Saudi-Arabien:Wünsche ohne Ende

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Saudi-Arabiens Fußballer wollen alles: schön spielen, gewinnen und Profi in Europa werden.

Unten, im Kurort Bad Nauheim, laufen einige Menschen an Krücken herum. Das liegt daran, dass Bad Nauheim die "Gesundheitsstadt" ist, so nennt es sich, und um zu gesunden braucht es zunächst ein Leiden. Daher die Krücken. Weiter oben in der Stadt, der Weg führt an Transparenten vorbei, die die saudi-arabische Fußballmannschaft begrüßen, liegt das Hotel Dolce. Hier wohnt die Mannschaft aus Saudi-Arabien, und hier laufen keine Menschen an Krücken herum, aber ein Journalist einer Nachrichtenagentur erklärt der Pressefrau des Hotels gerade ausführlich, dass er immer schreckliche Rückenschmerzen habe, wirklich furchtbar, das könne sie sich kaum vorstellen, woraufhin die Frau ihm freundlich erwidert: Da sei er hier in Bad Nauheim genau richtig.

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Es wäre wohl übertrieben zu behaupten, dass auch die saudische Nationalmannschaft hier ist, um ein Leiden zu kurieren, nämlich das 0:8, das sie im ersten Spiel der WM 2002 gegen Deutschland hinnehmen musste. Aber sie bereitet sich in der Abgeschiedenheit des Kurorts gewissenhaft vor, gern trainiert sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. "Diesmal ist alles anders", sagt Mittelfeldspieler Mohammed Ameen, "die Vorbereitung ist viel besser als 2002." Dann räumt er ein, dass er bei der WM 2002 nicht dabei war, dass er aber dennoch fest davon ausgehe, dass die Vorbereitung besser sei.

Hohe Erwartungen in der Heimat

Auf jeden Fall ist sie anders gewesen, was aber nichts Neues für die Mannschaft ist, da sich die Vorbereitung auf Turniere eher häufig ändert. Seit 1993 gab es 16 Trainerwechsel, derzeit versucht sich der Brasilianer Marcos Paqeta, der Anfang des Jahres den Argentinier Gabriel Calderon abgelöst hat. Calderon hat zwar die WM-Qualifikation geschafft, unter anderem mit Siegen gegen Südkorea, den Halbfinalisten von 2002, aber dann lief es in den Testspielen nicht so rund, und er war den Job los. Wenn man von manchen Trainern sagt, sie säßen fest im Sattel, so muss man sich den Job des saudi-arabischen Nationaltrainers als Rodeoritt ohne Sattel vorstellen.

Das liegt auch an den Erwartungen. 1994 war das Land erstmals für eine WM qualifiziert und zog nach Siegen gegen Belgien und Marokko ins Achtelfinale ein. 1998 und 2002 war jeweils nach der Vorrunde Schluss, doch diesmal soll es wieder so schön werden wie vor zwölf Jahren. Mindestens. "Wir haben eine Wunschliste ohne Limit", sagt Ameen, "erst einmal wollen wir guten Fußball spielen, und dann wollen wir so weit kommen, wie es geht." Damit verbindet sich der Wunsch vieler Spieler, ein Engagement in Europa zu ergattern. "Ich schätze, acht von uns wollen es schaffen", sagt Ersatztorwart Mohammad Kojah.

Ungezwungene Atmosphäre im Quartier

Er rechnet sich selbst dazu, weil er sich Hoffnung macht, zum Einsatz zu kommen, obwohl das Tor von Mohammed al Deayea gehütet wird, mit 181 Einsätzen Rekordnationalspieler. Stürmer Yaser al Kahtani sagt: "Die WM ist der größte Markt. Und wenn wir hier gut für unser Land spielen, dann tun wir auch etwas für uns. Ich freue mich schon darauf, in Europa zu spielen." Allerdings gelang das bisher erst einem Spieler, Sami al Jaber, dem Star des Teams. Er versuchte sich erfolglos bei den Wolverhampton Wanderers.

Seit dem 20. April ist die Mannschaft zusammen, es scheint eine ungezwungene Atmosphäre zu herrschen. Im kleinen Internetraum des Hotels, der einen Blick in die Welt bietet, drängen sich bisweilen zehn Spieler. Was sie wohl sehen in der Welt? Auch scheinen die Sicherheitsvorkehrungen nicht so extrem zu sein, wie man sich das vorstellen musste. Betritt man das Hotel durch den Seiteneingang, läuft man minutenlang durch die Flure. Fragt man den deutschen Sicherheitsmann am Haupteingang, wie viele Leute im Einsatz seien, setzt er einen erstaunlich bösen Blick auf. Auf die Frage, ob das eher geheim sei, bellt er: "Dazu kann ich überhaupt nichts sagen."

Es ist nicht weit vom Haupteingang des einigermaßen bewachten Hotels in die Fußgängerzone. Dort haben sich die Inhaber von 32Geschäften eine Aktion überlegt: Jeden Tag wird ein anderes Land in einem der Schaufenster vorgestellt. Sollten die saudischen Spieler in ihrer Freizeit mit oder ohne Sicherheitsbeamte in die Stadt schlendern, könnten sie an diesem Donnerstag, bei "Blumen Powilleit" einiges über Südkorea erfahren, am Freitag stellt "Ruths Mode" Deutschland vor.

Über den ersten Gruppengegner Tunesien könnten sich die Spieler am 14. Juni im Schaufenster von "Topolino Kindermoden" informieren, wenn sie an diesem Tag nicht in München wären, um gegen Tunesien zu spielen. Ist aber nicht schlimm, denn über Tunesien wissen sie bereits einiges: "Es ist gut, dass wir gegen den schwächsten Gegner zuerst spielen müssen", sagt Mohammad Kojah.

Kein Experte glaubt es, aber vielleicht ist auch gegen die Ukraine und Spanien etwas möglich, denn der Geist eines besonderen Menschen schwebt über dem Teamhotel: Es liegt am Elvis-Presley-Platz. Presley war von 1958 bis 1960 in der Nähe stationiert, in Friedberg, und er wohnte hier in Bad Nauheim. Dass von allen Teams gerade die saudische Mannschaft auf Inspiration durch den King hoffen kann, den Meister des Hüftschwungs und des Rock'n'Roll, ist eine schöne Vorstellung.

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