Robert Fazekas:Mit kalter Wut

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Die Betrugsmethode des Diskuswerfers Fazekas ist schon seit zwei Jahren bekannt - auch den deutschen Funktionären. Aber erst jetzt wird der Sache nachgegangen.

Von Robert Hartmann

Der deutsche Leichtathletik-Trainer erzählte bei einem zufälligen Treffen schon eine Woche vor den Olympischen Spielen plötzlich haarklein davon, wie der Ungar Robert Fazekas "es" machte. Nämlich wie er die Dopingkontrolle mit einem Fremdurin auszuhebeln pflegte. Am Montagabend saß der Mitwisser einer unentdeckten Wahrheit daheim allein vor dem Fernsehapparat und merkte, wie eine kalte Wut in ihm aufstieg. Er ärgerte sich grün und schwarz. "Es war unerträglich, ihn als Olympiasieger zu erleben."

Gold im Diskuswerfen für einen Betrüger! Das wusste er genau. Dabei hätte der Skandal, der noch in der Nacht unter dem Verlust der gerade gewonnenen Goldmedaille aufflog, leicht vermieden werden können. Wenn man nur schon vor zwei Jahren auf den Trainer gehört hätte. Denn erfahren hatte er die ungarische Variante des Dopingbetrugs während der Europameisterschaften im August 2002 in München.

Zwei Landsleute des Diskus werfenden Adonis hatten sie ihm damals heimlich gesteckt. "Ich kannte sie seit längerem. Sie sind absolut seriös, und ihnen war es zuwider, wie die Welt von Fazekas so unverfroren hinters Licht geführt werden konnte," sagte er. Spornstreichs marschierte er zu einem hohen deutschen Funktionär. Man lebte auf vertraulichem Fuß miteinander, vereint auch in der Ethik des sauberen Sports.

Angst um die Familie

Und hier ging es um einen Sportler, der es verdiente, auf der Stelle aufzufliegen. "Ich beschrieb genau, wie Fazekas vorgeht. Aber nichts geschah. Ich war perplex. Ein paar Monate später", der Mann konnte es gar nicht glauben, "sehe ich in einer Statistik, dass in München offenbar überhaupt kein Diskuswerfer kontrolliert wurde." Eine Nachlässigkeit, Schlamperei oder was? "Vielleicht war ich für sie ein zu kleiner Pimpf."

Die beiden sprachen danach nie mehr über diese komische Geschichte. Jedenfalls warf sich Fazekas auch in der Folgezeit durch den internationalen Terminkalender, durch all die lukrativen Grand-Prix- und Golden-League-Meetings. Er verdiente eine Menge Geld. Pro Auftritt eine fünfstellige Euro-Summe. Vielleicht zeigt ihn ja bald ein Konkurrent oder ein Veranstalter an wegen der unrechtmäßig kassierten Gagen.

Am Dienstag holte die Wirklichkeit die Geschichte des Trainers endlich ein. Aber er, der Recht erhielt, will seinen Namen immer noch nicht preisgeben, obwohl er als aufrechter Antidoping-Kämpfer in der Szene als unbestechlich und glaubwürdig gilt. "Man darf diese Burschen nicht unterschätzen," sagte er. "Die ungarischen Kollegen baten dringend darum, ihre Namen niemals in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie sagten mir nur: 'Wir haben eine Familie.'"

Auch er fürchtet sich jetzt. Das unerträgliche Bild tauchte wieder vor seinen Augen auf, wie Fazekas nach dem Wettkampf zusammen mit seinem Landsmann Zoltan Kövago, dem Olympiadritten, die große ungarische Landesfahne mit fröhlichem Stolz um die Bahn trug, sodass sie sich im heißen Wind aufblähte. Der Betrug mit dem Urin begann jedes Mal, nachdem der Athlet erfahren hatte, dass die Dopingkontrolle bevorstand.

Es blieb noch genug Zeit, seine Umgebung zu informieren. Freunde, Trainer, wer auch immer. Sie erschienen auf der Szene, sorgten für einen Wirrwarr und steckten ihm dabei einen mit Fremdurin gefüllten kleinen Plastikbehälter zu. Danach bewerkstelligte der Sportler es in einem unbeobachteten Augenblick, sich das unscheinbare Behältnis am verlängerten Rücken anzubringen. Von hier aus führte er einen winzigen dünnen, farblosen Schlauch zum Geschlechtsteil. Es hatte sich, wie zu hören war, eingebürgert, dass die Sportler bei den Kontrollen sich nicht ganz nackt ausziehen müssen.

Meistens schaut der Kontrolleur auch nicht sehr genau beim Vorgang des Wasserlassens hin. Eine amüsante Variante brachten Fazekas' Anwälte übrigens gestern bei der IOC-Disziplinarkommission vor, der zufolge der Athlet "eine tief religiöse Person" sei, "die immer Probleme habe, unter Aufsicht der Kontrolleure eine ausreichende Menge Urin zu produzieren".

Tatsächlich ist offensichtlich, dass die Antidoping-Weltbehörde Wada mittlerweile Kenntnis von der Manipulation durch Fazekas erhalten hatte. So konnte sie gezielt vorgehen. Am Mittwochnachmittag ging die Meldung über den Ticker, dass der deutsche Diskuswerfer Lars Riedel seinen Funktionären genauso wie der Trainer von Fazekas Tricks berichtet hatte. Dieses Mal vor einem Jahr. "Gut und schön," kommentierte der Trainer, "wie kam es dann, dass er trotzdem erst jetzt aufflog? Warum sind unsere Funktionäre der Sache nicht nachgegangen, als nichts passierte?" Wer heute jammert, scheint nur Krokodilstränen zu weinen.

© Süddeutsche Zeitung vom 26.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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