Posse um Herthas Schuldenstand:Rekord oder nicht?

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Finanzchef Ingo Schiller hatte es vor den Mitgliedern versäumt, die Summe der Verbindlichkeiten Herthas zum Stichtag 30.06.2006 konkret zu benennen.

Javier Caceres

Eine missratene Informationspolitik hat Ingo Schiller, den Geschäftsführer Finanzen des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Berlin, in Bedrängnis gebracht. Am Tage nach der Mitgliederversammlung im Internationalen Congress-Centrum (ICC) von Berlin versuchte der Vorsitzende des Aufsichtsrates Herthas, Werner Gegenbauer, in einem eilends einberufenen Pressegespräch dem Eindruck entgegenzuwirken, der Verein habe versucht, ,,etwas hinterm Berg zu halten''.

Der frühere Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlins räumte allerdings im Beisein Schillers gravierende Mängel in der Darstellung der Finanzsituation Herthas ein: Er sprach sogar von ,,eigener Blödheit in der Darstellung''. Schiller, der am Vorabend mit der Vorstellung der Finanzsituation vor den Mitgliedern betraut war, schwieg dazu - und schaute betreten.

Schiller hatte es vor den Mitgliedern versäumt, die Summe der Verbindlichkeiten Herthas zum Stichtag 30.06.2006 konkret zu benennen. Sie belief sich nach Darstellung des Klubs auf 55,4 Millionen Euro und lag damit oberhalb des Ziels, das man sich bei der Planung des mittelfristigen Abbaus der Schulden bis zum Juni 2006 gesteckt hatte.

Rekordverbindlichkeiten?

Verschwiegen hat Schiller das korrekte Minus insofern nicht, als a) die Gewinn- und Verlustrechnung des Geschäftsjahrs 2005/2006 schriftlich ausgehändigt worden war (den Journalisten allerdings auf Nachfrage), und er b) die einzelnen Posten der Verbindlichkeiten persönlich vortrug, sie sogar graphisch aufbereitet an die Wand werfen ließ.

Weil er Herthas Mitgliedern andere Gesamtsummen auftischte - die Verbindlichkeiten zu den Stichtagen 18.7. bzw. 31.10. -, in deren Lichte Hertha besser dastand, ergingen an Schiller nach dem Ende der Versammlung unbehagliche Fragen. Vor allem diese: Warum verschluckte er die Summe, die für jedes Hertha-Mitglied leicht erkennbar eine Rekordverbindlichkeit dargestellt hätte?

Schiller selbst witterte in der Frage eine unzulässige Unterstellung. Er sagte, die Verbindlichkeiten hätten sich am 30.6. durch einen wenige Tage währenden Verzug von zwei wichtigen Zahlungseingängen oberhalb der 55-Millionen-Euro-Marke bewegt.

Personalien im Hintergrund

Gegenbauer wiederum bat am Dienstag um Fairness. Es wäre falsch, Schiller Hinterlist oder Arglist zu unterstellen, es habe keine Absicht dahinter gestanden, die Zahl nicht ausdrücklich zu erwähnen. Auch versuchte Gegenbauer, die finanzielle Gesamtsituation Herthas zum besagten Stichtag zu entdramatisieren. Es sei ,,ärgerlich'' gewesen, dass die Verschiebung ,,zum Bilanzstichtag sichtbar geworden'' sei, mehr sei aber nicht passiert. So habe es insbesondere keine Liquiditätsengpässe gegeben.

Durch die Posse um die Finanzsituation gerieten einige Personalien in den Hintergrund, die der Manager Dieter Hoeneß an seinem zehnjährigen Jubiläum als Hertha-Boss ankündigte. So soll der ungarische Mittelfeldspieler Pal Dardai gehalten werden. Der 33 Jahre alte Standby-Profi Andreas Schmidt, der zuletzt mehrmals im Bundesliga-Team ausgeholfen hatte, soll nach seiner aktiven Laufbahn an den Verein gebunden werden.

Bei den Leistungsträgern sieht Hoeneß den Vertragsverhandlungen ebenfalls mit Zuversicht entgegen. Insbesondere hoffe er, dass Nationalspieler Arne Friedrich seinen auslaufenden Vertrag vorzeitig verlängert. ,,Es gefällt ihm in Berlin.''

Friedrich hat eine Klausel, derzufolge er den Verein ablösefrei verlassen kann, wenn Hertha sich nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert. Auch bei Spielmacher Yildiray Bastürk hält Hoeneß eine Verlängerung des zum Saisonende auslaufenden Kontraktes für möglich.

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