Oranje-Team:Bloß kein Krawall

Lesezeit: 3 min

Nach der Verjüngung des Teams steht Hollands Trainer van Basten unter Druck.

Ulrich Hartmann

Eines der letzten Geheimnisse des Fußballs ist geklärt: Deutschland hat das WM-Endspiel 1974 verdient gewonnen. Es soll ja Zweifel daran gegeben haben, vor allem in den Niederlanden, wo man sich 32 Jahre lang mit der Frage quälte, wie sich die Götter seinerzeit in München derart verschwören konnten.

Fliegender Hollender? Der Niederländer Ruud van Nistelrooy. (Foto: Foto: AFP)

Nun gibt es neue Erkenntnisse aus dem Computer. Ein auf Spielanalysen spezialisiertes Unternehmen aus den Niederlanden hat den 2:1-Finalsieg von damals mit modernsten Programmen neu ausgewertet und ist zu dem Ergebnis gekommen: Ja, die Deutschen haben verdient gewonnen. Bester Spieler auf dem Feld sei Berti Vogts gewesen. Schön, dass die späte Rehabilitation fürs deutsche Team vom Nachbarn selbst kommt. Sonst hätten es die Holländer wieder nicht geglaubt.

Marco van Basten sagt, an diesem Klischee vom zerrütten Verhältnis zwischen Deutschen und Holländern sei eh nichts dran. "Es ist ein gutes Verhältnis, und es war auch nie ein Problem", sagt der Trainer der Niederländer. Am Sonntag bestreiten die Holländer 32 Jahre nach dem Finale 1974 wieder ein WM-Spiel auf deutschem Boden.

In Leipzig bekommen sie es mit Serbien & Montenegro zu tun. Van Basten hofft, dass die Erfolge ausgerechnet bei Turnieren in Deutschland kein Zufall waren. 1974 stand man im WM-Finale, 1988 gewann man den EM-Titel. "Dass es keine Zufälle waren, würde ich auch nach dieser WM gerne behaupten", witzelt van Basten. Ansonsten sei Deutschland den Niederlanden halt ähnlich, "wie die Menschen essen, wie sie arbeiten, wir fühlen uns hier fast wie zu Hause - fast!"

Ein Mann im weißen Bärenfell

13.000 Menschen sind am Donnerstag zum öffentlichen Training ins Freiburger Stadion gekommen. Sie haben gesehen, wie nach einer halben Stunde ein Mann in weißem Bärenfell und orangefarbenem Hemd unerlaubt über den Rasen hüpfte und wie die davon unbeeindruckten Fußballer vor allem jene Spielzüge übten, mit denen sie Serbien, Argentinien und die Elfenbeinküste in der schweren Gruppe C besiegen wollen: immer schön schnell über die Außen spielen und in der Mitte Ruud van Nistelrooy (Manchester United) bedienen.

Arjen Robben (FC Chelsea) und Robin van Persie (FC Arsenal) werden auf der linken und rechten Außenbahn zur munteren Befeuerung der Mittelposition verpflichtet, womit die Niederländer im Sturm auf eine britische Achse setzen. Die 22-jährigen Robben und van Persie verkörpern jenen Generationswechsel, den van Basten nach der Amtsübernahme im August 2004 angetrieben hat. Die Mittelfeldspieler Ryan Babel, 19, Hedwiges Maduro, 21, Wesley Sneijder, 22, und Rafael van der Vaart, 23, sind ebenfalls jung und international unerfahren, weshalb man davon ausgehen muss, dass die ausgemusterten Oranje-Größen Edgar Davids, Patrick Kluivert und Clarence Seedorf daheim bei Ansicht von Live-Bildern der WM-Spiele qualmende Wut schnauben.

Marco van Basten selbst ist mit 41 Jahren der jüngste Trainer bei dieser WM und steht mit seinem kritisch beäugten Radikalkurs ähnlich unter Druck wie der 94 Tage ältere Jürgen Klinsmann. Am vergangenen Sonntag, gestand van Basten, sei er dann doch ziemlich nervös geworden, als nämlich beim letzten Vorbereitungsspiel gegen Australien (1:1) Philip Cocu, Giovanni van Bronckhorst und Wesley Sneijder verletzt vom Platz mussten, letzterer gar auf einer Bahre.

Konstanz in der Mannschaft

"Da fängst du schon an, dir Gedanken zu machen", sagt van Basten. Mittlerweile ist er seine gröbsten Sorgen wieder los, und man muss nicht mehr unbedingt davon ausgehen, dass er am heutigen Freitag noch eine Änderung im Kader vornimmt. Die jungen Stijn Schaars und Nigel de Jong waren nachberufen worden ins WM-Quartier in Hinterzarten, aber van Basten rechnet nun mit der rechtzeitigen Genesung aller maladen Stammkräfte.

"Die Mannschaft gegen Serbien wird jener vom letzten Test gegen Australien ähnlich sein", verrät der Trainer, aber vor allem über die Schlüsselstellen in der Startelf mag er sich noch nicht äußern. "Darüber denken wir viel nach", sagt er bloß, und so wird wohl erst am Sonntag vor dem Spiel herauskommen, ob Rafael van der Vaart vom Hamburger SV fit genug ist, um im zentralen Mittelfeld berücksichtigt zu werden oder ob sein Klubkollege Khalid Boulahrouz in der Innenverteidigung auflaufen darf.

Nicht zuletzt wegen der diversen Fragezeichen in seiner Startelf gibt sich van Basten zurückhaltend, und da passt es ihm auch gar nicht, dass der Weltfußballverband Fifa den Teambus der Holländer mit einem ambitionierten Motto hat bedrucken lassen. "Oranje op weg naar goud", steht in gewaltigen Buchstaben auf dem Gefährt, aber auf dem Weg zu Gold wähnt der Trainer sein Team definitiv nicht. "Ein Krawalltext!", schimpfte van Basten. Zur Revanche bereit für eine 1974 erlittene WM-Final-Niederlage sieht er seine Mannschaft im Gegensatz zur Fifa noch nicht.

© SZ vom 9. Juni 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: