Patrick Owomoyela:Von rechts außen in den Mittelpunkt

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Die rasante Karriere eines Zweckpessimisten: Bereits nach 15 Bundesligaspielen für Bielefeld spielt Owomoyela im Nationalteam.

Von Ulrich Hartmann

Patrick Owomoyela sagt, er neige zum Zweckpessimismus, "denn dann kann ich nicht negativ überrascht werden". Das hat er auch beim Fußball immer so gehalten. Owomoyela ist erst seit eineinhalb Jahren Profi. Vorher hat er in der Regionalliga gespielt in Lüneburg, Osnabrück und Paderborn, und als er im Sommer 2003 zum Zweitligisten Arminia Bielefeld gewechselt ist, da hat er erzählt, dass er eigentlich nie so richtig mit einem Wechsel in den Profifußball gerechnet habe.

Patrick Owomoyela (Mitte) wird von Schalkes Jörg Böhme, Levan Kobiashvili und Christian Pouslen (v.l.) bedrängt. (Foto: Foto: dpa)

"Ich habe früher gedacht, dass ich ein bisschen Verbandsliga spiele, dafür ein Taschengeld kriege, meine Ausbildung fertig mache - und das war's." Jetzt stellt sich heraus: Das war's noch lange nicht.

Im Sommer ist Owomoyela mit der Arminia in die Bundesliga aufgestiegen. Bielefeld ist nach 15 Spielen überraschend Tabellensiebter, und Owomoyela nicht minder unerwartet Stammspieler auf der rechten Außenbahn. Der 25-Jährige hat binnen eineinhalb Jahren den Sprung aus der Regionalliga in die Bundesligaspitze geschafft, und jetzt ist er noch ein Stück weiter gehüpft, denn am Donnerstag wurde er ins Nationalteam berufen.

Thema Nigeria erledigt

Er darf vom 13. bis 22. Dezember mit der DFB-Auswahl nach Asien reisen und für Deutschland spielen, und das ist in gleich dreifacher Hinsicht bemerkenswert: Erstens, weil seine Entwicklung wirklich rasant verlaufen ist, zweitens, weil Arminia Bielefeld zum ersten Mal seit fünfeinhalb Jahren wieder einen deutschen Nationalspieler hat, und drittens, weil zuletzt alles viel mehr danach ausgesehen hatte, als würde Owomoyela künftig für die Nationalmannschaft von Nigeria spielen.

Jürgen Klinsmann aber hat gerade noch rechtzeitig eingegriffen. Er hat ihn dem nigerianischen Verband vor der Nase weggeschnappt. Wenn Owomoyela erst einmal für Deutschland gespielt hat, dann hat sich das Thema Nigeria erledigt.

Man muss diese Sache erklären, denn Patrick Owomoyela war noch nie in Nigeria, er spricht nicht einmal die Sprache, und dennoch hätte er gerne für dieses Land gespielt. Nachdem er am 5. November 1979 als Sohn einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Hamburg geboren war, deutete fast 25 Jahre lang überhaupt nichts darauf hin, dass er sich eines Tages zwischen zwei Fußballnationen würde entscheiden müssen, doch diesen Herbst nahm seine Karriere plötzlich Tempo auf.

"In meiner Brust schlagen zwei Herzen"

Der ausgebildete Gas-Wasser-Installateur und frühere Regionalliga-Basketballer hat sich binnen kürzestem zu einem der besten Bundesligaspieler auf der rechten Außenbahn gemausert und stand auf einmal im Blickfeld von zwei Nationaltrainern: jenem von Nigerias Christian Chukwu und dem von Jürgen Klinsmann.

Bislang hat Owomoyela gesagt: "In meiner Brust schlagen zwei Herzen." Doch das für Deutschland schlägt nun fester. Man hört Owomoyela deutlich an, dass er immer in Deutschland gelebt hat. Nur an seinen Haaren und seiner Haut sind afrikanische Wurzeln abzusehen, und doch besitzt er nur eine Staatsbürgerschaft: die deutsche.

Vor ein paar Wochen allerdings hat sich etwas verändert. Owomoyela hat für Bielefeld in der Bundesliga zu spielen begonnen, er hat drei Tore geschossen und zwei vorbereitet und stets so stark agiert, dass sich plötzlich auch Nigerias Verband für ihn interessierte. Dessen Generalsekretär Taiwo Ogunjobi hat der nigerianischen Botschaft in Berlin sogar einen Brief geschrieben und um Hilfe bei der Ausstellung eines nigerianischen Passes gebeten.

Doch bis jetzt hat Owomoyela vergeblich auf die zweite Staatsbürgerschaft gewartet, und nun ist die Sache eigentlich hinfällig. Denn Owomoyela spielt für Klinsmann. "Natürlich habe ich einen viel größeren Bezug zu Deutschland", sagt er, "und deshalb musste ich auch nicht lange überlegen."

Schuld an Owomoyelas rasanter Entwicklung ist vor allem Uwe Rapolder, der Trainer von Arminia Bielefeld. Er hat die Mannschaft im März übernommen und ihr ein so effektives Spielsystem beigebracht, dass sie erst aufgestiegen und jetzt gar zum Liebling der Fußballexperten geworden ist.

"Der helle Wahnsinn"

Bielefeld spielt einen wunderbaren Fußball, und jeder einzelne Spieler der Stammelf ist unter der taktischen Obhut des Trainers zu einer solchen Höchstform aufgelaufen, dass Rapolder manchmal sagt: "Besser können wir nicht mehr!" Aber er sagt auch: "Wer in Deutschland einen kopfballstärkeren, schnelleren und zweikampfstärkeren Spieler auf der rechten Abwehrseite findet als Patrick Owomoyela, der soll ihn mir zeigen!"

Rapolder findet ihn stärker als die Rechtsverteidiger Andreas Hinkel und Moritz Volz. "Patrick hat eine überragende Präsenz", sagt er. "Patrick Owomoyela spielt auffällig und konstant", lobt auch Klinsmanns Assistenztrainer Joachim Löw: "Er ist interessant für die WM 2006."

Zum vierten Mal erst steht ein Armine in der deutschen Auswahl. Owomoyela wird das zu spüren bekommen von den Fans am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Hansa Rostock. "Jetzt hoffe ich bloß, dass ich meine Leistungen auch bestätigen kann", sagt er vorsichtig. Sein Ziel heißt zwar nun Weltmeisterschaft2006, seinen Zweckpessimismus hat er aber dennoch nicht gleich abwerfen können. Trotz der positiven Überraschungen. Über die Entwicklung der vergangenen Wochen sagt er nur: "Der helle Wahnsinn."

© SZ vom 3.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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