Schalke besiegt Hamburg 1:0:Schluss mit lustig

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Nach einer Woche, in der Hamburgs Trainer Huub Stevens Spaß und Freude vermitteln wollte, verliert das Team 0:1. Das regt die Spieler vom siegreichen Gegner Schalke wiederum zu einer Hymne auf die eigenen Übungsleiter an.

Iris Hellmuth

Vielleicht war es seiner Mannschaft einfach ein wenig zu viel gewesen, dass Hamburgs Trainer Huub Stevens, bekanntermaßen ein begnadeter Knurrkopf, die vergangene Woche zur großen Spaßeinheit erklärt hatte: Erst wurde der suspendierte Vincent Kompany begnadigt, dann sprach er sich mit Kapitän Rafael van der Vaart aus, und schließlich lud er seine Jungs auf die Kartbahn ein. Das muss die Spieler des HSV so verunsichert haben, dass sie noch nicht ganz da waren, als das Spiel gegen Schalke 04 im Hamburger Volkspark angepfiffen wurde - oder es wenigstens für die nächste Humoroffensive mit Spaßvogel Huub hielten. 1:0 stand es nach zwei Minuten, nach einer Flanke von Albert Streit sprang Kevin Kuranyi so frei vor dem Hamburger Tor in die Luft, dass er sich locker noch einmal hätte drehen können. Das Tor hätte er trotzdem geköpft.

"Ich mache mir jeden Tag Sorgen, aber sicher nicht nur um Fußball" - Huub Stevens. (Foto: Foto: Reuters)

"Ich weiß auch nicht, wo wir mit den Gedanken waren, aber bestimmt nicht auf dem Platz", sagte HSV-Verteidiger Joris Mathijsen nach dem Spiel und sah ziemlich betrübt in Richtung seiner blau-weißen Badelatschen. "Natürlich hat die Mannschaft jetzt Angst davor, nach unten durchgereicht zu werden." Dabei hatten sie sich wirklich bemüht. Doppelt so oft wie die Schalker hatte der HSV auf das Tor geschossen, auch doppelt so viele Ecken geschlagen, ein gutes Spiel versprach es zu werden, zumindest in den ersten Minuten. Beide Mannschaften ließen sich Räume, spielten schnell und spritzig, es ging ja um viel in diesem Match, das hatte niemand vergessen. Als van der Vaart kurz nach dem 1:0 versuchte, das Schalker Tor in einer Art kombiniertem Hackentrick mit Drehung zu treffen, ging ein Rauen durch das Stadion.

Das Problem war: Dieses Spiel dauerte nur 20 Minuten. Danach bekamen die Fans das vorgesetzt, was man in Hamburg eigentlich seit langem satt ist - kleinteiligen Defensiv-Fußball. Nur übernahmen den jetzt die Gäste. Es war eines dieser Spiele, das man am nächsten Tag mit einem langen "Och..." einleitet, wenn man es für die Freunde zusammenfassen soll, die es nicht sehen konnten. "Es war sicher nicht besonders schön anzusehen", sagte Schalkes Jermaine Jones nach dem Abpfiff, sein Bedauern hielt sich aber in Grenzen. Der Plan seiner Mannschaft war schließlich aufgegangen: Den Ball nach einer frühen Führung so lange wie möglich in den eigenen Reihen zu halten, "so wollen wir Zeit gewinnen", sagte Jones' Teamkollege Kevin Kuranyi, der Torschütze, nach dem Spiel. Er sah sehr glücklich aus, wie von einer Last befreit.

Sechs Punkte Vorsprung auf den HSV haben nun die Schalker in der Tabelle, eine mysteriöse Kraft scheint sie anzutreiben. "Was anders ist als sonst?", wiederholte Kuranyi später die Frage eines Reporters, als hätte er nur auf sie gewartet. "Wir machen viele neue Trainingseinheiten, die tun uns gut. Von Mirko Slomka haben wir viel gelernt, aber von den zwei neuen Trainern lernen wir sicher noch mehr." Davon konnte später auch Jermaine Jones berichten, der mit dem Interimsduo Mike Büskens und Youri Moulder die unter Slomka vernachlässigte Manndeckung entdeckt: "Letzte Woche gegen Cottbus haben mich die Trainer gegen Ervin Skela gestellt, heute gegen van der Vaart. Klappt doch!", sagte der Mittelfeldspieler.

Van der Vaart wehrte sich sogar mit Pässen auf alle Vieren gegen seine Bewachung. Nur ein Tor gelang ihm nicht, was auch deshalb schwer war, weil in der zweiten Halbzeit die meisten Bälle lang über ihn hinweg flogen. "Das war ja unsere Absicht, lange Bälle nach vorne zu schlagen", sagte Hamburgs Joris Mathijsen später. "Wir wollten sie hinter die Schalker Abwehr spielen und sie damit knacken, aber die Stürmer machen das ja auch nicht extra, wenn sie nicht treffen." Am Ende waren es so viele Chancen, dass sie niemand mehr zählen wollte. Die Fehler der Hamburger auch nicht. Huub Stevens Gesicht sprach Bände. Es verfinsterte sich zusehends.

Man hatte Mitleid mit ihm nach dem Spiel, er sah blass aus, erst am vergangenen Wochenende hat seine Frau Toos eine schwere Operation überstanden. Ob er sich Sorgen mache um die Mannschaft und den Tabellenplatz, wurde er auf der Pressekonferenz gefragt, und seine Antwort kam wie immer pfeilschnell und offensiv: "Ich mache mir jeden Tag Sorgen, aber sicher nicht nur um Fußball." Die Reporter grummelten und sahen doch ratlos aus.

Huub Stevens verließ die Pressekonferenz mit versteinertem Gesicht, nur um seine Augen lag ein eigenartiger Schimmer. Vielleicht wird man ihn sogar noch irgendwann vermissen in Hamburg.

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