Radsport:Duell vor dem Start

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Die Tour de France lässt es auf einen Machtkampf mit dem verdächtigten Team Astana-Würth ankommen - der deutsche Astana-Profi Jörg Jaksche ist nun ebenfalls unter Doping-Verdacht.

Andreas Burkert

Jörg Jaksche müsse derzeit das Bett hüten und Antibiotika einnehmen, verbreiten an diesem Donnerstag einige Quellen über den deutschen Radprofi vom Rennstall Astana-Würth.

Jaksche indes wusste davon nichts, als er mittags um eins munter in Straßburg eintraf, wo am Samstag die 93. Tour de France beginnt. Auch von seiner zu diesem Zeitpunkt bereits vermeldeten Streichung aus dem Tourkader der spanischen Sportgruppe, die seit der Razzia von Madrid Ende Mai des systematischen Dopings verdächtigt wird, war Jaksche noch nichts bekannt.

"Ob ich starte, sehen wir dann nach dem Training", sagte der Ansbacher Ärztesohn mit einem Hinweis auf "eine Magen-Bakterien-Geschichte aus der letzten Woche". Mit den schweren Vorwürfen gegen sein Team, die inzwischen auch ihn betreffen, hätten die Überlegungen aber bestimmt nichts zu tun.

"Wenn ich einen Zusammenhang zu dieser Sache sehen würde, dann würde ich bestimmt fahren", äußerte Jaksche etwas diffus. Donnerstag werde nun endgültig entschieden, sagte er später; gegebenenfalls werde er sich "das Recht auf meine Gesundheit nehmen".

Jan Ullrich beauftragt Anwälte

Bekanntermaßen gehen wenige Radprofis so verantwortungsbewusst mit ihrem Körper um, wie dies Jaksche nun vorgibt, und mit den Zweifeln an seiner Version wird der Franke leben müssen.

Längst läuft hinter den Tourkulissen ein heftiges Ringen um die Starterlaubnis für Astana-Würth, das - vorige Woche vom Weltverband UCI bedenkenlos lizensierte - Nachfolgeteam von Liberty Seguros; dessen Teammanager Manolo Saiz gilt als Kernfigur des organisierten Betrugs.

Die Veranstalter haben das spanische Team deshalb für unerwünscht erklärt, worauf die Equipe den Internationalen Gerichtshof einschaltete; dessen Entscheidung soll spätestens am Freitag fallen. Dass Jaksche womöglich seiner persönlichen Ausladung zuvorkäme und/oder ihn sein Team als Zugeständnis an die Veranstalter streicht, wäre beinahe anzunehmen.

Denn der Name des Tour-16. von 2005 soll sich schließlich in Dokumenten befinden, welche die Guardia Civil im Zuge der spektakulären Operatión Puerto in Madrider Appartements und Labors gefunden hat.

Im Umfeld der dringend verdächtigten Ärzte Fuentes und Marino Batres waren rund 200 Blutkonserven und ein umfangreiches Arsenal an Dopingmitteln sichergestellt worden. Blutbeutel, mutmaßlich zwischengelagert für den Betrugsstil des Blutdopings, trugen Codes, und auf einem Dokument fand sich offenbar der Deckname Bella (Jorg).

Dessen tatsächlicher Namensgeber müsste nach Ansicht der Behörden Jaksche sein, der im fünften Jahr für ein Saiz-Team fährt (früher Once) und dessen Leader Roberto Heras wegen Epo-Dopings für zwei Jahre gesperrt ist.

Jaksche dementierte am Mittwoch abermals seine Verbindung zu Fuentes, der früher Once offiziell betreute und dem nun eine Haftstrafe droht. "Ich war da nie", sagte er der SZ, "ich habe damit nichts zu tun."

Den Satz hat man dieser Tage schon sehr oft gehört, auch von Jan Ullrich, dessen angebliche Kundschaft bei den Madrider Hexenmeistern zwischenzeitlich seinen Tourstart unsicher erscheinen ließ.

Angesichts der Wucht der Vorwürfe, die laut der seriösen Tageszeitung El Pais ihn und seinen Betreuer Rudy Pevenage betreffen sollen, hatte der T-Mobile-Kapitän eine Offensive gegen die Vorwürfe angekündigt.

Nach seiner Ankunft im Mannschaftshotel in Blaesheim beteuerte er am Mittwoch noch einmal seine Unschuld. "Ich habe mit den Spekulationen einer spanischen Tageszeitung nichts zu tun", sagte Ullrich, weshalb er die Angelegenheit Juristen übergeben habe.

Einen DNA-Test zu erbringen, der beweisen könnte, dass die ihm von der Zeitung zugeschriebenen Blutbeutel aus der Madrider Praxis nicht von ihm stammen, schloss er nicht aus: "Darüber werde ich mit meinem Anwalt sprechen - wenn, dann frühestens nach der Tour."

Rechtsanwälte werden womöglich auch im Duell der Tour de France mit Astana-Würth schlichten müssen. Nach den UCI-Regeln steht dem Team der Start zu, doch die Macher der Frankreich-Rundfahrt sind inzwischen regelrecht angewidert vom Zustand des Metiers.

Dass sie die Mannschaft nicht haben wollen bei ihrem heiligen Fest, erfuhr Astana-Würth gestern auch aus dem Zeitplan der Eröffnungsfeier in Straßburg. Die findet an diesem Donnerstag statt, doch die Präsentation des umstrittenen Kandidaten ist dort nicht vorgesehen.

Auch für die obligatorische medizinische Untersuchung hat man keinen Termin bekommen, was Spötter als Erleichterung für das Team bezeichnen werden. Ob Ullrich am Wochenende seinen Freund und Konkurrenten Alexander Winokurow im Astana-Trikot begrüßen kann, ist zweifelhaft. Auch Jaksche würde eigentlich gern am 23. Juli Paris erreichen. Er feiert dann seinen 30. Geburtstag.

© SZ vom 29.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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