Schalke 04:Finale mit Spitzen

Lesezeit: 3 min

Das weltweit bekannte Geheimnis ist jetzt auch offiziell gelüftet: Christian Heidel erklärt sich bei einer Pressekonferenz in Mainz. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Schalkes Sportchef Horst Heldt übt Kritik am Vorgehen seines Vorgesetzten Clemens Tönnies. Seinem Nachfolger Christian Heidel bietet er erstmals seine Mitarbeit an.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Jürgen Kramny fand diesmal nicht das Fußballspiel herausragend, sondern die Pressekonferenz, die dem 1:1 zwischen Schalke 04 und dem VfB Stuttgart folgte. "Es war die beste Pressekonferenz, die ich bisher erlebt habe", schwärmte der VfB-Trainer, was aber nicht daran lag, dass es so viele sachkundige Fragen und spannende Gespräche mit den Reportern gab. Sondern daran, dass die Reporter in der Mehrzahl gar nicht erschienen waren. Sie hielten sich stattdessen in großer Zahl dort auf, wo sie den Protagonisten des Abends erwarteten, und dieser war kein Fußballer, sondern Schalkes Manager Horst Heldt, der am Sonntag einen wegweisenden Anruf von seinem Vorgesetzten Clemens Tönnies erhalten hatte. Schalkes Aufsichtsratschef teilte dem amtierenden Sportvorstand mit, dass die Entscheidung gefallen sei. "Hat lang genug gedauert", fügte Heldt spitz an.

Sicherlich war das Spiel am Sonntag keine Nebensache, die Mannschaften unterstrichen durch einen verbissenen, am Rande der vertretbaren Härte geführten Kampf die Bedeutung, die die Partie für beide Parteien hatte. Aber vor allem auf Seiten der Hausherren zogen die Vorgänge hinter den Kulissen das Interesse auf sich. Am frühen Nachmittag hatte der Schalker Aufsichtsrat, von nicht unbeträchtlichem Medienrummel begleitet, sein Votum für die Bestellung Christian Heidels zum nächsten Sportvorstand abgegeben. Am frühen Abend erklärte Heidels künftiger Vorgänger Heldt, "dass es bessere Zeitpunkte gibt, um so ein Thema abzuarbeiten". Aus den Anmerkungen des Managers ging leise, aber unüberhörbar Kritik an der Handhabung des Personaltauschs hervor, und es ist nicht gewagt, die Adresse der Kritik bei dem seit 2001 amtierenden Aufsichtsratschef Tönnies zu lokalisieren. Mit Unannehmlichkeiten braucht Heldt aber nicht zu rechnen. Seine Amtszeit wird nicht damit enden, dass ihn der Verein vorzeitig vor die Tür setzt, weil er die Unfehlbarkeit des mächtigsten Mannes in Frage gestellt hat. Heldt soll die Saison sauber zu Ende spielen, er wird noch gebraucht.

Der Bremer Rouven Schröder soll Heidel in Mainz ersetzen

Nachdem Schalke 04 sich am Sonntag erklärt hatte, war am Montag Mainz 05 an der Reihe, über seine Planungen zu berichten. Präsident Harald Strutz teilte mit, dass Heidel seine Arbeit in Mainz bis Saisonende unvermindert fortsetzen werde, schon allein deshalb, weil er seinen Nachfolger einarbeiten soll. Mit Rouven Schröder, 40, haben die Mainzer eine Übereinkunft getroffen. Die Einigkeit mit Werder Bremen, wo Schröder bisher an der Seite von Thomas Eichin das Management gestaltete, steht noch aus; man sei "in Verhandlungen", sagte Strutz. Offenbar haben die Bremer erkannt, dass die Freigabe für Schröder - Vertrag bis 2017 - Geld wert ist. "Er war nicht der einzige Kandidat. Wir sind zusammen mit Christian Heidel Namen durchgegangen, die zu uns passen könnten. Dann haben wir uns schon Anfang Januar mit Rouven Schröder getroffen und alle anderen Optionen nicht mehr weiterverfolgt", erklärte Strutz. Heidel hat also den Mann ausgewählt, der sein Erbe betreuen soll. Und von einer persönlichen Hinterlassenschaft zu sprechen, ist kaum übertrieben, nachdem der vormalige Autohändler Heidel binnen 24 Jahren aus einem kleinen Zweitligisten einen mittelständischen Erstligisten geformt hat. Heidel sagte, er habe für sich "persönlich die Entscheidung getroffen, noch einmal in meinem Leben etwas anderes machen zu wollen. Ich wollte mir irgendwann nicht den Vorwurf machen: Christian, warum hast du das, das oder das nicht gemacht?"

Dass Heidel bis zum Sommer in Mainz bleibt, soll ihn nicht daran hindern, ab sofort auch für den in der Tabelle nur einen Punkt entfernten Konkurrenten Schalke tätig zu werden. "Natürlich werde ich mich zwischendurch mit Dingen befassen, die in Schalke passieren", kündigte er an. Bisher hatte es zwischen den Managerbüros in Mainz und Gelsenkirchen keinen Kontakt gegeben, obwohl Heidels Wechsel in den Ruhrpott seit Herbst ein weltweit bekanntes Geheimnis war. Am Sonntag ist die unsichtbare Barriere beseitigt worden. Heldt sagte am Sonntag, dass er für Gespräche mit seinem Nachfolger offen sei, "jetzt gibt es ja einen Ansprechpartner".

Das 1:1 gegen den VfB zeigt, dass die Elf noch nicht reif genug ist

Bevor er Schalke nach sechs Dienst- jahren verlässt, wünscht sich der 45-Jährige aber noch einen schönen Abschied. Am liebsten mit einer erneuten Qualifikation für die Champions League. Dafür bedarf es allerdings einer stabileren Leistung als am Sonntag. Nach einer guten ersten Halbzeit mit vielversprechenden Szenen der beiden Wintererwerbungen Younes Belhanda - Schütze zum 1:0 - und Alessandro Schöpf ließen die Schalker im zweiten Durchgang körperlich, geistig und spielerisch stark nach. Torwart Ralf Fährmann verhinderte einen Sieg des überlegenen VfB. Und Fährmann war es auch, der feststellte, dass Heldts Wunsch wohl ein Wunschtraum bleiben wird. "Realistisch betrachtet", meinte der Torwart, sei die junge Schalker Elf nicht reif für die Champions League.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: