Regionalliga Bayern:Gläserne Decke

Lesezeit: 2 min

Holger Bachthaler, Trainer des FV Illertissen, hat seinem Verein nach mäßigem Saisonstart eine Art Ultimatum gestellt. (Foto: privat)

"Ob ich jetzt Vierter oder Achter werde, ist eigentlich egal": Trainer Holger Bachthaler stellt in Illertissen die Sinnfrage und moderiert seinen Abschied im Winter an. Für den Aufstieg bräuchte der FVI ein neues Stadion.

Thomas Gröbner

Nach dem Spiel kommt der Warnschuss. Holger Bachthaler hat sich gut überlegt, was er nach der 1:3-Niederlage gegen Buchbach den Journalisten in den Block diktierte: "Ob es noch Sinn macht, hier weiter zu arbeiten", fragt Bachthaler sich selbst, er erwarte, dass der Verein endlich mit der sportlichen Weiterentwicklung auf den Rasen Schritt halte. In der Winterpause müsse eine Entscheidung fallen.

Es sind wohlkalkulierte Worte, gerichtet an Illertissens Vorstand, in dem kurioserweise auch Bachthalers Vater sitzt. Sie sollen ihre Wirkung bis in die Winterpause tun zeigen. Was ist passiert seit den größten Erfolgen, seit den Amateurmeisterschaften und den umjubelten Auftritten im DFB-Pokal in den vergangenen Jahren? Nichts. Und das ist das Problem.

"Richtiggehende Widerstände" hat Bachthaler im Umfeld ausgemacht, die sich gegen Veränderungen sträuben. Worum es genau geht, mag er nicht sagen, die offenkundig bizarren Interna sind ihm peinlich, "man würde mich auslachen". Er spricht von "Außendarstellung und Öffentlichkeitsarbeit". Als er in Illertissen anfing, da wusste er, dass es für die dritte Liga zu früh war: "Das wären fünf Schritte auf einmal." Nun muss er feststellen, dass der Verein keinen einzigen Schritt gemacht hat. Er setze ihm nicht die Pistole auf die Brust, sagt Bachthaler. Aber er spannt den Hahn.

Ausgerechnet der Erfolg der ersten Jahre wird nun aber zum Problem. 2012 erbte Bachthaler das Traineramt von seinem Vater, Illertissen stürmte in der Regionalliga Bayern gleich in der ersten Saison auf Platz zwei, dann in der nächsten auf Rang drei und ließ dabei stets hoch subventionierte Zweitvertretungen der Bundesligavereine hinter sich. Aus dem Stand gelang Bachthaler der maximal mögliche Erfolg. Doch jetzt gähnt das sportliche Mittelmaß: "Ob ich jetzt Vierter oder Achter werde, ist eigentlich egal", gibt auch Bachthaler zu.

Um um den Aufstieg mitzuspielen, bräuchte Illertissen ein neues Stadion. Vier Millionen veranschlagt Vorstandsvorsitzender Toni Endler für eine drittligataugliche Spielstätte. 2014 lagen Pläne schon bereit, und die anstehende Bürgermeisterwahl sollte den Rückhalt im Rathaus sichern. Doch der Verein wurde in einen politischen Machtkampf gezogen, der Hauptsponsor unterstützte die Herausforderin des Bürgermeisters - und verlor. Anstatt eines neuen Stadions gab es einen neuen Rasen, doch ohne Stadion könne er der Mannschaft kein neues Ziel geben, klagt Endler.

"Die Putzfrau ist im Urlaub, wer macht das dann?", so beschreibt Endler die Problemstellungen in Illertissen, während Bachthaler 450 Kilometer entfernt in der Hennes-Weisweiler-Akademie zum Fußballlehrer ausgebildet wird und sich dafür zehn Monate von seinem Job freistellen hat lassen. Lange wird Illertissen diesen Trainer nicht mehr halten können, ahnt Endler. "Irgendwann landen sie wohl alle mal in der ersten, zweiten oder dritten Liga", sagt Ausbildungsleiter Frank Wormuth über seine Schüler.

Illertissen ist ein Verein, der ausgewachsen zu sein scheint, für den es nicht weiter nach oben gehen kann. Und der von einem Trainer trainiert wird, der sich täglich in die Feinheiten des professionellen Fußballs vertieft. Der Verein kann nicht mit seinem Trainer Schritt halten, er stößt an eine gläserne Decke. Bachthaler weiß das. Sein Ultimatum ist ein Warnschuss, vielleicht aber auch ein Hilferuf. Oder moderiert hier ein Trainer seinen Abschied an?

An diesem Mittwoch trifft er sich mit dem Vorsitzenden Endler, man wird sich in die Augen sehen. Und am Ende vielleicht feststellen, dass die Schuhe, die dem Vater einst passten, für Holger Bachthaler nun zu eng sind.

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: