Robert Harting:Dramaturg mit Diskus

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Robert Harting stand vor den deutschen Meisterschaften mächtig unter Druck. Doch nach dem dritten Rang in Nürnberg wird er am Montag wohl für die Europameisterschaften in Berlin im August nominiert werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Diskuswerfer Robert Harting liefert den Funktionären mit Platz drei in Nürnberg gerade genug Argumente, um ihn für die Heim-EM in Berlin zu nominieren. Bruder Christoph genügt ein Wurf zum Meistertitel.

Von Joachim Mölter, Nürnberg

Der Einmarsch der Kolosse ins Max-Morlock-Stadion zu Nürnberg erfolgte am Samstag um 17.35 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn ihres Kampfes. Am Anfang der 17 Diskuswerfer schlenderte der Olympiasieger Christoph Harting, lächelnd und plaudernd, eher am Ende hielt sich sein Bruder Robert, ebenfalls Olympiasieger, sichtlich angespannt.

Für den 27 Jahre alten Christoph, den jüngeren der beiden Harting-Brüder, ging es praktisch um nichts bei diesen deutschen Meisterschaften - der Jahresbeste hierzulande (67,59 Meter) ist bereits für die Europameisterschaften in seiner Heimatstadt Berlin (6. bis 12. August) nominiert worden vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), er musste nichts mehr beweisen. Im Gegensatz zum sechs Jahre älteren Robert. Deutschlands erfolgreichster Leichtathlet dieses Jahrtausends beendet seine Karriere in diesem Jahr, und er will das mit einem Auftritt bei der Heim-EM tun, im Berliner Olympiastadion, wo er seinen Triumphzug einst begonnen hat, mit dem Sieg bei der WM 2009.

Dumm nur, dass Robert Harting nach diversen Knieverletzungen nicht mehr der dominierende Werfer ist, der er zu seiner Hochzeit zwischen 2009 und 2014 war. Dass vor den Titelkämpfen vier deutsche Diskuswerfer besser waren als er. Dass aber höchstens drei in Berlin mitmachen dürfen. Robert Harting stand also mächtig unter Druck, aber wie sagte der DLV-Sportdirektor Idriss Gonschinska vor der Veranstaltung über ihn: "Er ist oft in solchen Drucksituationen erfolgreich gewesen, er kann damit umgehen."

Nun, Robert Harting lieferte den DLV-Funktionären gerade genug Argumente, um ihn bei der Nominierungssitzung am Montag ins Aufgebot zu berufen. Zwar rangiert er in der Bestenliste weiterhin an fünfter Stelle, aber bei den Meisterschaften, im direkten Vergleich aller Kandidaten, behauptete er den dritten Rang mit 63,92 Meter. Den Titel holte sich Christoph Harting, ihm genügte ein Wurf, 66,98 Meter im ersten Durchgang, danach lehnte er sich entspannt zurück und schaute, wie sich die Konkurrenz um die verbleibenden Plätze balgte. Der Olympiadritte Daniel Jasinski (Wattenscheid) schnappte sich den zweiten Platz mit 64,82; die Magdeburger Martin Wierig (63,72) und David Wrobel (62,67) dürften als Vierte und Fünfte leer ausgehen bei der Verteilung der EM-Plätze, obwohl auch sie die Norm schon erfüllt haben im Verlauf dieser Saison.

Das mit Spannung erwartete Duell Lückenkemper gegen Pinto fällt aus

Doch an Robert Harting führt jetzt nur noch schwer ein Weg vorbei, auch wenn eine Entscheidung offiziell erst am kommenden Mittwoch verkündet wird, wenn der 17-köpfige Bundesleistungsausschuss des DLV über das gesamte Team beraten hat. Die Wurftrainer des Verbandes haben sich jedenfalls dafür ausgesprochen, die Bestplatzierten von Nürnberg zu nominieren, "unabhängig von den hier erzielten Weiten", wie Gonschinska erklärte. Robert Harting selbst signalisierte unmittelbar nach dem Wettkampf auch noch Steigerungsmöglichkeiten: "Ich bin nicht zufrieden mit mir heute", sagte er; er wird darüber hinwegsehen können, wenn er bei der EM im Berliner Olympiastadion mitmachen darf.

Während der Diskuswettkampf der Männer hielt, was man sich an Spannung von ihm versprochen hatte, blieben etliche andere Wettbewerbe hinter den Erwartungen zurück. Das ebenfalls mit Spannung erwartete Duell der besten 100-Meter-Sprinterinnen zwischen Titelverteidigerin Gina Lückenkemper (Leverkusen, in diesem Sommer bislang 11,07 Sekunden) und ihrer Vorgängerin Tatjana Pinto (Paderborn/11,11) fiel jedenfalls aus, weil die bereits für die EM nominierte Pinto entschied, nur in ihrer Vereinsstaffel zu laufen. Lückenkemper gewann dann unangefochten in 11,15 Sekunden.

Immerhin gab es einige Überraschungen: Die Dreispringerin Neele Eckhardt (Göttingen) entthronte mit ihrer Saisonbestleistung von 14,21 Metern die Chemnitzerin Kristin Gierisch (14,15), und der junge 100-Meter-Sprinter Kevin Kranz (20, Wetzlar) den Routinier Julian Reus (30, Erfurt) in 10,28 zu 10,32 Sekunden. Für die beste Leistung des Tages sorgte indes die WM-Dritte Pamela Dutkiewicz aus Wattenscheid, die im 100-Meter-Hürdenfinale in 12,69 Sekunden einen Meisterschaftsrekord aufstellte.

Auch am Sonntag werden wieder einige Gladiatoren in die Nürnberger Arena einziehen: Die Speerwerfer Johannes Vetter (Offenburg/92,70 Meter), Andreas Hofmann (Mannheim/92,06) und Thomas Röhler (Jena/91,78) sind derzeit die Nummern eins, zwei und drei der Welt. Ihr Wettkampf am Sonntagnachmittag (17.20 Uhr) verspricht der sportliche Höhepunkt der Titelkämpfe zu werden. Für den dramaturgischen hat allerdings schon Robert Harting am Samstag gesorgt.

© SZ vom 22.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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