Regionalligaserie:Restspannung bei den Hausaufgaben

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Schweinfurts Stürmer Pieper sorgt mit vier Treffern in einem Spiel für Aufsehen.

Von Christoph Leischwitz

Wie oft er denn den Namen Lewandowski gehört und gelesen habe seit dem vergangenen Samstag? "200 Mal reicht nicht", sagt Florian Pieper und lacht. Dass er so oft mit dem Bayern-Stürmer verglichen wurde, dem drei Tage zuvor dasselbe Kunststück in Belgrad gelungen war, das zeigte dem Angreifer des FC Schweinfurt nur, was er da gerade Unglaubliches vollbracht hatte. Zwar hatte Pieper für seine vier Tore gegen Rosenheim (72., 85., 90.+1, 90.+5) knapp zehn Minuten länger benötigt als der Pole; dafür war Pieper aber eine Viertelstunde zuvor erst eingewechselt worden. Und vor allem sorgte er in der fünften Minute der Nachspielzeit für bereits verloren geglaubte drei Punkte - für ein 4:3 nach 0:3-Rückstand. Pieper und die Spieler rannten an den Zaun zu den Fans, es war der perfekte, wenngleich gar nicht besinnliche Jahresausklang.

Es ist in Wahrheit ja selten einfach nur Glück, wenn in der Nachspielzeit Tore fallen, und das ist in den abschließenden Wochen in der Regionalliga Bayern auffällig häufig passiert. In einer Zeit also, in der viele nach 22 Spieltagen erschöpft die Winterpause herbeisehnen. Ebenso dürfte es kein Zufall sein, dass die unter Profibedingungen trainierenden Mannschaften besonders spektakuläre Siege feierten. Eine Woche vor dem 4:3 der Schweinfurter gegen 1860 Rosenheim siegte Spitzenreiter Türkgücü München beim FC Memmingen ebenso 4:3 durch Tore in der Nachspielzeit.

Piepers Viererpack sorgte nun dafür, dass bis zum Ende der Pause Anfang März zumindest ein wenig Restspannung erhalten bleibt im Kampf um die Meisterschaft. Acht Punkte fehlen Schweinfurt weiterhin. Pieper betont ausdrücklich, dass das Thema noch nicht beendet ist: "Wenn man ein 0:3 aufholt, dann kann man auch acht Punkte aufholen."

Für seinen Trainer ist der spektakuläre Erfolg vom Wochenende ein Indiz dafür, dass genug Qualität im gesamten Kader steckt - man wird im Winter trotz dem Versuch einer Aufholjagd keine großen Einkäufe tätigen. "Auch wenn man das nicht allein an den Spielen bewertet, im Training ebenfalls", sagt Tobias Strobl über die Kaderqualität. Dadurch sei es in den vergangenen Wochen oft zu jenen Situationen gekommen, die laut Strobl zum "Unangenehmsten an diesem Job" gehören: jemandem zu sagen, dass er nicht spielen wird. So war das auch bei Pieper. Der war im Spätherbst, mit dem Wechsel von Timo Wenzel zu Strobl, regelrecht aufgeblüht, bei Ersterem sei er "ein bisschen auf dem Abstellgleis" gewesen, sagt Pieper selbst.

Er ist nun 26, hat aber Nachholbedarf, weil er über ein Jahr lang kein einziges Ligaspiel bestritten hatte. Im Frühjahr 2016 riss er sich das Kreuzband, als er mit der U21 von 1860 München in einem Trainingslager in Indien weilte. Die Reha verlief katastrophal. Insgesamt wurde er sechs Mal operiert, bald plagte ihn eine Infektion. Kurzzeitig lief er Gefahr, das Bein zu verlieren. Nach der Genesung empfahl ihn Daniel Bierofka beim damaligen Schweinfurt-Trainer Gerd Klaus. Unter ihm kam Pieper zum Zug, danach nicht mehr sehr oft.

Wenn dann der neue Trainer vor einem steht, so wie Strobl in der vergangenen Woche, und sagt: Du, ich habe eigentlich keine guten Argumente dafür, warum du nicht spielst, wir wollen einfach was anderes ausprobieren - dann könnte man an Piepers Stelle enttäuscht, gar sauer reagieren. Doch Pieper sagte zu Strobl, er solle sich keinen Kopf machen. Und: Er werde sich voll reinhängen, wenn er eingewechselt werden sollte. Was er dann ja auch tat.

Ohne diesen Sieg zum Schluss würde Strobl womöglich schon etwas anders über das Meisterrennen sprechen. Jetzt sagt er zumindest, vielleicht gelinge es ja noch, "Türkgücü zu ärgern". Strobl ist davon überzeugt, dass sich die beiden Spitzenteams gegenseitig besser machten, weil man sich keine Ausrutscher leisten dürfe. Wenn dieser Ausrutscher dann mal kam, dann waren die Schweinfurter in den vergangenen Jahren nicht bereit, ihn auszunutzen - und nach eigenen Ausrutschern ließen sie sich hängen, so dass der Abstand zu groß wurde. Auch deshalb will Strobl die eigene Leistung so wenig wie möglich im Zusammenhang mit Türkgücü bewerten.

Dank der beiden Tore in der Nachspielzeit gehen die Schweinfurter jedenfalls mit einer guten Stimmung in die Winterpause. In der laufenden Woche ist noch Training, danach bekommen die Spieler Fitness-Hausaufgaben mit in den Urlaub. Schon am 13. Januar geht es weiter. Anfang Februar steht eine Woche im türkischen Belek an. Alles ist lange vorausgeplant beim Profiklub, manchmal sogar zu lange: Der FC-Adventskalender hat auf jedem Türchen einen Spieler mit grüner Nikolausmütze abgebildet. Nur die 24 ist überklebt. Darunter befindet sich ein Bild von Timo Wenzel. Und mit ihm die Erkenntnis: Das Fußballgeschäft ist einfach zu schnelllebig für die stade Zeit.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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