Ronaldo:Vergesst Paris!

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Ronaldo strebt nach nach seinem Rekordtor nach Revanche - für die schmachvolle Niederlage gegen die Franzosen vor acht Jahren.

Javier Cacéres

Der aktuelle Kommentar zur Leibesfülle von Ronaldo, Stürmer bei Real Madrid, kam aus jener Kurve des Westfalenstadions, die mit authentischen Brasilianern gefüllt war, und sie kam in recht umgangssprachlicher Form daher. "Ih! Fodeu!/Ronaldo emagreceu!", sangen die Fans aus Brasilien, und der Gesang ließe sich politisch korrekt wohl am ehesten so übersetzen: "Nun ist alles zu spät: Ronaldo ist dünner geworden!"

Fünf Minuten der Partie gegen Ghana (3:0) waren da vergangen, und Ronaldo war endgültig zur - sehr viel - Fleisch gewordenen Legende geworden. Seit seinem Treffer zum 1:0 ist Ronaldo alleiniger Rekordhalter in Sachen WM-Toren.

Ronaldo Luiz Nazario de Lima, geboren zu Rio de Janeiro, hat fünfzehn WM-Treffer erzielt und damit einen mehr als Gerd Müller aus Nördlingen. Auch wenn Müller eine Trefferquote von 1,07 Toren pro Partie aufzuweisen hat und Ronaldo noch bei 0,83 steht, und so sehr Just Fontaine aus Frankreich seine 13 WM-Tore in nur einem WM-Turnier (1958) erzielt hatte: "Sein Name sagt nun alles", erklärte Carlos Alberto Parreira, der Trainer Brasiliens.

Ronaldo selbst blieb bei der Demut, die er sich für diese Deutschlandtour seiner Nationalelf auferlegt hat; auch der Tag, an dem er seinen Namen in die Geschichts- und Rekordbücher des Weltfußballs eintrug, vermochte nichts daran zu ändern.

Zurückhaltung in jeder Hinsicht

Kein Wort geriet ihm lauter als das andere, Zurückhaltung übte er in jeder Hinsicht. Es sei "nicht einfach, Geschichte zu schreiben", erklärte Brasiliens Nummer neun, "im Gegenteil, es ist schwierig und hart und verlangt viel Aufopferung und Arbeit ab".

Zuletzt hatte man ihm oft vorgeworfen, es genau daran vermissen zu lassen; dass er kritisiert werde, sei ihm zur Gewohnheit geworden. "Das war mein ganzes Leben lang so. Man verlangt denen mehr ab, die mehr leisten können."

Als ihn argentinische Journalisten vor der Partie gegen Ghana fragten, ob er Argentinien oder Deutschland als Finalgegner in Berlin bevorzuge, wies er sehr höflich und bestimmt darauf hin, dass seine Mannschaft noch nicht einmal das Viertelfinale erreicht habe. Als das am Dienstagabend geschehen war und er den Arbeitstag Revue passieren ließ, beharrte er darauf, dass er seinem persönlichen Rekord niemals Priorität beigemessen habe.

Als erstes stellte er heraus, wie "schön" es sei, "dass wir gewonnen haben"; dass er "dazu noch ein Tor erzielt und Müllers Rekord gebrochen habe", sei lediglich ein netter Bonus: "Der Torrekord war immer nur meine zweite Option." Zwar hatte er doch sehr genau nachgezählt, dass Müllers Bestmarke "sieben Weltmeisterschaften lang unangetastet geblieben" war, sein eigentliches Ziel sei und bleibe jedoch ein anderes: "Den sechsten WM-Titel zu gewinnen."

Der Weg nach Berlin führt nun über Frankreich, am Samstag steht für ihn dort eine besondere Revanche an. Vor acht Jahren erlitt Ronaldo wenige Stunden vor dem WM-Finale in Frankreich einen Kollaps, dessen Ursache bis heute noch nicht aufgeklärt ist, obwohl sogar eine Parlamentskomission eingeschaltet wurde, um zu erörtern, ob der Sponsor Nike seine Aufstellung erzwungen hatte.

"Wir müssen ins Spiel gehen, als sei es ein Finale, auf den Platz gehen und zerbersten", sagte Ronaldo. Vor allem werde es Zeit, "das Finale von Paris zu vergessen", am besten mit einem Sieg. Sein einziges Ziel sei das nicht: "Ich will mehr, mehr, und mehr."

Titel, ja. Und Tore. Sein Geheimnis ist genau dies.

© SZ vom 29.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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