Ränkespiele beim DFB:Herberge unter dem Firmenlogo

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Was ist so wichtig am WM-Standort Leverkusen? Der DFB lässt es auf einen Streit mit Klinsmann ankommen.

Von Thomas Kistner

München - Nicht nur Jürgen Klinsmann wurde überrumpelt von der Krisen- debatte, die sich an der Quartierfrage für die Nationalelf bei der WM 2006 entzündet.

Über die Quartierfrage entscheidet allein der Trainer, sagt Jürgen Klinsmann. (Foto: Foto: dpa)

Insbesondere irritiert die Resolutheit, mit der die DFB-Spitzen auf einer alten Lösung beharren: Leverkusen allein muss der Ort sein, der Deutschlands Fußballer beherbergen darf, die BayArena ist der Trainingsplatz der Nation.

Der Bundestrainer, sein Stab und einige Spieler rebellieren dagegen, weshalb die Vehemenz, mit welcher der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seine Lösung durchpeitschen will, heikle Fragen aufwirft.

Klinsmann wird ja sonst jeder Freiraum gewährt, dem Ziel, einen erfolgreichen WM-Auftritt im eigenen Land hinzulegen, soll alles untergeordnet werden - warum nicht auch die Quartierfrage?

Zwanzigers Rücktrittsdrohung

Eisern beharrt der Verband um Gerhard Mayer-Vorfelder und dessen Zwilling in spe im Präsidentenamt, Theo Zwanziger, auf einen jahrealten Deal mit Bayer Leverkusen, gepocht wird auf Verbrieftes. "

Wir haben einen Vertrag mit dem DFB", sagt Meinolf Sprink vom Bayer-Konzern. DFB-Schatzmeister Zwanziger bestätigt das. Klinsmann hingegen "weiß nur von mündlichen Vereinbarungen", Dokumente gebe es seines Wissens nicht.

Und wenn, das kann geändert werden. Donnerstag erklärte der Bundestrainer: "Über die Quartierfrage entscheiden allein die Trainer, ohne Wenn und Aber." Tags darauf folgte die erste Überreaktion. "Der Trainerstab kann sich nicht zum Präsidium des DFB machen", zürnte Zwanziger bei der Deutschen Presse-Agentur, "das mache ich nicht mit, da trete ich lieber zurück!"

Es folgte ein bizarres Hickhack um die Rücktrittsdrohung, die plötzlich nicht mehr so gemeint sein sollte.

Was ist so wichtig am Standort Leverkusen, dass der DFB dafür zentrale Klinsmannsche Erfolgsprämissen sabotieren will? Aus aller Turniererfahrung ist bekannt, welche Bedeutung das Langzeitquartier für die Athleten hat - zumal, wenn sich die Kasernierung über Monate erstreckt.

Schon jetzt wird absehbar, dass murrende Kicker bei der WM das Tagesgespräch werden könnten, trotzdem sind die DFB-Verwalter nicht bereit, einen zu Rudi Völlers Zeiten mit dessen ehemaligem Arbeitgeber getroffenen Deal zu stornieren.

Warum? Tumbe Bürokratentreue wird kaum der Grund sein. Es geht auch nicht um das offizielle Engagement der Bayer AG seinerzeit für die deutsche WM-Bewerbung.

Der Erfüllung entgegen sieht hier ein sportökonomischer Masterplan, der sich 2006 für Bayer mit enormer Werbepräsenz auszahlen könnte: Deutschlands Fußballstars, das gefürchtete Gastgeber-Team, präsentiert sich der Welt wochenlang unterm Firmen-Kreuz.

Nun wäre es lächerlich, diesen Werbewert gegen die vier Millionen Mark aufzurechnen, mit denen der Chemiekonzern die WM-Kampagne damals betankt hatte.

Auch andere Hilfen, wie die Abstellung des Sportdirektors Völler im Jahr 2000 als DFB-Teamchef, sind damit nicht zu entgelten. Das passte ja in die Strategie, der damalige Klubmanager Reiner Calmund wollte gar selbst beim DFB einsteigen, und der Werksverein war dabei, zum bedeutendsten Klub der Republik aufzusteigen.

Wenn heute eine so gewaltige Rechnung offen ist, wenn sich der Fußball-Bund gar mit seiner neuen Heilsfigur Klinsmann anlegt, muss es um größere Verdienste gehen.

Das lenkt den Blick zurück auf die Bewerberzeit. Bis heute geht die Mär, Franz Beckenbauer habe die WM, das größte globale Gesellschaftsereignis, dank seiner Golf- und Charmierkünste ins Land geholt.

Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann: Beckenbauer punktete auf dem Diplomatenparkett, die Weichen wurden natürlich anderswo gestellt.

Kurz vor der Wahl beim Weltverband Fifa an jenem 6. Juli 2000 war ein fast hysterisches Massenengagement der deutschen Großindustrie in Fernost zu bestaunen.

Der golfende Werber

Den WM-Zuschlag erhielt der DFB damals nur dank der asiatischen Stimmen aus Katar, Saudi-Arabien, Südkorea und Thailand. Die vier waren in letzter Sekunde zu einem Deutschland-Block verschweißt worden, den nicht mal mehr Südafrikas Nelson Mandela aufbrechen konnte, der kurz vor der Wahl den Emir von Katar, Thailands König und andere Würdenträger um Hilfe bat. All dies nur für Beckenbauer, den golfenden Werber?

Tatsächlich gab es verblüffende Geschäftsaktivitäten unmittelbar vor der Zürich-Wahl: Der Deutschland AG war ein effizientes Timing gelungen beim Ankurbeln und Ankündigen von milliardenschweren Asien-Geschäften, besonders den Sponsoren Bayer und DaimlerChrylser.

Ende Juni hatte die Bayer AG den südkoreanischen Kunststoffhersteller Sewon Enterprises erworben, der 40 Prozent des heimischen Marktsegments hielt. Zudem kündigte der Konzern die Eröffnung einer Firma zur Herstellung von Pflanzenschutzmittel an.

Zugleich wurden Thailand Großinvestitionen in Aussicht gestellt: Im Werk Map Ta Phut, hieß es Anfang Juli, solle die Polycarbonat-Produktion verdreifacht werden.

Die Bayer AG, die in ihren weltweiten Filialen gern Fifa-Offizielle bewirtete, gab eine Woche vor der Wahl zudem bekannt, einen Großstandort in China aufzubauen.

Zeitgleich wurde DaimlerChrysler aktiv: Der Konzern schloss seine Allianz mit dem südkoreanischen Autobauer Hyundai, und von Thailands Fifa-Vertreter Worawi Makudi wurde bekannt, dass dessen Frau mit Mercedes-Autos handelte.

Daneben schob die Politik an. Am 28. Juni stimmte der Bundessicherheitsrat unter Kanzler Schröder der Lieferung von 1200 Panzerfäusten an Saudi-Arabien zu.

Dank der heimischen Wirtschaft

Milliarden-Zusagen für Thailand und Südkorea, Waffen für die Saudis - alles verhandelt in den Tagen vorm WM-Entscheid. Ob die eisern pro Deutschland gestimmten Fifa-Emissären aus Seoul und Bangkok der Dank der heimischen Wirtschaft ereilte?

Hierzulande könnte es sich nur im umgekehrten Sinne verhalten - den Dienst fürs Vaterland haben gewisse Firmen schon erbracht. Der Verdacht, dass 2006 Rückzahltag ist, drängt sich auf, wenn sich die Nationalelf bei der WM partout unter einem Firmenlogo präsentieren soll - koste es offenbar, was es wolle.

© SZ vom 25.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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