Peter Cassalette:Langer Prozess

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Der 62-Jährige soll Präsident des TSV 1860 München werden. Noch muss der Kandidat aber bestätigt werden.

Von M. Schäflein und P. Schneider

Es gehört zum Brauchtum beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, dass bei der Vorstellung eines neuen Präsidentschaftskandidaten betont wird, wie viel Mühe man sich gegeben hat bei der Suche. Weil so oft neue Präsidenten benötigt werden, könnte man ja auch meinen, dass da irgendwann mal mit dem Schludern angefangen wird. "Wir haben einen von der Professionalität und der Intensität her beispiellosen Prüfungsprozess gemacht, eine Matrix aus Kriterien und Eigenschaften erstellt und dann für jeden Kandidaten einen Bogen ausgefüllt", sagte beispielsweise der damalige Verwaltungsratschef Otto Steiner, als er vor gut zwei Jahren Gerhard Mayrhofer vorstellte. Steiner ist mittlerweile weg, Mayrhofer auch, in der Matrix hatte sich wohl ein Fehler befunden (von dem nicht wenige behaupten, dass er auf Noor Basha, 1860-Geschäftsführer und Vertreter des jordanischen Investors Hasan Ismaik, zurückzuführen ist).

Als Stellvertreter ist Sponsor Hans Sitzberger nominiert

Mittlerweile ist Karl-Christian Bay neuer Verwaltungsratschef, und als er die Suche nach einem Nachfolger für Interimspräsident Siegfried Schneider zu einem Abschluss gebracht hatte, teilte er am Mittwoch mit: "Wir haben von Beginn an alle Gremien bei der Kandidatensuche einbezogen und uns gewissenhaft und intensiv auseinandergesetzt. Der aufwendige Prozess ist höchst professionell abgelaufen." Ergebnis: Peter Cassalette, 62, früherer Geschäftsführer des Touristikunternehmens FTI, soll Präsident werden; als Stellvertreter ist der langjährige Sponsor Hans Sitzberger, Chef einer Reinigungsfirma, nominiert. Sitzberger hatte selbst Interesse am Posten des Präsidenten gehabt.

Eine Mitgliederversammlung muss die Kandidaten am 15. November bestätigen. Im Amt wäre das neue Präsidium, dem neben Cassalette und Sitzberger mal wieder die ewigen Stellvertreter Heinz Schmidt und Peter Helfer angehören sollen, zunächst nur bis Juni 2016. Dann steht schon wieder die nächste ordentliche Mitgliederversammlung an, auf der sich das Präsidium abermals bestätigen lassen muss. Cassalette, voraussichtlich ab Mitte November im Amt, erhält also eine achtmonatige Probezeit. Wer das emotionale Umfeld bei Sechzig kennt, weiß, dass so eine Probezeit schnell zum Höllenritt werden kann.

Die Entscheidung hatte sich zuletzt unerwartet hingezogen. Dem Vernehmen nach wollten sich die Räte ursprünglich schon vor 14 Tagen auf einen Kandidaten geeinigt haben, doch die von den Satzungsvätern erdachte, im Verwaltungsrat erforderliche Zweidrittel-Mehrheit (mindestens 6:3) kam zunächst nicht zustande. Als äußerst unglücklich erwies sich für die Räte vor allem der Umstand, dass die Namen von drei Kandidaten bereits öffentlich geworden waren: außer denen von Cassalette und Sitzberger auch der von MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris. Und mit Stimoniaris, der zumindest vor dem Abgas-Skandal über beste Kontakte in den Vorstand von Volkswagen verfügte, verbinden viele 1860-Fans die Sehnsucht, der Wolfsburger Mutterkonzern oder eine seiner Töchter könnte irgendwann mal Ismaiks Anteile an der Fußball-KGaA erwerben, damit der Fehler in der Matrix korrigiert werden kann. Auch deshalb hatte Bay betont, es werde ein Präsident für den Verein gesucht, nicht nur für die Fußballabteilung.

Und dann gab es noch das offenbar wichtigste Kriterium: Der neue Präsident, das war vor allem Bay wichtig, sollte nicht unmittelbar wieder auf Konfrontationskurs mit Ismaik gehen. "Es gibt Kandidaten, die sagen, da muss man mal richtig draufhauen. Das könnte schwierig werden", sagte er neulich. Im vergangenen Sommer war Bay noch der Vereinsvertreter gewesen, der den vom ehemaligen Präsidium um Mayrhofer forcierten Kauf von Ismaiks Anteilen abwickeln sollte. Inzwischen ist er längst zu der Überzeugung gelangt, dass sich eine Übernahme der Anteile eher in freundschaftlicher Atmosphäre bewerkstelligen lässt.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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