RB vor dem Pokal:Leipziger Sehnsucht

Lesezeit: 3 min

Vor den Duellen mit dem FC Bayern rotiert sich Champions-League-Teilnehmer Leipzig zu einem 1:0-Arbeitssieg gegen den VfB Stuttgart.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Ralph Hasenhüttl scheint ein empfindsamer Mann zu sein, empfänglich auch für nonverbale Signale seiner Spieler. "Da haben so einige sehnsüchtig rausgeguckt", sagte der Trainer von RB Leipzig, als er sich an die 90 Minuten gegen Stuttgart erinnerte, die gerade hinter ihm lagen.

Es ging natürlich nicht um Zuneigung im klassischen Sinne. Es waren vielmehr die um einen baldigen Schlusspfiff bittenden Blicke seiner Spieler, die wohl nicht geahnt hatten, dass sich der Aufsteiger aus Stuttgart als derart rebellisch erweisen und den Leipzigern alles abverlangen würde; und das am Ende einer Woche, die für die Sachsen zwei spektakuläre 3:2-Siege (in Dortmund und gegen Porto in der Champions League) bereitgehalten hatte. Oder, wie man es ja auch wenden kann, am erweiterten Vorabend zweier Spiele gegen den FC Bayern, am Mittwoch im DFB-Pokal und am Samstag in der Bundesliga.

"Es ist gut gegangen", bilanzierte Hasenhüttl, ehe er das mühsam erwirtschaftete 1:0 gegen den VfB Stuttgart als "Arbeitssieg" etikettierte ("Den Begriff schmutziger Sieg mag ich nicht") und all jene um Nachsicht bat, die nach den jüngsten Galas auf eine neuerliche pyrotechnische Show gehofft hatten. "Wir können nicht im Drei-Tages-Rhythmus ein Spektakel bieten, in so einem Spiel ist das auch nicht gefragt. Da ist gefragt, die drei Punkte zu holen."

Drei Bundesliga-Siege nacheinander hat Leipzig nun auf dem Konto, die Serie hat den Meisterschaftszweiten der vergangenen Saison schon wieder auf die Champions-League-Plätze der Tabelle katapultiert, Dortmund ist wie der FC Bayern nur einen Punkt entfernt. "Ich freue mich, dass wir zu null gespielt haben, das war das Positivste heute", sagte Hasenhüttl, denn "wir haben nicht das gespielt, was wir können."

Das habe "auch am Gegner" gelegen, erklärte Hasenhüttl, ohne dabei floskelhaft oder übermäßig höflich zu wirken, denn der VfB hatte in der Tat taktisch geschickt, aggressiv und - trotz nominell defensiver Aufstellung - durchaus offensiv agiert. Es lag aber auch an der eigenen Erschöpfung, die selbst für jene Zuschauer, die zu weit weg saßen, um die sehnsüchtigen Blicke zu erkennen, klar auszumachen war. Nun ist es zwar noch lange nicht so, dass die Leipziger aus dem letzten Loch pfeifen. Aber man merkte dem jüngsten Team der Liga (Altersdurchschnitt der Startelf: 23,5 Jahre) durchaus an, dass es in dieser Saison Neuland betreten hat - also: erstmals die Strapazen der Dreifachbelastung aus Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal durchlebt und dabei eben auch Muskelfasern und Sehnen spürt. Die physische Präsenz der Stuttgarter förderte bei den Leipzigern viele Unkonzentriertheiten und Fehler zutage, die dem Favoriten beinahe teuer zu stehen gekommen wären.

Bruma fällt verletzt aus? Na gut, dann spielt halt Sabitzer

Andererseits: Auch in diesem Spiel war vor erneut ausverkauftem Haus zu sehen, dass wohl kaum ein Kader der Liga so geschickt und ausgeglichen komponiert ist wie der Kader der Leipziger. Upamecano, Halstenberg, Kampl, Bruma und Augustin sollen oder müssen oder dürfen pausieren? Dann spielen halt Konaté, Bernardo, Demme, Poulsen und Timo Werner. Und auch auf der Bank sitzen dann Profis, auf die man zählen kann, ohne Qualitätseinbrüche befürchten zu müssen. Zwar konnten die Leipziger angesichts eines Pfostentreffers des VfB-Angreifers Takuma Asano und einer guten Chance von Chadrac Akolo von Glück reden, dass sie in der zweiten Halbzeit nicht den Ausgleich hinnehmen mussten. Zum Ende hin aber konnten die Leipziger trotz der Auswechslungen von Timo Werner, Naby Keita und Emil Forsberg ihrerseits wieder für Gefahr vor dem Stuttgarter Tor sorgen und dem 2:0 durch Kampl oder Augustin nahekommen.

Es blieb am Ende aber beim 1:0 - einem Ergebnis, dem eine Mikro-Rotations-Vorgeschichte zugrunde lag. Denn der Schütze des einzigen Tores, Marcel Sabitzer, sollte eigentlich gar nicht spielen.

Beim Aufwärmen aber zwickte dem portugiesischen Offensivspieler Bruma der Oberschenkel. "Sieben Minuten vor Spielbeginn, als die alle schon in der Kabine waren und sich umgezogen hatten", habe er, Sabitzer, erfahren, dass er doch spielen müsse: "Also schnell rein, Trikot an, Schienbeinschoner an ..., und dann ging es los", berichtete der Österreicher. Eine Pause hätte er durchaus nötig gehabt, meinte er selbst, "aber dann lief's auch nicht so schlecht". In der 23. Minute legte ihm der genesene Werner den Ball auf, und Sabitzer erzielte ein wunderbar anzusehendes Tor. Er zog aus 2o Metern ab und sah, wie der Ball sich wie ein trockenes Blatt unter die Latte senkte: "Der Schuss hat dann genau gepasst", sagte Sabitzer.

Das 1:0 schürte dann auch Entspannung vor den Duellen mit den Bayern, in denen "die Mannschaft zeigen kann, dass sie sich entwickelt hat", wie Hasenhüttl sagte. In der letzten Saison reichte es zu keinem Punkt, zum Schluss setzte es eine 4:5-Niederlage, die sich im Pokal wohl nicht wiederholen wird, wie der Trainer ahnt. Sein Team hat in den jüngsten englischen Wochen Selbstvertrauen getankt. "Die Fans können sich auf ein Feuerwerk freuen", verkündete Sabitzer, denn: "Wir sind im Flow."

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: