Radsport:Quer in die Parallelwelt

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Teammanager Stapleton soll T-Mobile beides zurück holen - Erfolg und Prestige.

Andreas Burkert

Bob Stapleton hat blaue Augen, sein Blick ist sehr klar. Man hat über ihn gehört, dass er unheimlich umgänglich sei. Andererseits hat er in seinem Leben bereits sehr viel erreicht, so viel sogar, dass er sich daheim in San Luis Obispo, Kalifornien, jeden Tag an den Strand der Pazifikküste legen, stundenlang fischen oder in den Bergen von Santa Lucia Wein anbauen könnte; der Wein aus dieser Region soll recht ordentlich sein.

Stapleton, 48, ist wohlhabend, vermutlich ein Millionär, er würde das einem vielleicht sogar sagen, wenn man ihn nur fragte. Aber die Deutschen genieren sich ja bei solchen Dingen. Wie auch immer, Stapleton muss auch eine andere Seite haben, eine sehr zielorientierte, vielleicht sogar unmenschlich harte Seite, die Eigenschaft eines sehr erfolgreichen Geschäftsmannes eben. Er versteckt sie aber ganz gut hinter den blauen Augen und seiner entspannten Art. Vielleicht ist sie ein Geheimnis.

Stapleton liegt nicht am Strand, er lebt jetzt sechs Monate im Jahr in Bonn, in einem kleinen Appartement in der Nähe seines Geschäftspartners T-Mobile. In der Firmenzentrale wird er an diesem Mittwoch offiziell als neuer General-Manager des Radrennstalls vorgestellt, dazu präsentiert das Team sein neues Programm im Kampf gegen die Dopingseuche.

Das Ziel ist "sauberer und fairer Sport"

Um seine Aufgabe zu verdeutlichen, legt Stapleton seine Handkanten auf den Tisch, "die Realität ist hier, und das Ziel ist dort", sagt er, und dann schiebt er die Handkanten zusammen. Sie berühren sich allerdings nicht. Das Ziel ist "sauberer und fairer Sport", ein Zustand also, den man derzeit nicht seriös mit dem Radsport in Verbindung bringen kann. "Denn er ist offenbar richtig korrupt, es ist also eine große Herausforderung."

Bob Stapleton ist nicht groß geworden im Radsport, was vermutlich ein Vorteil ist, er hat sich von einem Angestellten einer Technologiefirma zum Mitbegründer und Präsidenten des Mobilfunk-Unternehmens VoiceStream hochgearbeitet. T-Mobile hat die US-Firma vor sechs Jahren gekauft, für 50 Milliarden Dollar. Stapleton ist noch einige Zeit Vorstandsmitglied im Konzern gewesen, ehe er 2003 ausstieg. "Ich hatte drei Teenager zuhause, ich wollte jetzt ein paar Jahre mit ihnen verbringen."

Ein Manager und Quereinsteiger übernimmt also beim T-Mobile-Team die Nachfolge von Olaf Ludwig, dessen sehr traditionelle Ansichten über sein Metier nicht mehr in die Zeit passten. Seit sieben Jahren beschäftigt sich Stapleton mit dem Radsport, über das Engagement der Firma kam er dazu, 2005 leitete er das Frauenteam von T-Mobile. Er hatte ja Zeit.

Jetzt besitzt er mit seiner "Neuer Straßen Sport GmbH" die Herrenequipe, November zieht der Rennstall in eine alte Bonner Brauerei ein. Dort soll die Zentrale eines Neuaufbaus sein, und gerne auch eine Zentrale des Antidoping-Kampfes. Stapleton hat deshalb schon im Juni Rolf Aldag, 37, engagiert, der langjährige Profi gilt als das gute Gewissen einer Generation mit miesem Image. Stapleton ist zuletzt ein paar Tage auf Aldags Bauernhof in Beckum gewesen, sie haben viel zu tun. Und sehr viel vor.

"Kein Siegkandidat ist sauber"

Stapleton weiß, dass er erstmals in seinem Leben nicht mit dem gleichen Wissensstand wie seine Mitstreiter arbeitet. Auch das macht ihn misstrauisch. "Ich traue keinem zu 100 Prozent", sagt er, "und die Leute, denen ich vertraue, kann ich an einer Hand abzählen." Stapleton nähert sich ihnen distanziert, "der Radsport", sagt er ganz nüchtern, "hat seine eigene Realität, er lebt in einer Parallelwelt. Sie glauben, sie tun nichts Falsches, weil sie ermutigt werden und hören, dass es ja angeblich jeder macht". Er meint die Profis und das Doping.

Man darf davon ausgehen, dass künftig kein anderes Team so resolut und akribisch kontrolliert wird, denn Stapletons Leitmotiv lautet: "Entweder machst du etwas richtig - oder gar nicht." T-Mobile versucht die absolute Transparenz: DNA-Tests, langfristige Blutstudien, mehr Kontrollen. Ebenso die unabhängige Systemkontrolle durch ein internationales Board aus Medizinern und Sportwissenschaftlern, auch der renommierte Kölner Dopingexperte Wilhelm Schänzer ist mit seinem Labor vertreten.

Für die Trainingsplanung wird mit Sebastian Weber ein Fachmann von der Sporthochschule Köln eingestellt, außerdem ein Sportpsychologe. Er staune immer wieder, wie wenig strukturiert viele trainierten, sagt Stapleton. "Sie haben nicht einmal einen Computer und haben nie unter professioneller Anleitung trainiert - das ist verrückt."

Der Weg hat seinen Preis. Denn T-Mobile fehlen große Namen, einen Rundfahrer gibt es nicht. Jan Ullrich und Andreas Klöden sind weg. "Wir werden eher ein Sprinterteam sein", sagt Stapleton. U23-Weltmeister Gerald Ciolek, 20, kommt, ebenso der Österreicher Bernhard Eisel, 25, dazu Italiens Zeitfahrmeister 2005 Marco Pinotti, 30, der Kanadier Michael Barry, 29, Aaron Olsen (28/USA), der Wittenberger Bert Grabsch, 31, und auch Jakob Piil.

Kein sauberer Sieger auf dem Markt

Der Däne ist vor Jahren einmal unter Dopingverdacht gewesen. Stapleton entgegnet dazu, man habe sich auch über Piil sehr ausgiebig informiert. Steffen Wesemann, 35, muss gehen, Sergej Gontschar, 32, darf bleiben, das sind eher Fußnoten in diesem Geschäft. Das Problem von T-Mobile ist, dass viele jetzt den Weg zu ihnen scheuen. "Und ich sehe keinen sauberen Toursieg-Kandidaten auf dem Markt", sagt Stapleton. Valverde, Spaniens WM-Dritten, hätte er haben können. "Doch auch um ihn gibt es zu viele Gerüchte." Schnelle, unüberlegte Entscheidungen werde es nicht geben. Das Budget wird auch deshalb deutlich kleiner sein, "ein Drittel bis ein Viertel weniger".

Der Job ist schwierig. Erfolge müssen her, trotz der offensichtlichen Vertragsverlängerung über 2008 hinaus. Zudem soll der Sport sauber sein. T-Mobile sei ein Business, sagt der frühere Firmenvorstand Stapleton, "es erwartet auch einen ,Return on Invest'. Wenn sie nach zwei Jahren sagen, es läuft nicht, dann werde ich das verstehen." Aber noch ist er optimistisch, lernt mit einem Privatlehrer Deutsch und betont, mit Motivation und Teamgeist sei viel zu erreichen. Und dann ist da ja noch sein Geschäftsgeheimnis von früher, er erwähnt es nach zwei Stunden beiläufig: "Damals, da war sehr viel Glück dabei."

© SZ vom 27. September 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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