Räikkönen und Alonso:Der Stoiker gegen den Jüngsten

Lesezeit: 3 min

Zwei junge Fahrer. ein Ziel: Michael Schumacher entthronen und Weltmeister werden. Ansonsten haben Fernando Alsonso und Kimi Räikkönen wenig gemeinsam. Von René Hofmann

Bei Kimi Räikkönen sind es die Augen, seine hellen, klaren Pupillen, die einen anschauen wie zwei Bergkristalle. Ob er ein besonderes Verhältnis zu Fernando Alonso pflegt? Ob er ihn kennt, respektiert, schätzt? "Die Antwort bleibt ,nein'", sagt Räikkönen: "Egal, wie oft sie nachfragen." Räikkönen ist ein Stoiker. Was ihn wirklich aufregt? "Solche Fragen." Was ihn zum Ausflippen bringen könnte? "Wenn Sie mir weiter solche Fragen stellen." Gespräche mit dem Finnen sind selten ergiebig. Eines aber sind sie immer: erhellend. Nach zwei Fragen ist klar - da sitzt ein 25-Jähriger mit festem Blick und festem Willen. Dass ihn die WM-Wertung an Platz zwei führt, ist kein Zufall.

Bei Fernando Alonso ist es die Stimme. Wenn er den Eindruck hat, etwas laufe falsch, sagt Alonso nicht "is going wrong". Er sagt "wrrrrrong". Sein r rollt heran wie Donnergrollen. Seine spanische Zunge pflügt durchs Englisch und hinterlässt tiefe Furchen. Wie er seine Chancen sieht? "Wir müssen den Job nur noch zu Ende bringen", sagt Alonso. Was er von seinem Renault hält? "Wir haben vielleicht nicht das schnellste Auto, aber das Beste: Es kommt an." Früher wirkte er farblos. Seit er die WM anführt, hat er an Profil gewonnen. Bei jedem Zungenschlag ist zu hören, da sitzt ein 24-Jähriger, der es ernst meint und den seine Gegner besser ernst nehmen sollten.

Kimi Räikkönen gegen Fernando Alonso. Auf diesen Zweikampf läuft die Formel-1-WM in diesem Jahr hinaus. Michael Schumacher hat zwar lediglich vier Punkte Rückstand auf Räikkönen, doch der Titelverteidiger sitzt in einem Auto, das nur selten mithalten kann. Juan Pablo Montoya bieten sich bei McLaren-Mercedes zwar theoretisch die gleichen Möglichkeiten wie Räikkönen, aber wegen einiger Tollheiten hat der Kolumbianer bereits einen beträchtlichen Rückstand. Er kommt auf 34 Zähler, Räikkönen hat 51, Alonso 87. 70 Punkte kann ein Pilot maximal noch gewinnen. An diesem Sonntag, beim Großen Preis von Ungarn, hat Alonso die größte Siegchance. Die Strecke in Budapest liegt seinem Renault. Im vergangenen Jahr wurde er hier Dritter, im Jahr zuvor gewann er auf der Strecke seinen ersten Grand Prix, er war der bisher jüngste Formel-1-Sieger. Zuvor hatte er sich schon als Jüngster seine erste Pole Position geholt. Am heutigen Freitag feierte Alonso seinen 24. Geburtstag. Er ist immer überall der Jüngste gewesen. Was er mit seinem Leben noch anfangen will, wenn er bald auch der jüngste Weltmeister ist? "Das ist kein Problem", sagt Alonso, "Weltmeister zu sein, kann kein Problem sein." Er kommt voller Selbstvertrauen, mit dem Vorteil des Führenden und der Gewissheit, dass auf seinen Dienstwagen immer Verlass war. "Das sollte ein großartiges Wochenende für uns werden", sagt er.

Räikkönens größter Gegner: Das eigene Auto

Räikkönen hingegen steigt verunsichert in sein Fahrzeug. Dreimal hintereinander bremste ihn ein Defekt. In Hockenheim stapfte er nach dem Zusammenbruch seiner Hydraulik kommentarlos davon. "Das war ja nicht das erste Mal. Langsam gewöhne ich mich an die Situation", sagte er in Budapest dazu. Das Drama liegt in der Wiederholung. Bereits vor zwei Jahren wäre Räikkönen reif für den Titel gewesen, weil sein Wagen lahmte, gewann am Ende wieder Michael Schumacher - mit hauchdünnem Vorsprung.

Diesmal sind die Kräfteverhältnisse klarer, was alles aber nur noch ärgerlicher macht. In den meisten Rennen hatte Räikkönen den schnelleren Flitzer, trotzdem führt Alonso deutlich. "Vor zwei Jahren dachte ich viel verbissener an den Titel", sagt Räikkönen: "Das Auto war damals nicht so gut, ich habe unaufhörlich gegrübelt, wie wir es noch schaffen könnten. Heute haben wir ein Auto, mit dem wir jedes Rennen gewinnen können. Das macht es einfacher."

Der Gegner spielt bei seinen Betrachtungen offenbar kaum eine Rolle. Weder zu Schumacher noch zu Alonso hat Räikkönen ein besonderes Verhältnis. Mit dem Spanier maß er sich bereits als Teenager im Kart. Aber nicht oft. "Er war zwei Jahre älter, wir sind selten gegeneinander gefahren", sagt Alonso. Als herausragender Fahrer ist Räikkönen ihm damals nicht in Erinnerung geblieben. Überliefert ist, dass die beiden in Monaco einmal aneinander gerieten. Räikkönen lag in Führung, Alonso saß hinter ihm im schnelleren Gefährt. Als der Finne Schlangenlinien einschlug, um den Spanier am Überholen zu hindern, kollidierten sie. Räikkönen flog über die Strohballen, am Ende wurde er Dritter. Alonso schied aus.

Distanziertes Duell um die WM

Vor dem Rennen in Ungarn haben sie nur einige Spitzen ausgeteilt. Alonso sagt: "Wir haben darauf geachtet, dass unsere Entwicklungen nicht nur schnell, sondern auch zuverlässig sind. Einige Teams folgen da offenbar einer anderen Philosophie." Was Räikkönen seinem Widersacher zum Geburtstag wünscht? "Happy birthday." Auf der Strecke sind sie sich in diesem Jahr noch nicht näher gekommen. Bisher ist es ein distanziertes Duell.

© SZ vom 29.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: