Schalke 04:Stress-Diät

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Trainer Huub Stevens. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Huub Stevens beendet seinen Schalker Noteinsatz - und bleibt unabsteigbar.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Ob er Freude über den Klassenerhalt empfinde und Stolz, es geschafft zu haben, wurde Huub Stevens gefragt. Schalkes Trainer antwortete schneller, als Lucky Luke zu schießen versteht: Freude ja, Stolz nein, lautete die Essenz der Erwiderung, doch ließ Stevens auch gleich wissen, dass seine Freude nicht auf der Zufriedenheit über die Sicherung von Platz 15 beruhte: "Freude, dass es vorbei ist!", stellte Stevens klar.

Seine dritte Mission im Dienst von Schalke 04 hatte ihm, wie er gern erneut betonte, die schwierigste Aufgabe seiner Trainerkarriere beschert - "dann bist du froh, dass du sagen kannst: Jetzt ist es endlich vorbei!" Die Zeit des Abstiegskampfes nach der Übernahme Mitte März aus den Händen des entnervten Vorgängers Domenico Tedesco kostete Stevens nicht nur Kraft, sondern auch einige Kilo, die er sich im gemütlichen Vorleben als Pensionär angeeignet hatte: "Das tut man nicht, indem man weniger isst - das ist Stress." Sein Kardiologe hatte in den vergangenen Wochen daher immer ein wachsames Auge auf den Patienten.

Pflichtgefühl und Loyalität hatten Stevens veranlasst, den Job anzunehmen, sogar von "Liebe" hatte er im Überschwang wenige Wochen nach dem Tod seines Schalker Freundes Rudi Assauer gesprochen. Jetzt ist der 65-Jährige froh, dass er sich wieder in den Ruhestand zurückziehen kann, denn der Profifußball im Jahr 2019 scheint ihm ziemlich fremd geworden zu sein. Beim Pressemeeting vor dem finalen Saisonspiel gegen Stuttgart äußerte sich dieser Eindruck in einem kulturpessimistischen Monolog. Der Profifußball sei das Opfer seines eigenen Reichtums, dozierte Stevens in scharfen Worten, "und Reichtum, das ist ganz gefährlich. Wir haben eine egoistische Welt bekommen. Jeder denkt an sich selbst und nicht mehr an seinen Mitmenschen".

Einige der teuren Schalker Profis bekommen die moralischen Prinzipien des Niederländers bis heute zu spüren: Nabil Bentaleb und Hamza Mendyl fristen ihre Arbeitszeit weiterhin im Einzeltraining, Amine Harits Stammplatz blieb bis zum Saisonende die Ersatzbank. Trotz dieser Anwandlungen von Verbitterung - an denen er die Spieler durchaus teilhaben ließ - hatte Stevens aber auch Spaß am definitiv letzten Einsatz als Notfallcoach. Besonders seine alten Getreuen Gerald Asamoah und Mike Büskens haben durch ihre Mitarbeit dazu beigetragen, überliefert ist zudem sein triumphierender Ausruf in der Kabine nach dem 4:2 in Dortmund: "Es bleibt dabei: Ich bin noch nie abgestiegen!" Also doch ein bisschen Stolz. Es folgt noch die letzte Übung gegen Stuttgart - für den stets korrekten Stevens kein Zeitvertreib: "Wir haben noch was zu erledigen."

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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