Radsport:"Wir haben doch früher alle gedopt"

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Der früherer Rad-Profi Didi Thurau bekräftigt, dass bereits zu seiner aktiven Zeit in den siebziger Jahren flächendeckend gedopt wurde. Unterdessen fordern einige Amnestie für die Geständigen.

Das Team T-Mobile steht nach den Doping-Geständnissen von Bert Dietz und Christian Henn, die beim Vorgänger-Team Telekom gefahren waren, stark unter Druck. Doch dass Betrug im Radsport schon vor dem Einstieg des Bonner Sponsors scheinbar an der Tagesordnung war, bekräftigte erneut der ehemalige Fahrer Dietrich Thurau. . "Wir haben doch früher alle gedopt", sagte der 52 Jahre alte Thurau nun mehreren Zeitungen.

14 Tage in Gelb bei der Tour de France 1977: der "blonde Engel" Didi Thurau, hier ein Bild von 1988. (Foto: Foto: dpa)

Thurau hatte bei der Tour de France 1977 14 Tage lang das Gelbe Trikot getragen und war in Deutschland als "blonder Engel" gefeiert worden. Doch allein mit natürlicher Muskelkraft ging schon damals nicht viel. Die ersten vier Jahre als Profi habe man noch Vitamine bekommen, erzählt Thurau. Dann allerdings sei der Druck, mit den Besten mitzuhalten, so groß geworden, dass er zu unerlaubten Mitteln griff. Damals, so Thurau, habe der Hausarzt die Mittel verschrieben, die man dann in der Apotheke gekauft habe. Zunächst Testosteron, später Steroide.

Das "Geständnis" Thuraus ist allerdings nicht neu. Der seit 1989 nicht mehr aktive Frankfurter hatte bereits früher in Interviews Doping eingestanden. Mit einer "normalen Ernährung" sei bei längeren Rundfahrten nicht weiterzukommen, sagte er: "Sonst gehst Du nach sieben Tagen in die Luft. Du wirst zwangsläufig mit Doping konfrontiert, wenn Du ans Limit kommst."

Und Thurau ist auch erwischt worden. 1980 wurde er von der Tour ausgeschlossen, weil er zum dritten Mal in der Saison eine positive Doping-Probe hatte. 1987 dann beendete Thurau seine letzten Tour de France vorzeitig, weil ihm Anabolika-Konsum nachgewiesen wurde. Der Heidelberger Doping-Experte Werner Franke sagte einmal zu Thurau: "Natürlich war der vollgedröhnt wie tausend Bomber."

Zur aktuellen Situation und den Doping-Geständnissen der früheren Telekom-Profis Bert Dietz und Christian Henn sagte Thurau: "Es ist nicht fünf vor 12, es ist weit nach 12." Das Radsport-Idol der siebziger Jahre empfiehlt dem unter Dopingverdacht stehenden Jan Ullrich in diesem Zusammenhang, "seine Fehler einzugestehen".

Der ehemalige Radprofi Marcel Wüst hat unterdessen die Idee einer Amnestie für geständige Doping-Sünder begrüßt. "Es geht ja nicht mehr darum, die Leute jetzt dafür zu bestrafen, was vor zehn Jahren war", sagte der Radsport-Experte im WDR 2 Morgenmagazin. Jetzt gehe es darum, "die Rennfahrer, die auch sauber unterwegs sein wollen im Radsport und auch in allen anderen Sportarten - dass man denen hilft, diese Sauberkeit wahren zu können".

Wüst: "Da wäre sicherlich eine konsequente Aufarbeitung dessen, was vor zehn, 15 Jahren war, ganz wichtig." Er selbst habe nie verbotene Mittel genommen, betonte der Ex-Profi. Wüst: "Man hat mir zu meiner Zeit nichts angeboten. Das lag sicher zum einen daran, dass ich nicht im Tour-de-France-Team war. Zum anderen bin ich aber fest davon überzeugt, wenn ich danach gefragt hätte - wenn ich also als Rennfahrer hin gegangen wäre und hätte gesagt, hört mal, ich will auch was haben, ich brauche was, dann hätte ich auch was kriegen können." Die späte Doping-Offenbarung von ehemaligen Profis erklärte Wüst mit der Existenzbedrohung, die für die Betroffenen damit einher gehe.

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