Pferdesport:Geister-Galopp

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Sieger in Riem: William Buick auf Barney Roy. (Foto: Claus Schunk)

Nach dem Dallmayr-Preis in Riem bleibt die Frage, wie lange Rennen ohne Zuschauer finanzierbar sind. Ein Konzept im Fußball könnte auch dem Pferdesport helfen.

Von Nico Horn

Niemand hat etwas auf das große Schild geschrieben, das vor der Galopprennbahn in München-Riem steht. Das Schild, auf dem normalerweise der nächste Renntag angekündigt wird, sagt diesmal: nichts. Es gäbe ohnehin keinen, der es anschauen würde. In Riem ist an diesem Sonntag nichts los. Wenn man nicht wüsste, dass hier gerade einer der wichtigsten Renntage des Münchener Rennvereins (MRV) stattfindet, man würde wieder umkehren.

Profisport findet in Deutschland zwar immer noch an denselben Orten statt wie vor einem Jahr, anschauen kann man ihm aber meist nur von zuhause. Die bayerische Infektionsschutzverordnung lässt da keinen Interpretationsspielraum: Zuschauer sind bei Sportveranstaltungen verboten. Der MRV sah deshalb noch im Frühjahr keinen Sinn darin, sein Gruppe-1-Rennen, den Großen Dallmayr-Preis, auszutragen. Das ist jetzt anders. Sascha Multerer, der Medienbeauftragte des Vereins, sagte inzwischen: "Seien wir froh, dass der Renntag überhaupt stattfindet." Lieber Rennen ohne Zuschauer als gar keine Rennen, so lautet die neue Losung.

Wie also läuft so ein Geister-Pferderennen ab? Am Vormittag ist es zwar bewölkt, aber es regnet nicht. Bei einigermaßen gutem Wetter kamen vor Covid-19 bis zu 15 000 Besucher. Jetzt sind nur Besitzer und Trainer erlaubt, normale Rennbahnbesucher müssen ein Schlupfloch nutzen. Auf der Terrasse des Wirtshauses zur Rennbahn dürfen 200 Gäste essen und trinken - und wenn sie wollen, dürfen sie auch auf die Bahn schauen. Aber auch die 200 sorgen nicht für Trubel. Nur das Fernsehteam, das den Livestream produziert, scheint mehr Stress zu haben als früher. Für Interviews rennt der Reporter hektisch von der Bahn rüber zum Führring, der Kameramann hinterher. Die Verantwortung steigt, wenn alle online gucken.

"Für unsere Gruppe-1-Pferde war es sehr wichtig, dass das Rennen stattfindet", sagt Sarah Steinberg

Wer auf der Galoppanlage umherläuft, bekommt den Eindruck, dass sich die meisten der wenigen Anwesenden längst mit der Corona-Lage arrangiert haben. Fast alle tragen eine Maske, auch im Freien. Auf und vor der Tribüne gehen sie auf Abstand. Nur an den Wettkassen unter der Tribüne ist ein bisschen mehr los, hier treffen sich ein paar Trainer, Besitzer und Angehörige. Wenige meckern. "Es kann nicht sein, dass sich im Europapark die Leute auf den Füßen stehen, und auf dieses Riesengelände dürfen keine Zuschauer", sagt einer. Auf der 96 Hektar großen Anlage und auch rund um die Rennbahn könne man sich gut aus dem Weg gehen. Aber Freizeitparks in Baden-Württemberg werden aktuell eben anders behandelt als Sportveranstaltungen in Bayern.

Multerer bezeichnet den Renntag hinterher als "Erfolg, den Umständen entsprechend". 330 000 Euro bringt die Veranstaltung ein, fast alles über Online-Wetten. Die ersten fünf der elf Rennen finden in Kooperation mit dem französischen Anbieter PMU statt. Das hilft, genauso wie das Entgegenkommen der Pferdebesitzer, die dem MRV erlaubten, die Preisgelder zu halbieren. Das Highlight des Tages, der Dallmayr-Preis, ist deshalb diesmal nur mit 77 500 Euro dotiert.

Der große Favorit, der britische Wallach Barney Roy, gewinnt. Knapp dahinter kommt Quest de Moon ins Ziel, das in München von Sarah Steinberg trainierte Pferd. Der Ire Patrick Sarsfield wird Dritter. Favoritensiege. "Das ist gut für das Rating", sagt Multerer. Und Sarah Steinberg, die Münchner Trainerin, sagt: "Das Rennen ist sehr, sehr wichtig für München. Aber auch für unsere Gruppe-1-Pferde war es sehr wichtig, dass dieses Rennen stattfindet." Wichtig für die Entwicklung der Pferde, mit denen Steinberg bald auch bei den ganz großen Rennen starten will. Damit spricht sie den Kern der aktuellen Sorgen des Galopprennsports an: Dass Rennen ohne Zuschauer finanziell kaum zu stemmen sind, ist das eine. Aber wer jetzt alles stilllegt, gefährdet auch die Zukunft. Zu einer möglichen Absage des Dallmayr-Preises hatte Multerer gesagt: "Eine unterbrochene Tradition ist keine Tradition mehr."

Die halbierten Preisgelder waren deshalb ein guter Kompromiss. "Aber das ist kein Dauerzustand", sagt Multerer. "Irgendwann werden die Besitzer auch wieder Ansprüche stellen." Wie es dann weitergeht, weiß keiner. Auf manchen deutschen Rennbahnen sind wieder ein paar Hundert Zuschauer erlaubt, auf vielen nicht. Der MRV hatte seinen nächsten Renntag für den 13. September geplant, was aber mit dem Großen Preis von Baden kollidiert. Eine Verschiebung auf einen späteren Termin ließe hoffen, dass dann zumindest ein paar Zuschauer kommen dürfen. Bis dahin könnte die Deutsche Fußball Liga ein Zuschauerkonzept für ihre Stadien genehmigt bekommen haben. "Das würde vieles leichter machen", sagt Multerer, denn der MRV könnte sich an diesem Konzept orientieren.

© SZ vom 28.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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