Rudolf Scharping:"Der Fall Basso ist für den Radsport unerfreulich"

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BDR-Präsident Rudolf Scharping über das Jahr eins nach der Affäre Ullrich, die Folgen des spanischen Dopingskandals und Respekt.

Andreas Burkert

SZ: Herr Scharping, Jan Ullrich hat Sie bei seinem denkwürdigen Rücktritt mit Tiraden bedacht. Es heißt, Sie habe das sehr getroffen.

Rudolf Scharping (Foto: Foto: dpa)

Scharping: Überhaupt nicht, es ist nur schade, dass seine Karriere so endet.

SZ: Mit dem ersten Frühjahrsklassiker Mailand - San Remo beginnt diesen Samstag endgültig die erste Saison nach Ullrich und dem spanischen Dopingskandal. Was wird das für ein Radsportjahr?

Scharping: Das wird ein spannendes Jahr, wie die ersten Siege und Platzierungen von Jens Voigt, Andreas Klöden und Stefan Schumacher zeigen. Und mal sehen, wie in San Remo Erik Zabel oder Gerald Ciolek abschneiden. Das werde ich mir am Samstag am Rande unserer Bundeshauptversammlung interessiert anschauen. Meiner Meinung nach hat der Radsport die Seuche überstanden, er ist in der Reha und kann sich einen Rückfall nicht leisten - denn der könnte noch gefährlicher sein als die Krankheit selbst.

SZ: Ist die Seuche wirklich überstanden, wenn etwa der ebenfalls von Spaniens Polizei verdächtigte Giro-Sieger Ivan Basso demnächst in Italien seinen Titel verteidigen darf?

Scharping: Klar, der Fall Basso ist für den Radsport unerfreulich. Verstöße gegen die Dopingregeln müssen von den nationalen Verbänden weiter verfolgt werden. Wir tun das, andere auch.

SZ: Der BDR betont derzeit seine Vorreiterrolle im Antidoping-Kampf, müsste er nicht im Falle Basso beim italienischen Verband Aufklärung anmahnen?

Scharping: Der Austausch funktioniert zwar, aber natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen. Dennoch: Das neue Antidoping-Programm der UCI (Radsportweltverband; d.Red.) und die Haltung der Profiteams deckt sich exakt mit dem, was wir im vergangenen Sommer in Deutschland beschlossen haben. Das wird jetzt internationaler Standard, in manchen Ländern schneller - und manchmal langsamer. Aber die wichtigen Akteure - die Teams, die UCI und die Veranstalter - ziehen das gemeinsam durch. Bei der Straßen-WM in Salzburg haben übrigens unsere Athleten die Nationenwertung gewonnen. Man kann also sauber und erfolgreich sein - und jetzt steht das sogar in der Süddeutschen.

SZ: In der SZ steht allerdings auch, dass gerade die Profiteams zuletzt bei Basso nicht gemeinsam handelten, indem sie trotz erheblicher Proteste seine Verpflichtung durch den Discovery-Rennstall dulden. Discovery hat ja auch den Spanier Contador, soeben Sieger von Paris - Nizza, verpflichtet, obwohl sein Name ebenfalls in den Akten steht.

Scharping: Das ist alles richtig und problematisch zugleich. Da ist die Haltung von T-Mobile, Gerolsteiner oder Milram vorbildlich. Sie setzen um, was wir gemeinsam beschlossen haben. Da darf man sich auch von einem so unangenehmen Ausreißer nicht vom klaren Weg abbringen lassen.

SZ: Doch gerade das Votum des deutsch-italienischen Milram-Teams gegen den Discovery-Ausschluss aus der Team-Vereinigung müsste sie verärgern, denn es torpediert die nationale Linie.

Scharping: Ich habe an der Diskussion nicht teilgenommen und kann das nicht kommentieren. Ich habe das Ergebnis kommentiert, das mag reichen.

SZ: Wären Siege eines Ivan Basso nicht mehr als ein Ausreißer - eher ein fatales Signal ans Publikum?

Scharping: Dass so ein unaufgeklärter Fall Basso der Glaubwürdigkeit nicht dient, ist völlig klar. Der Fall ist aber in Italien nur vorläufig eingestellt. Und aus deutscher Sicht kann ich sagen, dass zur Erfolgsbilanz eines insgesamt schmerzlichen Jahres auch das positive Signal gehört, dass sich nun sogar der Gesetzgeber für eine Besitzstrafbarkeit ausspricht. Viele Menschen erkennen nun, dass der Kampf gegen Doping konsequent aufgenommen ist. Viele denken aber auch, um es mal salopp zu sagen: Das Thema kommt mittlerweile aus den Ohren raus.

SZ: Man könnte darauf mal salopp antworten: Das ist ja arg kurz gedacht.

