Quarterback Carson Palmer:Endlich golden

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Carson Palmer galt als Talent, dann wollte er seine Karriere beenden. Mit 36 hat er nun die Chance auf die Super Bowl.

Von Andreas Overath

Carson Palmer hat, das ist für diese Geschichte wichtig zu wissen, im Juli 2011 seine Karriere als Footballspieler beendet. Er wollte nie wieder für die Cincinnati Bengals auflaufen. Die jedoch wollten ihn keinesfalls zu einem anderen Verein schicken - also erklärte der einstige goldene Arm, so wurde er als Student an der University of Southern California (USC) bezeichnet, seinen Rücktritt vom Profisport. Eben dieser Carson Palmer wird nun am Sonntag für die Arizona Cardinals auf dem Feld stehen, gegen die Carolina Panthers geht es um den Einzug ins Endspiel der Profiliga NFL, der Super Bowl wird am 7. Februar in Santa Clara ausgetragen.

Es ist eine Geschichte, wie sie die Amerikaner lieben: die eines talentierten Jungen, der immer wieder Rückschläge hinnehmen musste, aufgrund seiner jugendlichen Arroganz auch mal gewaltig auf die Fresse gefallen ist und von vielen abgeschrieben wurde. Der jedoch wieder aufstand, geläutert zurückkehrte und allen Widrigkeiten zum Trotz weiter an sich arbeitete - und der als gestandener Mann endlich ein großes Ziel erreichen kann.

Bereits in der High School galt Palmer als Phänomen, da er als Teenager Privatstunden vom damaligen Quarterback-Guru Bob Johnson erhielt. Sämtliche Colleges wollten ihn mit einem Stipendium ausstatten. Er entschied sich für USC, wo Trainer Pete Carroll eine Hollywood-Atmosphäre kreiert hatte: Zum Training kamen etwa regelmäßig die Rapper Snoop Dogg und Dr Dre oder die Schauspieler Alyssa Milano und Jake Gyllenhaal. Palmer war der Star des Teams, der goldene Arm, der andere College-Teams derart konstant in Grund und Boden warf, dass die Uni am Ende seiner vier Jahre erklärte, das Trikot mit seiner Nummer nie wieder zu vergeben.

Palmer wurde als erster Spieler seines Jahrgangs in die NFL gedraftet

Er gewann im Jahr 2002 die Heisman Trophy als bester Spieler des Jahres, natürlich wurde er als erster Spieler seines Jahrgangs gewählt, von den Cincinnati Bengals. Aufgrund seiner Effektivität, seiner Abgezocktheit im Angesicht anstürmender Verteidiger und nicht zuletzt auch wegen seines gelassenen Umgangs mit Rummel und Ablenkungen galt er als kommender Star in der NFL. Er saß eine Saison lang auf der Bank, damals durchaus üblich für junge Spielmacher. In seiner ersten Spielzeit als Stammspieler lernte er die Unterschiede zwischen College-Football und Profisport kennen.

2005 trat dann das ein, was sich alle von ihm erwartet hatten: Er brachte mehr Bälle zu den Mitspielern als jeder andere NFL-Quarterback, warf die meisten Touchdown-Pässe und führte seinen Verein zum ersten Mal seit 15 Jahren in die Playoffs. Er wurde deshalb von den Bengals mit absurd viel Geld (118,75 Milllionen Dollar für neun Jahre) belohnt, was sich rückblickend jedoch als ein für beide Seiten nicht gerade lohnenswertes Geschäft herausstellte. Palmer war zunächst schwer verletzt, er gab ein paar unkluge Interviews - vor allem aber blieben die Bengals ähnlich erfolglos, wie sie es vor der Ankunft Palmers gewesen waren.

Als Palmer im Jahr 2010 verkündete, die Bengals verlassen zu wollen, ließ ihn Klubbesitzer Mike Brown kurzerhand auf die Tribüne verbannen und verweigerte ein Tauschgeschäft: "Er hat einen Vertrag unterschrieben und sein Wort gegeben, darauf haben wir uns verlassen. Er will nun vor seinen Verpflichtungen flüchten. Das werden wir nicht unterstützen." Also beendete Palmer seine Karriere, er saß ein paar Monate lang auf der Couch - bis die Oakland Raiders aufgrund der Verletzung ihres Stamm-Spielmachers Jason Campbell den Bengals ein Angebot machten, dass die nicht ablehnen konnten.

Hollywood-Quarterback wirbt inzwischen als braver Familienvater

Doch auch bei den Raiders wurde Palmer nie glücklich, aus dem goldenen Arm war ein hölzerner geworden. Von 23 Spielen mit Palmer als Quarterback verloren die Raiders 15, er wurde 2013 abgeschoben zu den Arizona Cardinals und deren Offensivlinie, die nach Einschätzung von Beobachtern so durchlässig war, dass heranstürmende Verteidiger die Karriere des ohnehin verletzungsanfälligen Quarterbacks nun endgültig beenden würden. Es klang nach dem letzten traurigen Akt in Palmers Karriere, für seinen Arm gab es schon keinen Spitznamen mehr.

Nach einer ordentlichen Saison 2014 und einer erneuten Verletzung im vergangenen Jahr klappte es in dieser Saison jedoch wieder - und viel davon liegt, neben der Gesundheit, an Trainer Bruce Arians. Der lässt ihm jene Freiheiten, die ihm auch Carroll an der USC gestattete, er darf bei vielen Spielzügen selbst entscheiden und zahlreiche lange Bälle werfen - gerne auf Passempfänger Larry Fitzgerald, der die Pässe seines Spielmachers beinahe magisch anzuziehen scheint. Plötzlich scheint der Arm wieder golden zu leuchten, er gilt neben Cam Newton (seinem Gegenüber am Sonntag) als aussichtsreichster Kandidat bei der Wahl zum wertvollsten Spieler dieser Saison.

Palmer ist nun 36 Jahre alt, seine Karriere dürfte nicht mehr allzu lange dauern. Er selbst sagt, er habe aus den vielen kniffligen Situationen in seiner Karriere gelernt und sei daran gewachsen. "Man entwickelt eine Perspektive." Diese Perspektive ist derzeit auch in einem Werbespot zu sehen, der im amerikanischen Fernsehen läuft. Carson Palmer, der einstige Hollywood-Quarterback, präsentiert sich in einem Filmchen über Männerpflege als braver Familienvater, auch seine Frau und seine drei Kinder sind zu sehen.

Seine Frau habe geweint, sagte Palmer, als sie den Spot zum ersten Mal gesehen habe. "Sie hat sich so darüber gefreut, nun etwas zu haben, das uns auch noch in zehn Jahren an diesen Teil unseres Lebens erinnern wird." Shaelyn Palmer ist offensichtlich eine sentimentale Frau. Es ist nicht abzusehen, wie sie reagieren wird, wenn ihr Mann tatsächlich zum ersten Mal das Finale der NFL erreicht. Also dieser Mann, der in seiner Profikarriere bislang ziemlich erfolglos war und seine Laufbahn eigentlich vor vier Jahren beendet hat.

© SZ vom 24.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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