Schalke 04 und die Trainerfrage:Oder einen vom Sozialamt

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Schalke 04 gewinnt 5:1 im Uefa-Pokal, sucht halbherzig nach einem Trainer und verstimmt die Anhänger.

Von Ulrich Hartmann

Gelsenkirchen - "Chaos auf Schalke", haben am Donnerstag einige Zeitungen getitelt, weil der FC Schalke 04 spontan und überraschend seinen Trainer Jupp Heynckes entlassen hatte, nach drei Niederlagen in vier Bundesliga-Spielen sowie aktivem Aufbegehren in der Mannschaft.

"Chaos auf Schalke?", hat sich da Olaf Thon gedacht und eine einmalige Chance gewittert. Thon, 38, einstiger Schalker Fußballheld und mittlerweile als Klubrepräsentant Inhaber einer fragwürdigen ABM-Stelle im königsblauen Konstrukt, ist also am Donnerstagabend in den Presseraum der Schalker Arena geeilt und hat sich bei den Journalisten über die Nichtberücksichtigung seiner Kompetenzen beklagt und schließlich gefordert, nun entweder Trainer zu werden oder Vorstandsmitglied oder Weißdergeier.

Später am Abend, als die Schalker ihr Erstrunden-Hinspiel im Uefa-Pokal gegen die so ergebenen wie hilflosen lettischen Fußballer von Metalurgs Liepaja mit 5:1 gewonnen hatten, wies Manager Rudi Assauer die Ansprüche von Thon zurück und machte sich ein bisschen lustig. "Ein Mann von seiner Größe", sagte Assauer über den kleinen Thon, "sollte nicht auf diese Weise vorgehen."

Symbolischer Zwergenaufstand

Thons hilfloser Vorstoß war beileibe keine Palastrevolution, eher eine Art Zwergenaufstand, aber er offenbarte symbolisch, wie verzweifelt sich manche Menschen im Umfeld des mächtigen Managers Assauer gebärden.

Nicht einmal die Klagen der Fans nimmt Assauer noch ernst. Über dem Fanblock hatte am Donnerstagabend ein riesiges Transparent gehangen: "Mannschaft ohne Leidenschaft - Management, das Leiden schafft".

Ein durchaus sinnstiftender Einwurf, auf den angesprochen, Assauer nur müde zurückgab: "Na und? Dann leiden sie halt noch ein bisschen, das muss man nicht so ernst nehmen!"

Das ist ohnehin die entscheidende Frage auf Schalke: Wen oder was man dort noch ernst nehmen muss. Vier Trainerwechsel binnen zwei Jahren, 60 Millionen Euro für Spielerkäufe im Laufe der vergangenen fünf Jahre und Verbindlichkeiten in dreistelliger Millionenhöhe machen im Gelsenkirchener Stadtteil Buer die Angst zum Mitregenten.

Dazu Manager Assauer, der zur Trainersuche sagt: "Vielleicht sollten wir einen Professor holen oder einen Psychologen. Oder einen vom Sozialamt. Und wenn es ein Balletttänzer ist, der uns nach vorne bringt, dann holen wir einen Balletttänzer."

Noch nie ausgemachte Tristesse

Das mag recht unterhaltsam sein, doch kommt es nicht überall so an, wie auch Assauer bemerkt. Beim Uefa-Cup-Spiel hat er innerhalb des Stadions eine Tristesse ausgemacht haben, wie er sie noch nicht erlebt habe in der neuen Arena.

Zumindest das Ergebnis hat die Zuschauer am Ende ein wenig versöhnlich gestimmt. Der Schalker Übergangstrainer Eddy Achterberg, ein 57-jähriger Niederländer, der einst als Assistent bei Huub Stevens gelernt und unter Heynckes als Co-Trainer gewirkt hat, brachte gegen den lettischen Meisterschaftszweiten Liepaja den genesenen Ebbe Sand und den international nicht gesperrten Ailton in die Startelf, und während Letzterer orientierungslos über den Platz stolperte und Pfiffe von den Fans erntete, brachte Sand mit drei Treffern ein wenig Licht in die Schalker Dunkelheit.

Mit dem 5:1-Hinspielerfolg hat der FC Schalke 04 die Gruppenphase im Uefa-Pokal so gut wie sicher erreicht und damit auch zwei Heimspiele und garantierte Einnahmen.

Wenn dem Manager die Befindlichkeit der Stammkundschaft nach eigener Aussage auch gleichgültig ist, die Kassenlage ist es nicht.

Finanziell betrachtet, war die Beurlaubung von Jupp Heynckes allerdings nicht gerade ein genialer Schachzug, schließlich muss dem 59-Jährigen bis zum Sommer weiter Gehalt oder irgendwann eine Abfindung gezahlt werden; doch angesichts der möglichen Millionen aus Europapokal und DFB-Wettbewerb und neuem Schwung in der lethargischen Mannschaft schien ein Wechsel auf der Trainerbank das kleinere Übel für den Vorstand.

Allerdings verwundert es nun auch nicht, wenn ausgerechnet vom Schalker Finanzchef Josef Schnusenberg ein öffentliches Bekenntnis für die günstigste Übergangslösung Eddy Achterberg kommt: "Ich gehe davon aus, dass diese Lösung bis zum Saisonende hält", sagt Schnusenberg.

Derweil werden für die Heynckes-Nachfolge längst alle verfügbaren Fußballlehrer gehandelt, während die eigentlich nicht verfügbaren noch ein bisschen zusätzliche Spannung ins Spiel bringen.

Huub Stevens, der letzte erfolgreiche Gelsenkirchener Übungsleiter, trainiert den Zweitligisten 1.FCKöln und soll entgegen ersten Gerüchten keine Ausstiegsklausel für den FC Schalke 04 im Vertrag haben.

Kandidaten für den Schalker Job sind nun Jürgen Röber, Ralf Rangnick oder auch Michael Skibbe, und weil der ehemalige U21-Nationaltrainer Uli Stielike jüngst geäußert hatte, er möge auch gerne mal wieder eine Klubmannschaft trainieren, kommt auch sein Name noch mit in die Verlosung.

Nur Olaf Thon ist aus dem Rennen. Ihm hat der Manager Assauer am Freitag in einem Gespräch die Meinung gesagt.

© SZ vom 18.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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