Rückkehr geplant:Calmund kann's nicht lassen

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Der in Leverkusen aus dem Amt gedrängte Manager will in vier Monaten ins Geschäft zurückkehren. Wo und in welcher Funktion genau scheint dabei noch ungeklärt. Es bleibt also Raum für Spekulationen.

Von Christoph Biermann

Es waren wohl Fans, die nachts an der BayArena das Transparent aufgehängt hatten. Ein "Danke für 27 Jahre" wurde Reiner Calmund dort ausgesprochen. Doch so recht konnte auch am Tag danach niemand glauben, dass der Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen wirklich von seinem Amt zurückgetreten war. Und so mischten sich in den Unglauben gleich Vermutungen um Hintergründe der Demission, die über die geäußerten hinausgehen.

Der Kölner Stadt-Anzeiger meinte, "dass dieser Mann das, was er als sein Lebenswerk betrachtet, freiwillig hergibt, ist völlig ausgeschlossen." Ein Calmund besonders nahe stehender Reporter von Bild kommentierte: "Mit System vertrieben." Der neue alleinige Sprecher der Geschäftsführung, Wolfgang Holzhäuser und Meinolf Sprink, der Sportbeauftragte der Bayer AG, fühlten sich demnach "meist durch Calmunds Figur, Energie und Beliebtheit eingeengt".

Ist Calmund also gemobbt worden, und war der tränengetränkte Abschied mit den von ihm so anschaulich geschilderten Leiden ("Ich bin platt") nur ein Bühnenstück? "Ich habe durchaus gezuckt, als ich das gelesen habe", gibt Meinolf Sprink zu. Die Interpretationen jedoch, dass er und Holzhäuser die Bundesliga-Ikone Calmund gestürzt hätten, weist er weit zurück.

"Das ist ein Nachhall aus vergangenen Zeiten", meint Sprink. Zwischen ihm und Reiner Calmund hatte es durchaus Konflikte gegeben, als etwas Otto Rehhagel als Sportdirektor verpflichtet werden sollte. Doch diese Meinungsverschiedenheiten seien längst erledigt.

Sprink räumt jedoch ein, dass es Calmund schwer gefallen sei, sich an die neue wirtschaftliche Ausrichtung des Klubs zu gewöhnen. "Er hat den Kurs zwar mitgetragen, aber das ging ihm nicht unbedingt aus den Klamotten raus." Viele Millionen muss Bayer einsparen, und das nicht nur beim kickenden Personal, sondern auch in der Peripherie der Mannschaft.

Die fetten Jahre sind auch in Leverkusen vorbei, und vielleicht fiel das zu akzeptieren Calmund besonders schwer, weil er dafür gesorgt hatte, dass die Jahre zuvor bei Bayer besonders fett gewesen waren. "Es ist schwierig, wenn man auf dem Olymp tätig war", sagt Sprink. Für den Finalisten der Champions League von 2002 wird es nun schwierig werden, zugleich sparsam und erfolgreich zu sein.

So haben Lucio und Bastürk den Verein verlassen, und man wird sie nicht adäquat ersetzen. Ohne den populären Meister der Starksprache muss Bayer 04 zudem eine neue Identität schaffen. Holzhäuser, ein Verwaltungsspezialist, wird dafür nicht sorgen können - und es vermutlich auch nicht wollen. "Ein Calmund ist ein Calmund und nicht zu kopieren", sagt Sprink.

Nur viermonatige Auszeit

Der Einstellung eines Sportdirektors wird eine besondere Bedeutung zukommen, und erste Namen sind schon gefallen. Oliver Bierhoff könnte ein Kandidat sein, Rolf Rüssmann ein anderer, aber Reiner Calmund dürfte dafür noch einen anderen im Kopf haben. Im Frühjahr nannte er bereits Rudi Völler als seinen möglichen Nachfolger, wohlgemerkt für die Zeit nach der WM 2006.

Nun ist es bei Calmund früher geworden, und das könnte es bei Völler nur, wenn er bei der EM mit dem deutschen Team in der Vorrunde scheitern würde. Calmund und Völler sind sich auch freundschaftlich verbunden. Der scheidende Manager reist an diesem Wochenende nach Portugal und wird dem Teamchef alles Gute wünschen. Wenn es nicht klappen sollte, hätte er für Völler aber bestimmt eine gute Offerte in der Tasche. Und wenn alles gut gehen sollte, könnte es eine für ihn selbst sein.

"Ich werde nie mehr an erster Stelle antreten. Aber genauso klar ist: Nach EM und Urlaub werde ich in etwa vier Monaten wieder mit Volldampf im Fußball arbeiten", hat Calmund in der Bild-Zeitung bereits angekündigt; am liebsten "bei einem Verein, bei dem ich 15 Stunden powern kann". Sollte nicht immer schon mal der Posten des Managers der Nationalmannschaft geschaffen werden?

(Süddeutsche Zeitung vom 11.06.2004)

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