Platz 7 für Jan Ullrich:"Immerhin einstellig"

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Jan Ullrich ist tief enttäuscht über Rang sieben im von Tyler Hamilton gewonnenen Zeitfahren. Er glaubt, er habe nach der Tour de France zu viel im Sattel gesessen.

Von Christian Zaschke

Es hätte endlich ein Tag der deutschen Radfahrer werden sollen, beim Straßenzeitfahren der Männer galt Jan Ullrich als Favorit auf Gold, und in den kühneren Träumen fuhr Spezialist Michael Rich auf den zweiten Platz. Das wäre ein Befreiungsschlag gewesen für das deutsche Olympia-Team, stattdessen endete der Tag mit einer herben Enttäuschung: Rich wurde Fünfter, Ullrich kam mit der siebtbesten Zeit ins Ziel, deklassiert.

Kämpfen für Platz 7 - Jan Ullrich. (Foto: Foto: ddp)

Es wurde eine amerikanische Feier, Tyler Hamilton gewann, sein Landsmann Bobby Julich fuhr auf Rang drei, dazwischen platzierte sich der Russe Wjateschlaw Jekimow, der 2000 in Sydney das Zeitfahr-Gold vor Ullrich gewonnen hatte. Es wurde auch eine intime Feier, denn besonders viele Zuschauer hatten sich nicht auf den Weg nach Vouliagmeni gemacht, um den Radfahrern zuzusehen.

Diejenigen, die doch den Weg zum Kurs südwestlich von Athen gefunden hatten, sahen ein interessantes Zeitfahren, das viel bot, wenn man nicht gerade mit den Deutsche fieberte. Der 38 Jahre alte Jekimow, bei US Postal Teamkollege des urlaubenden Tour-Champions Lance Armstrong, dominierte die erste Hälfte des Rennens, das hatten ihm nicht viele zugetraut, mit 38 ist man im Radsport ein ziemlich alter Mann.

"Ich hatte schwere Beine"

Nach 24 von 48 Kilometern führte er, erst allmählich näherte sich Hamilton den Zeiten des Russen, bis er auf den letzten zwölf Kilometern zeigte, dass er die meisten Reserven hatte; er arbeitete 18 Sekunden Vorsprung heraus. Bei der Tour de France war Hamilton früh wegen Rückenproblemen ausgestiegen. Er hat die lange Pause genutzt, um sich auf dieses Zeitfahren vorzubereiten.

Rich, 34, lag nach der Hälfte des Rennens nur vier Sekunden hinter Hamilton auf dem vierten Rang. Am Ende fehlten ihm elf Sekunden zur Bronzemedaille, 37 Sekunden bis zum Sieger. "Ich hatte schwere Beine", sagte er, "und natürlich bin ich enttäuscht, ich habe auf eine Medaille gehofft." Er wirkte niedergeschlagen, die Arme auf den Lenker gestützt, während er erzählte, dass er sich so viel mehr ausgerechnet hatte. Und er hatte eine interessante Erklärung dafür, warum es bei ihm nicht lief wie erhofft: "Es war zu wenig Wind." Diese Klage wird im August in Griechenland eher selten geführt, aber Radprofis können fast so empfindlich sein wie sie leidensfähig sind.

Noch größer als bei Rich war die Enttäuschung bei Jan Ullrich. Nachdem er die Ziellinie überquert hatte, zog er sich zunächst zurück. Vor der Weltpresse standen die übrigen Fahrer und räsonierten über Sieg oder Niederlage, aber Ullrich brauchte zunächst ein wenig Zeit, um die Fahrt zu verarbeiteten. Später sagte er: "Ich bin selber enttäuscht, aber ich habe schon geahnt, dass es nicht zum Gold reichen könnte. Die drei, die gewonnen haben, sind in den letzten Wochen keine Rennen mehr gefahren. Ich habe gedacht, ich muss nach der Tour noch trainieren und bin alles gefahren." In einem Anflug von Sarkasmus bemerkte er: "Das Ergebnis ist immerhin einstellig."

Der Punch hat gefehlt

Teamchef Mario Kummer, der hinter Ullrich im Auto saß, ahnte früh, was passieren würde. "Er hat schon am Anfang seinen Rhythmus gesucht." Das ist ungewöhnlich, Ullrich, 30, fährt normalerweise ganz ruhig; gestern bewegte sich sein Oberkörper, es war zu sehen, dass er kämpfte, dass er aber nicht in Schwung kam. "Eine Erklärung habe ich nicht", sagte Kummer, "wir sind davon ausgegangen, dass die Form gut ist." Ullrich sagte: "Mir hat heute einfach der Punch gefehlt. Ich fühle mich nicht schlecht, aber wahrscheinlich bin ich nach der Tour einfach zu viel gefahren."

Die Spiele laufen nicht gut für die deutschen Athleten, und dieses Jahr lief nicht gut für Jan Ullrich. Olympia hätte das Jahr doch noch zu einem guten machen können, nachdem Ullrich in diesem Jahr bei der Tour de France dem Triumph von Lance Armstrong zusehen musste und es selbst nicht aufs Podium schaffte. Jetzt überlegt er sogar wieder, bei der Weltmeisterschaft Ende September in Verona anzutreten.

"Wenn ich zwei Wochen Pause mache, bin ich vielleicht wieder fit genug, um bei der WM eine Medaille zu holen", sagte er. Ursprünglich spielte die WM in seinen Plänen keine Rolle. Immerhin, vor Gericht hat Ullrich gestern einen Erfolg erreicht. Im Prozess gegen seinen früheren Arbeitgeber, das Team Coast, hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg einen Vergleich vorgeschlagen, der vorsieht, dass er noch 1,4 Mio. Euro an Honorar und Verdienstausfällen erhält. Die Anwälte beider Parteien verhandeln nun, Jan Ullrich macht, was er am besten kann, er fährt weiter Rad. Das nächste Mal schon wieder am Sonntag beim Weltcup in Zürich, weit weg von Olympia.

© SZ vom 18.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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