Scharping: Keine Frage, und es hat auch keinen Sinn, auf andere zu zeigen, obwohl Doping und der Missbrauch von Medikamenten auch ein gesellschaftliches Alltagsproblem ist, das im Sport nicht nur auf den Radsport begrenzbar ist. Wir ducken uns also nicht weg - ich hoffe nur, dass unser Sport auch wieder einmal fairer wahrgenommen wird, damit etwa eine tolle Hallen-WM wie zuletzt in Chemnitz nicht untergeht.

SZ: Hatte der BDR diese Woche nicht selbst ein kleines Problem mit einer konsequenten Haltung, weil er zum Siebzigsten Rudi Altig ehrte, der als Altstar nur noch mit der regelmäßigen Forderung nach Doping-Freigabe auffällt?

Scharping: Man kann doch jemanden respektieren, ohne mit ihm einer Meinung zu sein. Ich mag den Rudi Altig, obwohl ich diese Auffassung für komplett falsch halte. Trotzdem hat er große Leistungen gezeigt, er war Weltmeister und ist sehr populär.

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Jan Ullrich ist einer der populärsten Sportler des Landes, mit seinem Sieg bei der Tour de France 1997 steigt er zur Radsport-Ikone auf und löst eine Begeisterungs-Hysterie aus. Dann fährt allerdings Lance Armstrong stets schneller und bald schon beginnt seine lange, zähe Doping-Geschichte.

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SZ: Wie haben der deutsche Radsport und der BDR den Dopingskandal samt Ullrich-Affäre zu spüren bekommen?

Scharping: Es gibt viele erfreuliche Entwicklungen: Die Mitgliederzahlen steigen, die Zahl der Zuschauer auch. Wir haben neue Rennserien entwickelt, etwa die internationale deutsche Meisterschaft, die Jedermann-Serie. Auch in diesem Jahr entstehen neue Serien, zum Beispiel beim BMX, und wir werden viel breiter an den Schulen verankert sein. Wir hatten allerdings eine sehr, sehr ernste Situation bezüglich der öffentlichen Mittel im Herbst und bis Januar auch bei Sponsoren. Das war für den Radsport auch wirtschaftlich existenzbedrohend. Da musste man mit Firmen intensiv reden, um sie zu halten. In einem Fall hat es trotzdem ein deutliches Zurückfahren des Engagements gegeben. Um aber noch einmal die Brücke zur Dopingproblematik zu schlagen: Wenn nicht alle gemeinsam - Teams, Sponsoren und der BDR - so konsequent gewesen wären, wäre etwa die Übertragung der Deutschlandtour und damit ein Flaggschiff des deutschen Radsports nicht zu retten gewesen.

SZ: Dieser Mut der Veranstalter, auch vor möglichen Schadensersatzklagen nicht zurückzuschrecken ...

Scharping: ...ist sicherlich der einzige Weg. Es geht nur über eine sehr konsequente Haltung. Wenn Doping entsteht, weil man sich in der Mischung aus hohem Einkommen, großem Leistungsdruck und hoher Popularität falsch verhält, dann muss man an der zentralen Säule ansetzen - nämlich am wirtschaftlichen Interesse und dem Herausnehmen aus dem Renngeschehen. Wir müssen mögliche Betrüger abschrecken, besser kontrollieren und die Prävention - das müssen unsere Säulen sein.

SZ: Wie weit ist der BDR mit seinem Präventionsprogramm, das sie am Samstag den Delegierten vorlegen?

Scharping: Was die Anlage von Blutprofilen und die DNA-Abgleiche angeht, bin ich erfreut, dass dies bei unseren Teams akzeptiert und praktiziert wird. Für uns machen das Universitätskliniken und unabhängige Labors. Mehr als 80 Prozent unserer Athleten sind mittlerweile erfasst, und zwar in allen Kadern, auch die Unter-17-Jährigen werden schon erfasst. Wer Nationalmannschaft fahren will, muss im Programm sein.

SZ: Sie erwähnten die neue Strafbarkeit der Besitzbarkeit. Der Chef des deutschen Sports, Thomas Bach, würde Doping gerne nur per Sportrecht sanktioniert sehen. Ist er nicht anderen Interessen verpflichtet und könnte womöglich auch deshalb bei der Nada auf Personalwechsel gedrängt haben, weil dort ein scharfes Gesetz befürwortet wurde?

Scharping: Das müssten Sie Thomas Bach selbst fragen. Ich vertrete die Interessen und den Standpunkt des Radsports - und über Bach habe ich nie öffentliche Debatten geführt. Bei der Nada wiederum hat manches auch nicht so funktioniert im Interesse einer konsequenten Bekämpfung des Dopings, auch außerhalb der Wettkämpfe und in einem präventiven Sinne. Aber es wird besser, wie ich sehe. Doch den Wettlauf zwischen betrügerischer Energie und wissenschaftlichem Nachweis wird es wohl immer geben.

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