Pizzaro:Trost in finsterer Nacht

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Abschied auf Zeit: Claudio Pizarro, zuletzt in Bremen, dann vereinslos, kehrt in die Liga zurück. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Nach der 0:1-Niederlage gegen Belgrad verpflichtet der 1. FC Köln Claudio Pizarro. Mit fast 39 soll der Stürmer dem Bundesliga-Schlusslicht helfen.

Von Philipp Selldorf, Köln

Wahrscheinlich war es besser, dass sich Claudio Pizarro noch auf der Anreise ins Rheinland befand, als der 1. FC Köln sein Europacup-Spiel gegen Roter Stern Belgrad austrug. Er hätte es sich womöglich noch mal anders überlegt mit seinem Engagement, wenn er die erste Halbzeit dieser Partie gesehen hätte, die so gar nicht den Sehnsüchten des Publikums entsprach: "In der ersten Halbzeit sind wir sehr verhalten aufgetreten", sagte Kölns Trainer Peter Stöger mit nicht zu überbietendem Understatement. In der zweiten Halbzeit war der umformierte FC dann zwar viel besser, mangels Chancennutzung blieb es aber beim 0:1 aus der steinzeitlich anmutenden ersten Hälfte. Während tausende Fans der Roten Sterne jubelten (die serbischen Medienvertreter nicht ausgenommen), sangen die Kölner Anhänger ein Heimatlied, wenngleich ein melancholisches. Statt ihr Team auszupfeifen, das sieben von neun Pflichtspielen verloren hat, gaben sie Applaus.

Noch am selben Abend verdichteten sich Hinweise, dass die Gerüchte um Claudio Pizarro auf Wahrheit beruhten. Die meisten FC-Freunde dürften das als Trost in dunkler Nacht auffassen. Punkt halb zwei am Freitagmittag spazierte der Peruaner tatsächlich durch die Tür des Stadions in Müngersdorf, in Jeans, Sneakers und lässigem Hemd, sein allseits bekanntes Filmstar-Lächeln im Gesicht. Männer, die älter als 38 Jahre sind, blickten ebenso neidvoll auf ihn wie solche, die erst noch 38 werden müssen. Sogar Peter Stöger schien sich in einem Zustand nervöser Freude zu befinden, als ob ihm jemand ermöglicht hätte, sein Idol zu treffen.

Und die nächste schlechte Nachricht: Artjoms Rudnevs hört aus privaten Gründen auf

"Man kennt ihn, man weiß um seine Fähigkeiten - wir haben genau so jemanden gesucht", erklärte der Trainer später, nachdem Pizarro sein Liebesbekenntnis zur Bundesliga abgelegt hatte. Angebote habe er im Sommer "von überall" gehabt, sagte der Angreifer, "einige waren interessant, aber ich hatte die Geduld zu warten, bis das richtige für mich und meine Familie dabei war." Die passende Offerte kam vor ein paar Tagen vom Kölner Manager Jörg Schmadtke. Man traf sich an vertraulichem Ort, unterhielt sich, "und dann hat mir das gefallen", sagte Pizarro. Der Rest war schnell geklärt, so Schmadtke.

Aus Bremen war Pizarro im Sommer nicht ganz freiwillig vom SV Werder geschieden, was aber weniger mit seinem immer noch stattlichen Gehalt zu tun hatte, als mit den Plänen von Trainer Alexander Nouri. Pizarro wäre wohl gern geblieben, obwohl er in der Kabine von Mitspielern schon mal "Opa" genannt wurde, scherzhaft natürlich. Seine Erfahrung als Fußballer höchsten Niveaus wird in Köln nun als wichtiger Zugewinn betrachtet: "Wir glauben, dass er ein bisschen Druck von den anderen Stürmern nehmen und uns in der schwierigen Situation große Dienste leisten kann", sagte Schmadtke.

Der Manager, von vielen (auch von sich selbst) für seine Sommereinkäufe kritisiert, wies Komplimente für die Neuverpflichtung zurück: "Man muss nicht glauben, dass da besondere Analysen vorgenommen wurden." Der Markenbegriff Pizarro soll Garantie genug sein. Der ab Dienstag 39-Jährige sagte, er habe sich über den Sommer in eigener Regie fitgehalten, "ich kenne jetzt jeden Wald in München". Aktive Starthilfe wird er dem Liga-Letzten Köln mangels Wettkampf-Fitness wohl erst nach ein paar Wochen Training geben können. Vielleicht ab 22. Oktober - dann kommt Werder Bremen zum FC.

Schmadtke musste auch noch zu einer anderen Personalie Stellung nehmen: Es ging um den lettischen Angreifer Artjoms Rudnevs, 29, der in dieser Saison wegen Verletzungen noch kein Spiel hat machen können. Er bat in Köln nun um Vertragsauflösung: "Wegen privater, persönlicher Probleme", wie der Manager erklärte. Rudnevs werde seine Profikarriere beenden und in seine Heimat zurückkehren: "Es ist eine traurige Geschichte", sagte Schmadtke. Ungetrübte Freude ist dem FC zurzeit nicht mal an Festtagen vergönnt.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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