Radsport:Die Teams wollen Ullrich und Basso boykottieren

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Wie es nun weiter geht mit den suspendierten oder gar arbeitslosen Helden wie Jan Ullrich und Ivan Basso, die neben den Drahtziehern des Dopingnetzwerkes um den Arzt Fuentes im Zentrum der spanischen Ermittlungen stehen, ist allerdings weiterhin ungewiss.

Andreas Burkert

Während der deutsche Ver-bandschef Rudolf Scharping in seinem Rücken mit einem Kellner kollidierte und ein wenig Glas zu Bruch ging, setzte Hans-Michael Holczer seine eifrige Rede einfach fort. Beim Empfang des BDR und der Stadt Stuttgart als Gastgeber der Straßenrad-WM 2007 interessierte sich der Schwabe Holczer auch herzlich wenig für das Büffett mit Maultaschen und Sauerkraut. Der Teammanager des Gerolsteiner-Rennstalls redete im Salzburger Congress-Saal immerzu auf Alain Rumpf ein, der beim Weltverband UCI die ProTour koordiniert. Der Schweizer nickte, auf seiner Stirn sammlete sich Schweiß.

Persona non grata: Jan Ullrich. (Foto: Foto: dpa)

Die wenigsten Gespräche drehen sich am Rande der Salzburger WM um die Rennen. Sondern um Zukunft und Glaubwürdigkeit jenes Sports, der nach der Dopingrazzia von Madrid und der Positivprobe von Toursieger Floyd Landis ein schlechteres Image besitzt als Ladendiebe. ,,Desaströs'' sei der Zustand, sagt Holczer, und sein belgischer Kollege Patrick Lefevère (Quick Step) geht sogar in die Knie, um die Situation zu verdeutlich. ,,Ich fühle mich wie ein Boxer, der da unten liegt und angezählt wird'', sagt der Chef der Team-Vereinigung AGCP.

Wie es nun weiter geht mit den suspendierten oder gar arbeitslosen Helden wie Jan Ullrich und Ivan Basso, die neben den Drahtziehern des Dopingnetzwerkes um den Arzt Fuentes im Zentrum der spanischen Ermittlungen stehen, ist allerdings weiterhin ungewiss. Erdrückend ist zwar die Beweislast gerade gegen den Deutschen, und der Schweizer Verband ist fest entschlossen, ihn in einem Indizienprozess zu verurteilen. Doch noch fehlen die beglaubigten Dokumente der Guardia Civil. Ewiges Warten auf einen Stempel, ,,ich muss ein ernstes Wort mit der UCi reden", sagt Lorenz Schäfli, Geschäftsführer von Swiss Cycling.

Von den meisten Verbänden und der Justiz indes sind keine raschen Schuldsprüche zu erwarten, wenn überhaupt. Der spanische Verband etwa hat in Salzburg wissen lassen, gegen seinen ProTour-Leader Alejandro Valverde liege nichts vor im Zusammenhang mit der Affäre. Wie jedoch Valverdes Name auf die Fuentes-Listen gekommen ist (SZ vom 16.9.), stand nicht in der Erklärung. Ullrich hat derweil einen Anwaltsstab engagiert, anstatt mit einer DNA-Probe seine angebliche Unschuld zu beweisen. ,,Wenn hier ein Kind tot gefunden wird und mich verdächtigen sie, weil ich fünf Tage in dem Hotel war"'', sagt Holczer im WM-Quartier in Wals - ,,dann würde ich doch sofort den Test machen.''

Die zähen Schattengefechte ermöglichen immerhin Gerüchte, Ullrich und auch Basso verhandelten bereits mit Teams. Der italienische Giro-Sieger von CSC dürfte nächsten Freitag vor seinem bekanntermaßen laxen Nationalverband un-behelligt davon kommen nach der letzten Anhörung. ,,Mal sehen, das ist delikat'', sagt dazu Francesco Moser und grinst. Der frühere Weltmeister ist Chef der Fahrergewerkschaft und plädiert regelmäßig für die Dopingfreigabe. Bassos Manager hieß zumindest vor wenigen Jahren noch Ansano Cecchini, er ist Anwalt - und Sohn des umstrittenen Mediziners Luigi Cecchini. Seine Sozietät vertritt gerne und erfolgreich italienische Dopingverdächtige. Man kennt sich.

Wenn jedoch der Schwur der Mannschaften hält, können Ullrich und Basso 2007 trotz aller Winkelzüge nicht starten. ,,Und das darf auch nicht sein'', sagt Holczer. Im August einigten sie sich darauf, verdächtigte Fahrer bis Saisonende nicht einzusetzen. Freitagabend stand die nächste Runde an, denn der Ethik-Code soll auch 2007 gelten wie auch ein neuer Maßnahmenktalog. ,,Wir dürfen jedoch nicht blauäugig sein'', sagt Holczer, ,,die Gefahr ist da, dass der Code doch nicht hält.'' Auch T-Mobile-Sprecher Christian Frommert ist ,,momentan nicht vollständig davon überzeugt. Wichtig wäre, dass die Teamchefs und die UCI ihre klare Linie weiter verfolgen.'' UCI-Chef McQuaid gilt zwar als Strohmann seines zwielichtigen Vorgängers Hein Verbruggen, der immer noch als Vize die Fäden zieht. Aber er emanzipiert sich offenbar gerade, das bescheinigen ihm viele. Der SZ sagte er zu Ullrich und Basso: ,,Sie können 2007 nicht starten, nicht bei diesem Faktenstand. Jemand wie Ullrich muss komplett frei sein von Zweifeln.''

Holczer würde übrigens mit seinem Team nicht an einer Tour mit Ullrich und Basso teilnehmen: ,,Das kann ich mir schwer vorstellen.'' Und wäre demnächst wieder alles wie bisher, würde er 2008 sogar ganz aufhören. Würde T-Mobile gegen Ullrich fahren? ,,Wenn sich die Frage stellen sollte'', sagt Frommert, ,,dann kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.'' Denn sonst wäre mehr als ein Glas zerstört.

© SZ vom 23.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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