Radprofi Lance Armstrong:Ein PR-Coup fürs Ego

Lesezeit: 3 min

Während der Radsport über Lance Armstrongs Comeback rätselt und der Amerikaner schon ein Rennen gewinnt, tauchen neue Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Texaners auf.

Andreas Burkert

Das Skigebiet Snowmass befindet sich in Colorado, in der Nähe von Aspen. Dort hat sich Lance Armstrong ein Haus zulegt. Insofern wird er seinen Erfolg als Heimsieg empfunden, denn in Snowmann Village gewann der 36-jährige Texaner am Sonntag mit seinen Kollegen Max Taam und Len Zanni ein Mountainbike-Benefizrennen. Geehrt wurde hinterher das Team "Livestrong"; so heißt auch Armstrongs Krebsstiftung, die inzwischen mehrere hundert Millionen Dollar für eine gute Sache gesammelt haben soll. Entscheidend sei derzeit für ihn ohnehin, "über diese globale Krebs-Epedemie zu reden und sie auf eine größere Bühne zu stellen", sagte Armstrong nach dem Wettbewerb. Er klang wie ein engagierter Politiker.

Trainiert schon wieder für sein Comeback: Lance Armstrong. (Foto: Foto: AP)

Knapp eine Woche nach der Comeback-Ankündigung des siebenmaligen Toursiegers rätselt die Radsport-Welt weiter über die Beweggründe seiner beabsichtigten Rückkehr und deren Details. Am Wochenende hatte sich zwar der Astana-Rennstall, wo sein langjähriger Gefährte bei US Postal (später Discovery Channel), Johan Bruyneel, die Strippen zieht, zuversichtlich zur erneuten Zusammenarbeit geäußert. In Snowmass schlossen die Beobachter jedoch aus Armstrongs Einlassungen, er könnte auch 2009 ausschließlich für ein Team namens Livestrong fahren. Es würde Siege dann für den Kampf gegen Krebs einfahren. Und auch für einen größeren Plan.

Politische Ambitionen?

Denn amerikanische Quellen halten für denkbar, dass Armstrong mit seinem veritablen PR-Coup nicht wirklich einen weiteren Erfolg bei der Frankreich-Rundfahrt im Sinn habe. Die ganze Aufregung diene Armstrongs Ego - und seinem angeblichen politischen Ambitionen. Hatte er nicht vergangene Woche zur einer Kandidatur als Gouverneur in Texas geantwortet: "So etwas könnte möglich sein, vielleicht 2014"?

Dem Radsport würde er wohl einen letzten Gefallen tun, würde sich Armstrong nicht der Tour zuwenden und stattdessen seiner Stiftungs-Mission bei nicht ganz so bedeutenden Rennen, in Amerika oder Australien. "Man kann ihm die Rückkehr nicht verbieten, aber wenn er das will, gäbe es schon Fragen, die man stellen kann", sagt Milram-Teamchef Gerry van Gerwen: "Ist das gut für ihn, und ist das wirklich gut für den Radsport?"Der Holländer möchte noch glauben, "dass das eher eine PR-Sache für seine Stiftung ist und er in ein paar Wochen sagt: Habe es mir anders überlegt". Auch Columbias Manager Bob Stapleton hat sich bisher als einer der wenigen aus dem Peloton öffentlich kritisch geäußert: "Wenn es nur darum geht, wieder zum Erfolg zurückzukehren, wäre das enttäuschend für mich."

Armstrongs Ego spielt zweifelsohne die größte Rolle. Er steht ja wieder um 5 Uhr 30 in der Früh auf und joggt, fährt oder stemmt Gewichte. Andererseits hat Armstrong jetzt in Snowmass betont, es sei "ein Fehler gewesen zu sagen, ich kehrte zurück wegen eines achten Tour-Sieges - denn das brauche ich nicht". Was der Radsport braucht und was ihm gut täte, Glaubwürdigkeit oder ähnliche Dinge, darüber hat der als Single lebende Vater dreier schulpflichtiger Kinder erneut nicht gesprochen.

Neue Nachforschungen

Dafür haben andere seine ohnehin durch Indizien, Belege und Aussagen stark beschädigte Glaubwürdigkeit weiter in Zweifel gezogen: So hat der US-Experte Edward F. Coyle einräumen müssen, bei früheren Berechnungen zu Armstrongs physischer Wandlung nach überstandener Krebserkrankung fehlerhaft gearbeitet zu haben. Coyle hatte in seinem Institut in Armstrongs Heimatstadt Austin dessen Leistungswerte von 1993 bis zu seinem Comeback 1999 gesammelt und analysiert.

Im Prozess von Armstrong gegen die Versicherung SCA Promotions, die ihm wegen konkreter Dopingvorwürfe die Fünf-Millionen-Dollar-Prämie für seinen sechsten Toursieg vorenthalten wollte, diente Coyles Dossier Armstrongs - letztlich erfolgreicher - Verteidigung. Coyle hatte angeblich errechnet, Armstrongs Wandel vom keineswegs überirdischen Eintages-Fahrer - als der er bis zu seiner Erkrankung galt - zum unantastbaren Tour-Champion sei Ergebnis von Gewichtsreduzierung und langfristig erhöhter Muskeleffektivität.

Drei australische Wissenschaftler veröffentlichten jetzt aber im Journal of Applied Physiology das Ergebnis ihrer Nachforschungen - und wiesen elementare Berechnungsfehler Coyles nach, die dieser in E-Mails auch zugab. Howie Green, ein unabhängiger Uniprofessor aus Ontario, resümierte: "Die Beweisführung (Coyles), dass sich Armstrongs mechanische Effektivität verändert hat, ist nicht zwingend." Armstrongs physische Basis habe sich auch nach seiner Heilung nicht verändert.

© SZ vom 16.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: