Oscar Pereiro unter Dopingverdacht:Die plötzliche Krankheit

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Wird Andreas Klöden nachträglich zum Tour-Sieger 2006 ernannt? Floyd Landis ist schon lange des Doping überführt. Jetzt zweifelt Frankreich das Attest des Tour-Zweiten Pereiro an. Der Spanier gab zwei "legale" Positivtests ab.

Über den deutschen Reflex auf die nächste Schreckensmeldung des Radsports braucht sich niemand mehr wundern, nachdem zuletzt das Publikum des ZDF-Sportstudios bei einer Umfrage in der Lage gewesen ist, sich mit 75 Prozent Stimmenmehrheit für ein Startrecht des unter dringenden Dopingverdachts stehenden Profis Jan Ullrich auszusprechen.

"Kriegt Klöden nachträglich den Tour-Sieg 2006", rätselte also das Zentralorgan des germanischen Stammtischs nach der Meldung, wonach nach dem bereits positiv getesteten Sieger, Floyd Landis, offenbar auch der Zweite Oscar Pereiro gedopt gewesen sei. Dabei ist die Frage, ob der drittplatzierte Cottbuser Klöden doch noch ganz oben im Tableau erscheint, wohl nebensächlich angesichts der Kernfrage: Welcher Tourheld ist eigentlich nicht mit chemischem Antrieb unterwegs?

Am Spanier Pereiro hegt zumindest die Antidoping-Agentur (AFLD) Frankreichs erhebliche Zweifel, denn in dessen Urin hatte sich nach zwei Touretappen der Wirkstoff Salbutamol gefunden. Das Präparat nehmen Asthma-Patienten per Spray ein, es besitzt eine stimulierende und muskelfördernde Wirkung und steht auf der Dopingliste. Pereiro besitzt laut des Weltverbandes UCI eine medizinische Ausnahmegenehmigung, doch eben diese ficht die AFLD laut Le Monde an.

Die Agentur hatte Pereiro, 29, dreimal per Einschreiben zur Stellungnahme aufgefordert, doch der meldete sich bisher nicht. Er sei im Urlaub gewesen, erklärte jetzt der Profi des spanischen Rennstalls Caisse d'Epargne. Er leide an leichtem Asthma und habe das Spray während der kompletten Rundfahrt benutzt. Ein andere Wahrnehmung des Vorgangs hat Pierre Bordry, Chef der AFLD. Er betonte, Pereiro habe die Schreiben sehr wohl entgegengenommen.

Zudem überzeugten die Einträge der UCI im Gesundheitspass Pereiros nicht, seine Agentur wolle ein Attest sehen. "Aber offenbar fällt es Herrn Pereiro schwer, den Mediziner ausfindig zu machen, der ihm das Attest ausstellte." Auf die Frage, ob sich in Pereiros Akte Hinweise auf das Asthmaleiden fänden, sagte Bordry: "Nein, nichts."

Inflation der Atteste

Dieses Phänomen ist freilich nicht neu. Auch Jan Ullrich erklärte im Juni 2001, er leide unter Pollenallergie - nachdem sich bei ihm im Rahmen der spektakulären Razzia beim Giro d'Italia Kortikoide gefunden hatten. Nicht einmal seinem engsten Umfeld waren die Beschwerden bis dahin bekannt gewesen; das Hormon Kortison ist nützlich, um Schmerz- und Erschöpfungszustände zu unterdrücken. Etwa 80 Prozent der Leistungssportler bezeichnen sich übrigens als Asthmatiker - bei den Normalsterblichen sind es nur wenige Prozent.

Eine Inflation der Atteste kritisiert nun auch die ALFP. Bei der Tour 2006 hatten rund 60 Prozent der gut 100 getesteten Fahrer eine Erlaubnis vom Doktor präsentiert. Die Behörde zweifelt nicht nur Pereiros Leiden an - sondern ebenso an weiteren sechs "legalisierten" Positivfällen. Insgesamt sind im Juli zwölf Fahrer positiv getestet worden, doch nur die Hälfte konnte nach Ansicht der französischen Spezialisten überzeugend die medizinische Notwendigkeit belegen.

Pereiro habe jetzt bis zum 25. Januar Zeit, "seine Unschuld zu beweisen", betonte ALFP-Präsident Bordry. Ansonsten werde man ein Verfahren einleiten und Pereiro vorladen; die Agentur könnte den Spanier zumindest für Rennen in Frankreich sperren. Anfang Februar hat sich zunächst Floyd Landis bei der Anti-Doping-Agentur für seinen positiven Test auf Testosteron zu rechtfertigen. Dem Amerikaner indes droht eine zweijährige Sperre und die Aberkennung seines Toursieges.

Eigentlich hatte ja Pereiro auf Landis' Krone Anspruch erhoben, doch die Tour-Organisation wird nun künftig womöglich beide ignorieren. Vorbild des Galiciers dürfte jedenfalls Lance Armstrong sein, der siebenmalige Sieger war bei seinem ersten Erfolg 1999 positiv auf Kortison getestet worden - eine Sanktion folgte jedoch nicht, weil der Texaner nach Bekanntwerden der Affäre ein Attest für eine Salbe wegen angeblicher Sitzbeschwerden nachreichen durfte.

Auch Jan Ullrich konnte beim Giro 2001 auf die Ausnahmegenehmigung im Gesundheitspass verweisen und wurde letztlich nicht belangt. Inzwischen ist er allerdings in den spanischen Dopingskandal Operación Puerto verstrickt und deshalb sogar im Visier von Staatsanwälten. In seiner Wahlheimat Schweiz droht ihm zudem weiterhin ein Sportrechtsverfahren, "wir lassen die Sache auf keinen Fall fallen", betonte am Freitag abermals Bernhard Welten von der Fachkommission für Dopingbekämpfung im NOK. Dem Vernehmen nach hat die Bonner Behörde den Eidgenossen Einsicht in jene Akten zugesagt, welche sie soeben von spanischen Kollegen erhielt. Die Dokumente werden gerade beim Bundeskriminalamt übersetzt.

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