Qualifikation in Budapest:Beim Go-Kart-Fahren "aufgefressen"

Lesezeit: 3 min

Lewis Hamilton startet in Ungarn - wieder mal - von der Pole Position. Für seinen internen Rivalen Nico Rosberg war die Quali eine Demütigung, er hat "keine Erklärung".

Von Elmar Brümmer, Budapest/München

Lewis Hamilton klopft sich einmal dorthin, wo unter seinem feuerfesten Rennanzug neuerdings ein riesiger Löwenkopf auf die Brust tätowiert ist, sozusagen als Wappentier für sein Unternehmen Titelverteidigung in der zweiten Saisonhälfte der Formel 1. Beim Großen Preis von Ungarn, der das Attribut überholfeindlich trägt, steht Lew, der Löwe, auf der Pole-Position. Zum neunten Mal im zehnten Rennen, das nennt man wohl einen Dauerparkausweis.

Das Resultat ist auch eine Demütigung für seinen härtesten Verfolger. Wie meistens steht Nico Rosberg im zweiten Silberpfeil neben Hamilton, geschlagen um 0,575 Sekunden - dabei war dem Briten auf der schnellsten Runde noch ein kleiner Fehler unterlaufen. "Das ist ein Lichtjahr auf dieser Strecke", sagt Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda. "Ich habe keine Erklärung, eigentlich lief alles normal, aber ich habe die Geschwindigkeit nicht gefunden", klagte Rosberg und kündigt seinen Mechanikern eine Nachtschicht an, um eine bessere Fahrzeugeinstellung zu finden. Nach Siegen steht es in der internen Silberpfeilwertung fünf zu drei für seinen Gegner.

"Das wird Nico die Nacht hindurch beschäftigen"

Lewis Hamilton hat wieder den richtigen Drive, vor der Sommerpause will er seine WM-Führung von derzeit 17 Punkten noch einmal ausbauen. Ein Mann in seiner eigenen Liga, weshalb ihm das Understatement diesmal leicht fällt: "Ich habe Zuversicht in mein Auto und in mein Team." Aber er will noch schnell ein paar psychologische Sticheleien loswerden. Dem deutschen Kollegen, der zum dritten Mal in Folge mit technischen Problemen zu kämpfen hat, gestand Hamilton nicht mal die geäußerten Schwierigkeiten mit der Bremse zu: "Ich kenne die Daten, die Sorgen haben wir schon ein Weilchen nicht mehr."

1 / 6
(Foto: Getty Images)

Der Löwe: Lewis Hamilton startet beim Großen Preis von Ungarn auf der Pole-Position, Teamkollege Nico Rosberg auf der Zwei.

2 / 6
(Foto: AFP)

Klare Verhältnisse: Hamilton (vorne) und Rosberg auf dem Hungaroring bei Budapest.

3 / 6
(Foto: imago)

Hamilton nimmt den Hungaroring, auf dem die Formel 1 seit 30 Jahren gastiert, als Sommerfrische: "Es fühlt sich ein bisschen an wie Go-Kart-Fahren."

4 / 6
(Foto: dpa)

Sebastian Vettel hat seinen Ferrari immerhin in die dritte Position bringen können: "Das war das Maximum, ich bin glücklich darüber."

5 / 6
(Foto: Getty Images)

Kimi Raikkonen - hier mit seiner Freundin Minttu Virtanen - startet in der dritten Reihe.

6 / 6
(Foto: Getty)

Es herrscht harte Konkurrenz: Der Finne Raikkonen hat schon seinen Landsmann Valtteri Bottas im Nacken.

Es war eine Demonstration der Stärke Hamiltons - und eine Demütigung für Rosberg. "Nico Rosberg hat in den bisherigen Tagen hier in Ungarn keinen glücklichen Eindruck hinterlassen. Er fühlt sich weder mit dem Auto noch auf der Strecke wohl. Lewis Hamilton hat das heute erkannt und hat ihn aufgefressen", sagte der frühere Weltmeister Jacques Villeneuve bei Sky. "Lewis wollte Nico beim Qualifying nicht nur schlagen, sondern ihn vernichten. Das hat man auch über Funk gehört, wie Lewis extra nachgefragt hat, um wie viel er Nico geschlagen hat. Das war psychologisch für Lewis enorm wichtig. Das wird Nico die Nacht hindurch beschäftigen."

Entscheidend für den Ausgang des Halbzeit-Grand-Prix am Sonntag wird der Start sein, die letztmals automatisch durchgeführte Prozedur gehört zu den wenigen Schwachpunkten bei den Mercedes-Piloten. Hamilton nimmt den Hungaroring, auf dem die Formel 1 seit 30 Jahren gastiert, als Sommerfrische: "Es fühlt sich ein bisschen an wie Go-Kart-Fahren." Viermal bereits hat der Brite in Budapest gewonnen, mit einem fünften Erfolg wäre er Rekordsieger. Die Piste, auf der Formel-1-Boss Bernie Ecclestone den Kapitalistensport in den damaligen Ostblock brachte, soll großzügig umgebaut werden, wenn es zu einer Vertragsverlängerung bis 2026 kommt.

Vettel startet als Dritter und spekuliert auf heißen Asphalt

Sebastian Vettel hat seinen Ferrari immerhin in die dritte Position bringen können: "Das war das Maximum, ich bin glücklich darüber." Der Heppenheimer und die Scuderia spekulieren wie viele andere darauf, dass es bei den heißen Asphalttemperaturen bleiben wird. Dann könnte die Mercedes-Motorenkraft durch eine bessere Reifenwahl oder -strategie egalisiert werden. "Ferrari tun die heißen Asphalt-Temperaturen gut. Im Rennen wird es wieder heiß, wir müssen da schon vorsichtig sein", ahnt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Der große Poker bei allen Strategen: Zwei oder drei Boxenstopps? Vettel, dem im Qualifying 0,7 Sekunden auf die Bestzeit fehlten, gibt sich angriffslustig: "Hier passiert immer viel." Ungewöhnlich dicht auf den Fersen war ihm sein ehemaliger Red-Bull-Teamkollege Daniel Ricciardo auf Rang vier. Kimi Räikkönen und Valterri Bottas, die beiden Gegner um einen Sitz bei Ferrari im nächsten Jahr, teilen sich die dritte Startreihe - für beide sind diese Resultate nur eine Schadensbegrenzung.

In dieser Hinsicht nix zu machen ist bei McLaren-Honda, der Wanderbaustelle der ersten Formel-1-Hälfte. Der britische Ex-Weltmeister Jenson Button musste bereits im ersten Abschnitt die Segel streichen. Der Spanier Fernando Alonso, der seinen Frust nicht öffentlich eingestehen will, begann sein havariertes Auto eigenhändig in Richtung Boxengasse zu schieben. McLaren-Boss Ron Dennis, der bei derartigen Rückschlägen körperlich leidet, nimmt an positiven Nachrichten gerade, was er kriegt: "Bei Fernando fehlt es absolut nicht an Enthusiasmus oder Kampfgeist, auch wenn es eine ziemlich schwierige Saison für uns ist", lobte der Big Mc mit Blick auf den körperlichen Einsatz seines Chauffeurs.

© SZ vom 26.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: