Reiten:Auf der strahlenden Seite eines lebensgefährlichen Sports

Lesezeit: 3 min

Das 50. Jubiläum der Vielseitigkeitsreiterei in Luhmühlen wird nur am Rande überschattet von den sieben Todesfällen der vergangenen sechs Monate. Die Enkelin der Queen gehört zu den Favoriten.

Gabriele Pochhammer

Einen Titel hat er noch nie gewonnen, aber seit zwei Tagen darf sich Andreas Dibowski trotzdem als etwas Besonderes fühlen: Er startet am kommenden Wochenende als die Nummer Eins der Weltrangliste beim Viersterne-Turnier CCI**** in Luhmühlen. Für den 41 Jahre alten Pferdewirtschaftsmeister ist der Auftritt in der Heide fast ein Heimspiel, denn er betreibt seinen Stall nur wenige Kilometer vom Turnierplatz entfernt.

Vielseitigkeit heißt in Luhmühlen manchmal auch baden gehen. Hier demonstriert vom Neuseeländer Blyth Tait. (Foto: Foto: dpa)

Zum 50. Mal treffen sich die Vielseitigkeitsreiter in Luhmühlen, und was vor einem halben Jahrhundert mit einem kleinen Geländeritt begann, ist inzwischen eine internationale Viersterne-Prüfung auf höchstem Niveau, von der es weltweit nur fünf gibt. Über die Jahre wurden dort eine Weltmeisterschaft, vier Europameisterschaften und mehr als 20 deutsche Meisterschaften ausgerichtet. 27 Starter gingen im ersten Jahr auf die Piste, die Vielseitigkeit hieß noch Military, und das nicht ohne Grund: Geritten wurde notfalls über Stock und Stein.

Das ist mittlerweile nicht mehr nötig, der Boden der 6350 Meter langen Geländestrecke ist perfekt, ein Standard, den die Spitzenreiter erwarten. Wenn es anders ist, wie Anfang Mai in Badminton (England), dann lassen sie ihre Pferde einfach im Stall. Weil die Trasse nach langer Trockenheit knüppelhart war, verzichteten 13 Reiter auf den Start, darunter auch Weltmeisterin Zara Phillips.

Gut für Luhmühlen: Die 26 Jahre alte Enkelin der Queen kommt jetzt nach Deutschland, zwar nicht mit ihrem WM-Pferd Toy Town, sondern mit der Nachwuchshoffnung Magic Star, um über den Kurs zu reiten, den ihr Vater Mark Phillips entworfen hat. Er ritt dort vor 20 Jahren selbst, ebenso wie Zaras Mutter, Prinzessin Anne, die 1979 mit der britischen Mannschaft Europameisterin wurde. Zara Phillips und das australische Ehepaar Clayton und Lucinda Fredericks sind die stärksten Konkurrenten der deutschen Topreiter - außer Dibowski noch Ingrid Klimke, Frank Ostholt, Bettina Hoy und Dirk Schrade.

Die meistgehasste Frau der Reitszene hat abgesagt

Dass die Deutschen wieder in der ersten Liga reiten, haben sie seit der unglücklich verlorenen Goldmedaille von Athen auch bei der Europameisterschaft in Blenheim 2005 mit der Silbermedaille und schließlich dem Weltmeistertitel in Aachen 2006 bewiesen. Das Bundestrainer-Gespann Hans Melzer und Chris Bartle hat aus einem versprengten Häufchen Reiter, von denen bei der WM 2002 keiner die Prüfung beendete, wieder eine Mannschaft gemacht, der man mit Respekt begegnet.

Auf Zara Phillips freuen sich die Veranstalter besonders, blaues Blut lockt auch die Medien an, die sich ansonsten nicht unbedingt für die Reitkünste der Nummer elf in der britischen Thronfolge interessieren. Über die Absage der amerikanischen Reiterin Amy Tryon dürfte man hingegen in Luhmühlen ziemlich erleichtert gewesen sein. Die Olympiadritte von Athen sieht einem Strafverfahren der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) entgegen, weil sie beim CCI**** in Lexington (US-Bundesstaat Kentucky) ihr Pferd Le Samurai noch über einen Sprung getrieben hat, obwohl es schwer verletzt war und nur noch auf drei Beinen humpelte. Weil sämtliche Bänder im Vorderbein gerissen waren, musste das Pferd wenige Tage später eingeschläfert werden.

Seitdem ist Amy Tryon die meistgehasste Frau der Szene, in einschlägigen Internetforen tobt die Empörung. Einige fordern, dass sie lebenslänglich vom Pferdesport ausgeschlossen werde. Von einem Reiter wird ja erwartet, dass er jede Befindlichkeit seines Pferdes vom Sattel aus fühlt, auch unter Prüfungsstress.

So hart wird die Strafe wohl nicht ausfallen, aber die FEI kann sich in diesem Fall die Milde, die sie bei Dopingfällen gerne an den Tag legt, kaum leisten. Der Tod von Le Samurai hätte sich vielleicht vermeiden lassen, andere Unglücksfälle sind nicht so leicht abzutun. Sieben Reiter sind weltweit in den vergangenen sechs Monaten bei Stürzen ums Leben gekommen, meist in kleineren nationalen Prüfungen, aber die FEI ist alarmiert. Ein Komitee unter dem Vorsitz des Olympiasiegers von Sydney, David O'Connor, soll nach Gründen für die Unfälle suchen und Vorschläge machen, wie man sie vermeidet. Etwa durch abwerfbare Hindernisteile. Manchmal ist auch Selbstüberschätzung die Ursache.

Damit haben die 32 Reiter, die an diesem Wochenende in Luhmühlen starten, kein Problem. Wer dort das Viersterne-Gelände attackiert, musste in vielen kleineren Prüfungen beweisen, dass er sein Handwerk versteht. Und so stehen die Chancen gut, dass die 30.000 Zuschauer, die in der Heide erwartet werden, den Sport von seiner strahlenden Seite zu sehen bekommen.

© SZ vom 15.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: