Regionalliga Bayern:Die Durchmarschierer aus Neuperlach

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Nach dem Aufstieg in die Regionalliga hat Türkgücü München 21 Zugänge und Trainer Reiner Maurer geholt. Diesmal soll es für den Verein noch höher hinausgehen als beim Hype in den Achtzigerjahren.

Von Stefan Galler

Diese Beförderung kommt nicht überraschend, denn sie ist ein weiteres Indiz dafür, dass es den Verantwortlichen, vor allem dem Präsidenten Hasan Kivran, mächtig ernst ist mit seinem Projekt Türkgücü München: Seit dieser Woche ist der bisherige Kaderplaner Robert Hettich offiziell Geschäftsführer der Türkgücü München Fußball GmbH. Hettich, 44, ehemals Teammanager und Pressesprecher beim TSV 1860 München, habe bei der komplett neuen Zusammenstellung des Kaders "einen hervorragenden Job gemacht", sagt Kivran.

In der Tat war Hettich gut beschäftigt in den vergangenen Monaten - seit sich abzeichnete, dass auch die Bayernliga nur eine Durchgangsstation sein wird für den Klub, der auf einer Bezirkssportanlage in München-Neuperlach seine Heimat hat. Der Präsident, ein betuchter Geschäftsmann mit besten Kontakten zu potenten Sponsoren, will schnellstmöglich nach oben mit Türkgücü, das Ziel lautet 2. Bundesliga. Deshalb blieb im Kader - trotz des souveränen Aufstiegs in die Regionalliga Bayern - kein Stein auf dem anderen: 21 Zugänge wurden verpflichtet. Nur vier Spieler aus der Meistermannschaft der Vorsaison durften bleiben, darunter Kapitän Yasin Yilmaz, der abgesehen von einigen Studenten der einzige im Team ist, der neben dem Fußball einem Beruf nachgeht.

Professioneller auf allen Ebenen: Zu den zahlreichen Neuen bei Türkgücü München gehört auch der frühere Löwen-Coach Reiner Maurer. (Foto: Sven Leifer/imago)

Die Neuen haben größtenteils mindestens Regionalliga-Erfahrung, einige spielten in noch höheren Klassen. Wie Innenverteidiger Mario Erb, 29, der früher in Unterhaching kickte, nun vom ambitionierten Drittligisten KFC Uerdingen kommt und eine absolute Führungsrolle übernehmen soll. Mittelstürmer Karl-Heinz Lappe, 31, war ehemals in der zweiten Liga für den FC Ingolstadt aktiv. Benedikt Kirsch, 23, war schon vor drei Jahren Stammspieler beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth. Mittelfeldkollege Marco Holz kickte einst für Cottbus und Burghausen in Liga drei, kam nun vom 1. FC Saarbrücken aus der Regionalliga Südwest nach München. Abwehrspieler Furkan Zorba, 21, wurde bei Eintracht Frankfurt ausgebildet und war zuletzt beim Drittliga-Meister VfL Osnabrück unter Vertrag. Kilian Fischer, 18, wechselt als bisheriger Kapitän der U 19 des TSV 1860 München von der Grünwalder an die Heinrich-Wieland-Straße.

Auch der neue Trainer hat eine Vergangenheit bei den Löwen: Reiner Maurer, 59, war gleich zweimal als Chefcoach fürs sportliche Fortkommen der Blauen verantwortlich, von 2004 bis 2006 und 2010 bis 2012. Der gebürtige Allgäuer hat von sämtlichen Trainern, die seit dem Bundesliga-Abstieg bei Sechzig tätig waren, den besten Punkteschnitt. Von großem Druck bei Türkgücü will Maurer nichts wissen: "Bei Sechzig hatte ich im Urlaub mehr Druck als hier in der Saisonvorbereitung", sagt er.

Allerdings haben all die prominenten Zugänge und die beinahe makellose Vorbereitung - mit einem 12:0-Kantersieg gegen den Bayernligisten SV Pullach und einem erstaunlichen 4:0 gegen den bulgarischen Spitzenklub Levski Sofia - Begehrlichkeiten geweckt: Türkgücü gilt in der Regionalliga als einer der Topfavoriten auf den nächsten Aufstieg - auch wenn man selbst das Saisonziel diesmal eher defensiv formuliert: "oberes Tabellendrittel".

Maurers Vorgänger Andreas Pummer, 37, der Türkcgücü in zwei Jahren im Schweinsgalopp durch die Landes- und Bayernliga geführt hat, bleibt dem Klub übrigens als Co-Trainer erhalten; er will nun seine fehlenden Lizenzen machen.

Professionalisierung auf allen Ebenen, darum geht es bei diesem Klub, dessen Vorgängerverein SV Türk Gücü München Ende der Achtzigerjahre erstmals Schlagzeilen gemacht hatte: Unter Trainer Peter Grosser gelang 1988 der Sprung in die Bayernliga, die damals in der deutschen Ligapyramide die dritthöchste Spielklasse war. Es brach ein regelrechter Hype aus um das deutsch-türkische Fußballkonstrukt, bis zu 12 000 Zuschauer verfolgten die Derbys gegen 1860 im Grünwalder Stadion. Mitte der Neunzigerjahre ging es bergab. Die Begeisterung der Fans ließ nach, weil die nun ihre ursprünglichen Lieblingsklubs Galatasaray und Besiktas Istanbul im Satellitenfernsehen verfolgen konnten. Und der damalige Präsident, Ergun Berksoy, zog sich zurück. Man munkelte von heftigen Steuernachforderungen der deutschen Behörden, die den Unternehmer veranlassten, sich in seine Heimat abzusetzen - der insolvente Verein wurde 2001 aufgelöst.

Es folgten eine Neugründung - und zahlreiche Namensänderungen. Nach der Fusion 2009 mit dem SV Ataspor ging es unter Kivrans Leitung schnell bergauf. Doch der sportliche Erfolg kommt nicht von alleine: Der Boss pumpt viel Geld in den Klub, Gerüchte besagen, seit er Präsident ist, sei ein mittlerer sechsstelliger Betrag geflossen.

Dazu kommen Kivrans ausgezeichnete Kontakte zu großen Firmen. Zum Sponsorenpool von Türkgücü gehören der Lebensmittelgroßhändler Gazi, das Touristikunternehmen FTI und der frühere Trikotsponsor von Manchester United, der internationale Versicherungsmakler Aon. Zuletzt wurde die Männermannschaft in eine Kapitalgesellschaft überführt, 99 Prozent hält Kivrans Firma (HK Erste Vermögensverwaltungs und Beratung GmbH).

Nun gilt es aber auch, sich eine neue Fanbasis zu erspielen. In der Bayernliga kamen nur wenige hundert Zuschauer zu den Heimspielen im Sportpark Heimstetten. Maurer rechnet mit einem "Schub", wenn Türkgücü von März 2020 an im Grünwalder Stadion spielt: "Der Verein hat eine lange Durststrecke hinter sich, jetzt müssen wir uns die alte Popularität Stück für Stück erarbeiten." Dabei helfen soll auch der neue griffige Name, den sich der Klub vor kurzem verpasste: Statt SV Türkgücü-Ataspor München heißt man nun einfach: Türkgücü München. Im neuen Logo treffen sich der türkische Halbmond und ein bayerisches Rautenmuster.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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