champions.

Verteidiger mit einer gewissen Klasse

Inzwischen lachen alle im Raum, so viel Spaß bei einer Pressekonferenz ist selten. Assauer schüttelt noch einmal kurz den Kopf. Wirklich irre, Schalke wäre mit Tomasz Hajto damals fast Deutscher Meister geworden.

Ein wenig ungerecht ist das Gelächter schon, denn der Pole war durchaus kein komischer Vogel, sondern im Frühjahr vor vier Jahren einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga. Aber heute heißt das Pendant zu ihm und Tomasz Waldoch in der Schalker Innenverteidigung eben Marcelo Bordon und Mladen Krstajic, und nichts könnte den Unterschied von damals zu heute besser illustrieren.

"Sie haben eine gewisse Klasse", sagt Assauer und benennt damit die wesentliche Differenz: die von Emotionalität und Qualität.

"Die waren heiß, die hatten nichts zu verlieren", beschreibt Assauer die Helden von einst. Huub Stevens hatte sich ein Team zusammengestellt, wie er es liebt. Mit Jungs, die auf dem Platz schuften konnten. Sie waren von Absteigern gekommen oder anderswo ausgetauscht worden, wie Tomasz Waldoch, Tomasz Hajto oder Jörg Böhme.

Möllers letzter großer Vertrag

Stevens gab ihnen eine neue Chance und verschnitt sie mit Künstlern wie dem späten Andreas Möller oder dem frühen Emile Mpenza, der sein bestes Jahr bei Schalke hatte. Dass der Klub dafür schon damals viel Geld ausgegeben hatte, ist heute so vergessen wie Hajtos bessere Tage es sind.

Mpenza blieb der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte, Standard Lüttich kassierte 8,5 Millionen Euro für ihn; und Andreas Möller hatte den letzten großen Vertrag seines Spielerlebens ausgehandelt. Trotzdem war das Team vor allem ein Außenseiter, der sich in die Chance festbiss, dass die Meisterschale günstiger vergeben wurde als je zuvor. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel haben nie so wenige Punkte für den Titelgewinn gereicht, wie es 2001 der Fall war.

Heute muss mehr zu bieten haben, wer an der Spitze mithalten will. Vor dem 25. Spieltag haben Schalke und Bayern jeweils 50 Punkte gewonnen, damals waren es zum gleichen Zeitpunkt neun bzw. sieben Zähler weniger. Die Qualität im Kader spielt eine größere Rolle, weil weniger Ausrutscher erlaubt sind.

Dafür braucht man einen wie Marcelo Bordon, der zwar ackern und hart sein kann wie Hajto, es aber nicht sein muss, weil er der viel bessere Fußballspieler ist. "Bordon ist ein Siegertyp, bei dem man nie das Gefühl hat, dass er einen Fehler hat", sagt Assauer. Der Manager schwärmt oft von dem Brasilianer, er scheint ihn zu lieben, wie er von seinen Spielern bislang nur Ebbe Sand geliebt hat.

Man kann die Begeisterung verstehen, denn nicht nur das Herz des Managers klopft etwas weniger aufgeregt, wenn während des Spiels einer wie Bordon hinten steht. Den Fans dürfte es nicht anders gehen.

Doch Marcelo Bordon bringt noch andere Qualitäten mit. "Er ist ein Fixpunkt für die Mannschaft", sagt Ralf Rangnick. Das hat mit der Ausstrahlung des sanft wirkenden Verteidigers zu tun, der veränderte Stimmungen im Team erspürt und zu korrigieren sucht. "Er registriert auch sofort, wenn einer Hilfe braucht", sagt der Trainer.

"Wir haben die bessere Mannschaft"

Vielleicht kommt in der Person von Bordon, der den Teamspirit so fördert, das Schalke von damals mit dem von heute zusammen. Trotz der Unterschiede, denn die "Meister der Herzen" spielten sich in einen Rausch, während das heutige Team eine andere Temperatur hat. Fast kühl haben sie ihre letzten Spiele durchgebracht. Man merkt dabei, dass Bordons Nebenmann Krstajic und Stürmer Ailton schon einmal Meister geworden sind. So richtig abgebrüht sind sie trotzdem noch nicht.

Wenn es nötig ist, kann diese Schalker Mannschaft auch sehr emotional reagieren. Ebbe Sand kommt daher zu dem Schluss: "Die Bayern haben die besseren Spieler, aber wir haben die bessere Mannschaft."

Vielleicht gibt das am Sonntag sogar den Ausschlag, wie Schalke die Bayern in der Arena schon mehrfach überrumpelt hat. Wenn es aber nicht passieren sollte, bleibt das neue Schalker Gefühl, dass Begegnungen wie die gegen die Münchner nun häufiger kommen. "Es ist ein vorübergehendes Highlight auf dem Weg nach oben", sagt Ralf Rangnick. Das klingt nach einer fast schon logischen Entwicklung, die von Tomasz Hajto zu Marcelo Bordon reicht und nur oben enden kann. Ist sie schon abgeschlossen? "Nein, aber die deutsche Meisterschaft kommt nie zu früh", sagt der Trainer.

© SZ vom 12.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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