Schalke 04:Ins frohe Staunen mischt sich Ärger

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Trotz des 3:0 über Eindhoven glauben wenige Schalker, das Champions-League-Achtelfinale zu erreichen. Vor allem Rudi Assauer ist skeptisch.

Christoph Biermann

Mailand ist in der Geschichte des FC Schalke 04 ein mythischer Ort, denn anno 1997 fand der Klub dort seinen Gral. Als sie sich damals anschickten, den goldenen Pokal zu erobern, folgten den Spielern in Königsblau ihre Anhänger zu Zehntausenden über die Alpen. Sie litten und beteten auf den Rängen von San Siro und wurden schließlich erlöst, weil ein Torwart namens Jens Lehmann im Elfmeterschießen entscheidend hielt - Schalke gewann mit dem Uefa-Cup seinen wertvollsten Pokal in der mehr als hundertjährigen Geschichte des Klubs. So geht die Sage, und so war es auch wirklich, aber am Mittwochabend erzählte Andreas Müller die Geschichte ganz anders. "Wir haben dort zweimal gespielt und zweimal verloren, beim dritten Mal ist es Zeit für einen Sieg", sagte Schalkes Sportlicher Leiter.

Freude auf Schalke: Dennoch glauben nur wenige an ein Weiterkommen. (Foto: Foto: rtr)

Müller muss es wissen, denn er war dabei, als Schalke 0:1 gegen Inter Mailand verlor, erst im Rückspiel des Uefa-Cup-Finales, dann im Jahr danach mit dem gleichen Ergebnis im Viertelfinale. In zwei Wochen wird beim AC Mailand ein weiteres 0:1 mit größter Wahrscheinlichkeit nicht helfen. Denn so erfreulich die Tatsache und die Umstände des 3:0-Siegs über den PSV Eindhoven auch waren, für Schalke in der Champions League geklärt hat er nur wenig; sieht man einmal von einer gewissen Grundentspannung ab, die am Mittwochabend deutlich zu spüren war.

Anders als bei der ersten Teilnahme an der Champions League vor vier Jahren, hat sich Schalke diesmal international bewährt. Egal, wie die Partien am letzten Spieltag ausgehen sollten, wird der Klub auf jeden Fall nach der Winterpause zumindest im Uefa-Pokal weiter dabei sein. Schalke war im direkten Vergleich sowohl gegen Eindhoven als auch gegen Fenerbahce Istanbul besser, und spielerisch überzeugte die Mannschaft ebenfalls, was Ralf Rangnick jedoch erwartbar fand. "Es ist normal, dass uns die Champions League beflügelt", sagte Schalkes Trainer.

Sieben Punkte mit zwei Toren

Dennoch scheint die Aussicht nicht sehr groß zu sein, dass sein Team dort weiterhin die Schwingen ausbreiten kann. "Die Chance ist da, aber ich glaube, dass wir mit Platz drei werden vorlieb nehmen müssen", sagte Manager Rudi Assauer. Auch Müllers Rechnungen waren nur mäßig optimistisch: "Ich glaube nicht, dass Eindhoven gegen Fenerbahce was liegen lässt." Der holländische Meister hat mit bislang nur zwei Toren sieben Punkte geholt, was Guus Hiddink fast etwas unangenehm war. "Dieser Minimalismus entspricht keiner Strategie", sagte der holländische Trainer.

Sollte der PSV Eindhoven am letzten Spieltag der Vorrunde gegen den türkischen Meister gewinnen, wäre er weiter. Dann hätte er zehn Punkte, und da Schalke wie Milan derzeit auf acht Zähler kommen, wären es bei einem Unentschieden in Mailand je einer weniger als Eindhoven. Sollte das mögliche Unentschieden im Guiseppe-Meazza-Stadion nicht 3:3 oder noch torreicher ausfallen, hätten sich die Italiener durchgesetzt. "Noch hat Eindhoven gegen Fenerbahce nicht gewonnen", ahnt Ralf Rangnick, zumal die Türken mit einem Sieg in Holland noch Dritter werden könnten. Doch eigentlich gehen alle in Schalke davon aus, in Mailand siegen zu müssen.

"Für uns ist es einfacher, dort nicht auf ein Unentschieden spielen zu müssen", glaubt Rangnick. Kühl zu kalkulieren ist nicht die hervorragende Qualität des Schalker Teams, in dem das emotionale Moment überwiegt. Um so beachtlicher war es, dass der Held des Spiels gegen Eindhoven eine der konstanten wie unauffälligen Kräfte war. Lewan Kobiaschwili, der zuvor ein Jahr lang nicht getroffen und in seiner Karriere noch nie zwei Tore in einem Spiel erzielt hatte, traf gleich dreimal. "Solche Tage können passieren", sagte er fast entschuldigend nach zwei verwandelten Elfmetern und einem Abstaubertor. Ansonsten genoss er höflich staunend die Anerkennung der Kollegen: "Alle haben mir gratuliert, das war nett von den Spielern."

Zu viele Unbekannte im Spiel

Von den Rängen gab es Sprechchöre für den Verlässlichen in seiner Sternstunde. Indirekt erinnerte Kobiaschwili aber auch daran, was Schalkes Mannschaft fehlt. "Wir haben nach wie vor zu viele Unbekannte im Spiel", sagte Müller, "das Team ist nicht berechenbar." Und deshalb gibt es zur Grundzufriedenheit über das international Erreichte auch einen Unterton des Ärgers darüber, in Istanbul nicht gewonnen und in Eindhoven nicht gepunktet zu haben. Denn dann wäre die Partie bei Milan nur noch ein Freundschaftsspiel. Doch staunend stehen sie in Gelsenkirchen oft vor ihrer Mannschaft, mal vor Freude, mal vor Entsetzen. Und so scheint auch für Samstag wieder vieles offen zu sein, wenn es in der Bundesliga gegen Bremen um den Anschluss an die Plätze geht, die auch nächstes Jahr Champions League in Schalke versprechen.

© SZ vom 25.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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