Querpass:Früh spüren, ob es gut wird

Lesezeit: 3 min

Der ehemalige Bundestrainer Skibbe erzählt, wie das Eröffnungsspiel bei der letzten Weltmeisterschaft war: Ein gutes Eröffnungsspiel nimmt Druck und gibt Selbstvertrauen.

Michael Skibbe

Ich habe heute noch die ersten Zweikämpfe bei unserem Auftaktspiel der Weltmeisterschaft 2002 vor Augen. Damals hat etwa Thomas Linke gleich zu Beginn das erste Tackling gegen einen Stürmer von Saudi-Arabien mit solcher Entschlossenheit gewonnen, dass von vornherein zu erkennen war, was da im Spiel noch abgehen würde.

Michael Skibbe, 40, ist Cheftrainer von Bayer Leverkusen. Zwischen 2000 und 2004 war er Bundestrainer an der Seite von Teamchef Rudi Völler. (Foto: Foto: AP)

Jeder Trainer kennt das Gefühl, wenn er schon nach den ersten Aktionen weiß: Das wird heute nichts. Oder man hat Spiele, wo man früh spürt, dass es richtig gut wird. Und beim Spiel gegen die Saudis in Sapporo hat die Mannschaft mit Anpfiff begonnen zu fliegen.

In der Vorbereitung auf die erste Partie bei einem großen Turnier bemühen sich alle Trainer darum, den körperlichen Zustand ihrer Spieler auf den Punkt optimal vorzubereiten. Uns ging es 2002 darum, ihnen zum Anstoß das Gefühl zu vermitteln: Ja, ich bin topfit!

Von der erste Sekunde an brennen

Vorher haben wir ihnen immer wieder gesagt, dass Training nur Training ist und Vorbereitungsspiele nur Vorbereitungsspiele sind, aber sie beim ersten Spiel von der ersten Sekunde an brennen müssen. Und das ist uns ganz gut gelungen.

Außerdem war uns die taktische Ausrichtung aufs erste Spiel sehr wichtig. Wir haben uns bewusst nicht damit beschäftigt, was im zweiten Spiel gegen Irland und später dann gegen Kamerun kommen würde. Die Vorbereitung war ganz auf Saudi-Arabien ausgerichtet.

Rudi Völler und ich sind vor der WM mehrfach in Saudi-Arabien gewesen, um uns dort Spiele anzuschauen. Wir haben überdies sogar Trainingseinheiten von denen beobachten lassen, um ausreichend vorbereitet zu sein. Bei den Iren und selbst den Kamerunern haben wir das nicht gemacht, weil wir die Spieler zumeist aus Europa kannten. Bei den Saudis mussten wir das Wissen, was man auf jeden Fall braucht, erst einmal erarbeiten.

Das hat dazu geführt, dass wir nach der Ankunft in Japan unser Training in der Woche vor dem Spiel speziell auf die Saudis abstimmen konnten. Im Mittelpunkt standen Pressingübungen, das Verschieben zur Ballseite und ein sehr offensiver Spielansatz im Training.

Dass wir dann während des 8:0-Sieges gegen Saudi-Arabien nicht zurückgeschaltet haben, hatte jedoch nicht nur mit dieser taktischen Vorbereitung zu tun. Es ging dabei auch um unseren Vorsatz, dass wir allen zeigen wollten, dass wir stark sind - und das nicht nur eine halbe Stunde lang oder bis zum 2:0.

Wir wollten beweisen, dass wir zu denen gehören, die bei der Weltmeisterschaft mal ein paar Spiele gewinnen können. Deshalb haben wir der Mannschaft vorher gesagt und haben in der Halbzeitpause noch einmal daran erinnert, dass wir kein Nachlassen wollen.

Keine Initialzündung

Ein gewonnenes erstes Spiel ist nämlich wahnsinnig wichtig für ein Turnier, weil es den Grad von Selbstvertrauen bringt, den man für die folgenden Tage braucht. Außerdem hilft ein Sieg bei nur drei Spielen in der Vorrunde, um anschließend mit weniger Druck agieren zu können. Bei der Europameisterschaft 2004 konnte wir genau den gegenteiligen Effekt beobachten.

Selbst ein knapper Sieg gegen Holland hätte für eine Initialzündung gesorgt, doch das 1:1-Unentschieden hat uns trotz guter Leistung nicht geholfen. Hätten wir damals wenigstens bis zur 83. Minute zurückgelegen und dann noch ausgeglichen, wäre es vielleicht noch ein kleiner Erfolg gewesen. Weil es umgekehrt kam, blieb vor allem Enttäuschung und gleich im nächsten Spiel gegen Lettland standen wir dann schon enorm unter Druck, gewinnen zu müssen. Und diesen Druck kann man nur noch schwer von der Mannschaft wegnehmen.

Gegen Saudi-Arabien ging es damals auch darum, noch den vierten Punkt zu machen: den fürs Torverhältnis. Letztlich hat es uns das letzte Spiel gegen Kamerun erleichtert, wo wir auch mit einem Remis weitergekommen wären.

Anders als bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal, wo sich die Konstellation so zugespitzt hatte, dass wir im letzten Spiel gegen Tschechien gewinnen mussten, was uns bekanntlich nicht gelang. Aber bei der Weltmeisterschaft kann man eine Punktlandung eher schaffen, wenn man einen Exoten in der Gruppe hat.

Erwischt man ihn auch noch zum Auftakt, wie wir 2002 oder die deutsche Mannschaft mit Costa Rica 2006, kann man gleich viel Boden gut machen.

© SZ vom 8.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: