Radsport:"Jan Ullrich hat gedopt"

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Nach Ansicht der Bonner Staatsanwaltschaft steht ein Doping-Vergehen fest. Die Behörde hatte sich mit Ullrich geeinigt, die Ermittlungen wegen des Betrugsverdachts zum Nachteil seines ehemaligen Sponsors einzustellen.

Jan Ullrich kann nach der Einigung mit der Bonner Staatsanwaltschaft gegen Zahlung einer sechsstelligen Summe nur kurz verschnaufen. Unabhängig von der Entscheidung, die Betrugs- Ermittlungen einzustellen, laufen weitere Zivilverfahren im Zusammenhang mit dem Doping-Verdacht gegen den 34-Jährigen und die Staatsanwaltschaft liefert sogar noch Ullrichs Gegnern Argumente.

Ätsch! Jan Ullrich hat sich mit der Staatsanwaltschaft auf einen Vergleich geeinigt. Die sagt trotzdem, dass er gedopt hat. (Foto: Foto: AP)

"Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Ullrich hat gedopt", sagte der zuständige Staatsanwalt Fred Apostel. Trotzdem schien der ehemalige Darling der deutschen Fans nach der Einigung in Bonn durch eine rosarote Brille zu blicken. "Ich war immer ein fairer Sportler. Etwas anderes wird auch niemand behaupten, der mich persönlich kennt. Meine Erfolge sind Ergebnis von harter Arbeit und der Leidenschaft für meinen Sport - und ich bin sehr stolz auf meine lange und erfolgreiche Karriere. Die Einstellung des Verfahrens gibt mir die Möglichkeit, mich auf meine Zukunft und neue berufliche Herausforderungen zu konzentrieren", sagte Ullrich, der im Februar 2007 zurücktrat.

Er könne allerdings "nicht verhindern, dass es auch nach der Erledigung der Betrugsvorwürfe noch immer Spekulationen über mich geben wird". In diese Richtung äußerte sich auch der geständige Doping-Kronzeuge und ehemalige Team-Kollege von Ullrich, Jörg Jaksche: "Es ist sicher korrekt, dass der Vorwurf des Betruges fallen gelassen wurde, weil er keinen betrogen hat, wenn Doping gang und gäbe war. Aber jeder kann sich halt nach den bekannten Indizien seinen Reim auf Ullrich und das Thema Doping machen", sagte er.

"Es gibt keinen Betrogenen"

In seiner vom Anwalt Marcus Hotze verbreiteten Stellungnahme benutzte Ullrich in 46 Zeilen nicht einmal das Wort "Doping" und betonte: "Ein Geständnis konnte es gar nicht geben, weil es keinen Betrogenen gibt." Diese stets wiederkehrende Wertung ist für Staatsanwalt Apostel ein Beweis für "eine Grundeinstellung, die im Radsport zur aktiven Zeit des Beschuldigten weithin vorherrschte". Im Klartext: Doping war an der Tagesordnung. Laut Apostel war "Ullrich zwar ein herausragendes Talent, kam aber eventuell zu der Erkenntnis", dass er ohne Doping nicht konkurrenzfähig sein würde. Weil "Doping im Radsport in starkem Maße" verbreitet gewesen sei, wäre seine Hemmschwelle herabgesetzt worden.

Ullrich sei durch den Verlust seines Arbeitsplatzes, finanzieller Einbußen, "ganz zu schweigen vom Imageverlust", nach den Worten des Staatsanwaltes "genug bestraft". Die Ermittlungen gegen Ullrichs ehemaligen Betreuer Rudy Pevenage gehen in Bonn weiter und im Zuge dessen könnten auch weitere ehemalige Funktionsträger der Team-Führung in den Focus der Justiz geraten. Allerdings dementierte Apostel, dass er bereits gegen den ehemaligen Ullrich-Team-Kollegen und jetzigen Astana-Profi Andreas Klöden ermittle.

"Meine Frau und ich sind froh, dass der überfällige Schlussstrich unter dieses Verfahren gezogen wurde. Ich habe lange überlegt, ob ich das Angebot der Staatsanwaltschaft annehmen soll. Vor einem Gerichtsverfahren hatte ich keine Angst", sagte Ullrich. "Ausschlaggebend für meine Entscheidung war vor allem der Wunsch, meine Familie vom öffentlichen Druck des Verfahrens zu befreien. Auch wirtschaftliche Gründe haben eine Rolle gespielt.­ Ein Kampf bis zum Freispruch hätte mich wesentlich mehr Geld gekostet. Zur Zahlung einer Geldauflage war ich nur bereit, weil der Großteil der Summe für gute Zwecke bestimmt ist. Die Zahlung ist aber kein Schuldeingeständnis."

Weiteres Ungemach droht

Ullrichs Justiz-Tour wird derweil fortgesetzt: Der Prozess vor dem Hamburger Oberlandesgericht gegen den Molekular-Biologen Werner Franke wegen angeblicher Falschaussage des Wissenschaftlers ist weiter anhängig, ebenso ein Verfahren gegen Ullrichs früheren Team- Manager Günther Dahms, der mit Verweis auf dessen Doping-Praxis laut Spiegel eingefordertes Gehalt nicht zahlen will. Von der Staatsanwaltschaft Freiburg, die wegen der Machenschaften der Sportmedizinischen Abteilung der Uni-Klinik Freiburg ermittelt, droht Ullrich weiteres Ungemach. In seiner Schweizer Wahlheimat könnte zudem von "Swiss Cycling" die lebenslange Sperre für radsportliche Betätigungen ausgesprochen werden.

Die ermittelnde Bonner Behörde hat nach eigener Darstellung einen Zahlungsverkehr zwischen Ullrich und dem Doping-Netzwerker Eufemiano Fuentes in Höhe von 25.000 Euro mit Bank-Unterlagen belegt und per DNA-Abgleich nachgewiesen, dass 4,5 Liter bei Fuentes' gelagertes Blut Ullrich zuzuschreiben sind. Manipulierte Patientenakten der Sportmedizin Freiburg legen nach anderen Ermittler-Angaben nahe, dass Ullrich auch bei den bis zu ihrer Kündigung in der Uni-Klinik arbeitenden ehemaligen Teamärzten Lothar Heinrich und Andreas Schmid Eigenblut-Doping vorgenommen hat.

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