Remis mit vielen Verlieren:"Ein richtiger Schweinskick"

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Rückkehr mit Beigeschmack: Timo Horn leistet sich bei seinem Comeback einen Fehlgriff, der Ingolstadt (oben Lezcano) das 2:2 beschert. (Foto: imago)

Nach dem 2:2 zwischen dem FC Ingolstadt und den erstaunlich desorganisierten Kölnern hadern fast alle Beteiligten: vor allem mit dem Niveau des Spiels und dem der Unparteiischen.

Von Markus Schäflein, Ingolstadt

Bis zur ersten Aufregung beim kuriosen 2:2 des FC Ingolstadt gegen den 1. FC Köln dauerte es nur eine Viertelstunde. Die Schanzer hatten fest entschlossen begonnen, drei Punkte für den Klassenverbleib zu sammeln, und wurden dann geschockt: Almog Cohen traf Yuya Osako im Luftzweikampf mit dem Ellbogen am Kopf, der bestens positionierte Schiedsrichter Felix Zwayer entschied auf Elfmeter, Anthony Modeste traf zum 0:1. Es war ein streitbarer Pfiff, "Schieber, Schieber"-Rufe hallten durch den Sportpark - und weil Modestes nächster Treffer zum zwischenzeitlichen 1:2 (60.) aus einer knappen Abseitsposition heraus fiel, ging die Schiedsrichterdebatte in Ingolstadt weiter. "Wir waren klar die bessere Mannschaft und hätten den Sieg verdient gehabt", klagte Mittelfeldspieler Sonny Kittel, der ein mutiges Startelf-Debüt gegeben hatte, "das ist enttäuschend, vor allem wenn man sieht, wie die Gegentore gefallen sind."

Die Schanzer fühlen sich ja seit Längerem benachteiligt von den Unparteiischen. "Wir müssen jede Woche immer gegen den Schiedsrichter kämpfen", hatte etwa Mittelfeldspieler Alfredo Morales unlängst geklagt, "ich hoffe, dass niemand gegen uns ist, das wäre sehr, sehr schlimm." Und auch die Vereinsführung sah das so, Geschäftsführer Harald Gärtner etwa äußerte sich offiziell auf der Klubhomepage: "Wir dürfen eine neutrale Leitung der Spiele erwarten, wie alle Vereine der Liga."

Kölns Torwart Horn schenkt den Schanzern wenigstens einen Punkt

Der Tabellen-Vorletzte zeigte sich aber nicht geschockt von der vermeintlichen erneuten Benachteiligung und dominierte das Spiel deutlich. Laute "Schieber"-Rufe gab es auch noch bei einem Zweikampf im Mittelfeld und einer abgepfiffenen Vorteilssituation zu hören, dann hatte der FCI mal wieder Torchancen. Marvin Matip nach einer Ecke per Kopf (22.), Morales mit der Hacke (29.) und Markus Suttner, der aus spitzem Winkeln an Kölns Torwart Timo Horn scheiterte, vergaben sie. Nach zwei gelben Karten gegen Ingolstadt hintereinander lieferte sich Trainer Maik Walpurgis eine Diskussion mit Zwayer, und dann schaffte seine Mannschaft doch noch den Ausgleich vor der Pause: Nach einem doppelten Doppelpass mit Kittel nahm Dario Lezcano den Ball mit der Stirn mit und schloss wuchtig ab - ein sehenswerter Treffer (41.), das erste Stürmertor seit fünf Monaten.

Auch im zweiten Durchgang begannen die Schanzer überlegen, nach einer Stunde erlebten sie aber einen weiteren Rückschlag: Nach einem Steilpass von Milos Jojic erzielte Modeste sein 19. Saisontor - zweite Kölner Chance, zweites Kölner Tor, und das obendrein aus einer Abseitsposition. Auch diesmal ließ sich der FCI nicht entmutigen und wurde belohnt, mit großer Unterstützung des gegnerischen Torhüters: Einen harmlosen Distanzschuss von Innenverteidiger Romain Bregerie ließ Horn, der nach über vier Monaten Pause wegen einer Meniskus-Operation erstmals wieder mitwirkte, zum 2:2 passieren (69.). "Wir sind zwei Mal großartig zurückgekommen, haben große Moral und großen Charakter bewiesen", sagte Walpurgis. Wenige Minuten nach dem Ausgleich parierte Horn stark gegen Almog Cohen, der frei von der Strafraumgrenze abschließen durfte, weil Köln ungenau deckte. "Wenn man in Ingolstadt zweimal führt, dann sollte man das Spiel gewinnen können", analysierte Kölns Trainer Peter Stöger und ordnete die 90 Minuten ein: "Es war ein richtiger Schweinskick. Wir haben keine spielerischen Lösungen gefunden und waren in der Verteidigung auch nicht kompromisslos."

Schließlich durften sich auch die Ingolstädter mal über einen Pfiff freuen, denn Zwayer lieferte noch einen weiteren Beitrag zur Schiedsrichter-Debatte: In der 82. Minute entschied er bei einem Luftkampf von zwei FCI-Abwehrspielern und Keeper Martin Hansen mit einem Kölner kurioserweise auf ein Stürmerfoul des umgenieteten Artjoms Rudnevs - und brachte die Kölner damit bei Modestes Nachschuss um den Siegtreffer. Nun schloss sich auch Kölns Manager Jörg Schmadtke der Schiedsrichterkritik an, wenn auch mit diplomatischen Tönen: "Wenn man in Ingolstadt zweimal führt, dann sollte man das Spiel gewinnen können. Aber es war ein richtiger Schweinskick. Wir haben keine spielerischen Lösungen gefunden und waren in der Verteidigung auch nicht kompromisslos." Immerhin erübrigten sich durch den Pfiff zumindest mögliche Ingolstädter Verschwörungstheorien.

Enttäuscht waren die Schanzer dennoch: 11:0 Ecken, 21:4 Flanken, aber nur 2:2 Tore - das war zu wenig im Kampf um den Klassenverbleib. Sollte der Hamburger SV an diesem Sonntag gegen Mönchengladbach gewinnen, hätten die Schanzer schon sieben Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Kittel sagte: "Ich bin sehr fußballinteressiert, von daher werde ich es mir wahrscheinlich anschauen."

© SZ vom 12.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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