Rheinisches Derby:So mögen es Schweizer

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Unvermutet Derby-Held: Gladbachs Außenverteidiger Nico Elvedi (rechts) erzielt das entscheidenden Tor gegen Köln. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Gladbachs eidgenössische Fraktion diktiert den Spielverlauf gegen Köln: Elvedi gelingt das Tor des Tages.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

"Folge dem Effzeh!", steht auf der Rückwand vom Kölner Mannschaftsbus. Dieser eigentlich digitalen und mithin doppelsinnigen Einladung folgt auf der Autobahn indes kaum jemand. Hinter dem Bus bildet sich keine jubelnde Blechpolonaise, und auch tabellarisch hat der Effzeh zum Auftakt der neuen Spielzeit keine Vorbildfunktion übernehmen können. Nach dem 0:1 (0:0) am Sonntagabend bei Borussia Mönchengladbach reihen sich die Kölner Europapokal-Teilnehmer vorerst in die Anonymität des unteren nationalen Feldes ein, während sich die ziemlich kultiviert aufspielenden Gladbacher gleich einen Platz auf dem Sonnendeck reservieren konnten. Ihre Leistung wirkte wie ein Versprechen für eine starke Saison.

Ausgerechnet an diesem Wochenende traf der Ex-Kölner Modeste erstmals in China

Nach einer torlosen ersten Halbzeit dauerte es keine vier Minuten, ehe der 20 Jahre alte Schweizer Rechtsverteidiger Nico Elvedi zum Gladbacher Entscheider erwuchs, indem er in der 49. Minute einen vorbildlichen Spielzug zum 1:0 abschloss und eine Minute später vor dem eigenen Tor gegen Kölns einschussbereiten neuen Stürmer Jhon Cordoba rettete. Elvedi spielt seine dritte Saison in Mönchengladbach und war neben Torwart Yann Sommer und dem starken Zugang Denis Zakaria einer von drei einflussreichen Schweizern in der Borussen-Elf. Die Affinität zu helvetischen Ballkünstlern entstammt noch dem Vermächtnis des früheren Trainers Lucien Favre. Obwohl die Kölner am Ende den Druck gefährlich erhöhten, hielt Sommer sein Tor sauber. So mögen es Schweizer - und Westfalen.

Gladbachs Trainer Dieter Hecking stammt aus Castrop-Rauxel, aber im Fußball spricht man ja eine allgemein verständliche Sprache. "Die ganze Mannschaft hat sich heute ein Sternchen verdient", lobte Hecking hinterher und stellte den Schweizer Elvedi heraus - allerdings nicht nur für sein Tor, sondern mehr noch für die Grätsche danach. "Diese Grätsche war für mich DIE Szene des Spiels", schwelgte Hecking. Dass Elvedi seinem Trikot einen heimischen Ehrenplatz einräumen will, lag aber doch eher an seinem Treffer. "Schließlich war es mein erstes Pflichtspieltor für Gladbach", berichtete er stolz.

Kölns Trainer Stöger reagierte in seiner gewohnt trockenen, lakonischen Art

Rheinderby am ersten Spieltag - das ist, als begönne die Oper mit dem Finale. Was soll danach kommen? Für die Kölner werden es insofern spannende Wochen, als sie unabhängig vom ersten Ergebnis nachweisen müssen, dass sie auch ohne Anthony Modeste auf hohem Niveau spielen können - also ohne jenen Franzosen, der seinen Torjubel als "Emoji" mit den zu Augen geformten Händen neuerdings in China zelebriert. Am Wochenende hat er für seinen Klub Tianjin Quanjian sein erstes Tor in Chinas Super League erzielt. Im Gastspiel bei Changchun Yatai traf der 29-Jährige in der fünften Minute der Nachspielzeit per Volleyschuss zum 1:1-Endstand. So einen späten Showdown hätten sich die Kölner am Sonntag auch gewünscht, aber Modestes Nachfolger in Köln, Cordoba aus Mainz, ist noch nicht ganz so extrovertiert - weder beim Jubel noch bei der Erschaffung diesbezüglicher Anlässe. In der vergangenen Saison hat er in Mainz mit fünf Treffern 20 weniger erzielt als Modeste in Köln.

Immerhin war der 24 Jahre alte Kolumbianer am Sonntag der einzige Neue in der Kölner Startelf. Bei den Gladbachern schafften es mit dem Innenverteidiger Matthias Ginter aus Dortmund und Mittelfeldmann Zakaria aus Bern zwei Neue in die Anfangsformation. Sie sollen die fortgegangenen Andreas Christensen (Chelsea) und Mahmoud Dahoud (Dortmund) ersetzen, wozu sie auf Anhieb aber weiterhin ganz schön werden einschlagen müssen. Zakaria, ein 20 Jahre alter Schweizer, war in der ersten Halbzeit der auffälligste Spieler - allerdings auch deshalb, weil er nach einer rustikalen Ordnungswidrigkeit gegen Leonardo Bittencourt in der 23. Minute Gelb sah. So ungestüm hat in Gladbach zuletzt der Schweizer Granit Xhaka gefoult, und wirklich suchen die Borussen ja immer noch nach seiner legitimen Nachfolge.

Cordoba besaß bei zwei Kontern die besten Kölner Chancen der ersten Halbzeit, während die Gladbacher in dieser Wertung quantitativ vorne lagen. Dass Kölns Torwart Timo Horn gegen seine Abwehrleute keinen Wutanfall bekam, lag nur daran, dass er alle sechs auf sein Tor kommenden Bälle hatte kontrollieren können.

Auch in der zweiten Hälfte gelang dies noch recht gut, Trainer Peter Stöger stieß das Gegentor freilich sauer auf. "Das Gegentor aus einer Kontersituation heraus hatten wir mit der Mannschaft vorher so nicht besprochen", sagte der Österreicher in seinem gewohnt trockenen, lakonischen Ton. Die Leistung seines Teams fand er insgesamt trotz der Niederlage: "Ordentlich!"

© SZ vom 21.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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