Ons Jabeur:Botschafterin aus Tunesien

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Die 25-Jährige erreicht als erste arabische Frau ein Grand-Slam-Viertelfinale - und macht anderen Mut.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Der Tag begann mit einer kleinen Enttäuschung, aber die höfliche Ons Jabeur ließ ihre Gegnerin das nicht spüren. Auf ein Zusammentreffen mit der großen Serena Williams hatte sich Tunesiens beste Tennisspielerin gefreut. Stattdessen war es die Chinesin Wang Qiang, die am Sonntag auf der anderen Netzseite Aufstellung nahm. Jabeur behandelte die Williams-Bezwingerin aus Tianjin nicht anders, als sie dies mit der Rekordsiegerin aus Palm Beach geplant hatte: Sie kegelte sie in zwei Sätzen, 7:6 (4), 6:1 aus dem mit 44 Millionen Euro dotierten Australian-Open-Turnier. Qiiang, sagte sie, sei "auch eine sehr bewundernswerte Akteurin".

Jabeurs Vormarsch ins Viertelfinale darf zu den bemerkenswertesten Vorkommnissen der ersten Wettkampfwoche gezählt werden, sieht man von Williams' Niederlage ab. Erstmals hat sie das Viertelfinale einer so prestigeträchtigen Veranstaltung erreicht und auf dem Weg dahin die Britin Johanna Konta, die frühere Weltranglistenvierte Caroline Garcia, die ehemalige Nummer eins Caroline Wozniacki, und nun Wang Qiang aus dem Feld geräumt. Von einem solchen Durchmarsch, sagte sie, habe sie immer geträumt, aber eher in Paris damit gerechnet, auf Sand, der ihrem variantenreichen Spiel besser liegt. Außerdem hatte sie bei French Open 2011 das Junioreninnenturnier gewonnen.

Im Alter von 25 Jahren ist sie kein Shootingstar mehr. Und doch war sie erstaunt und berührt, als ihr Mann Karim Kamoun, ein ehemaliger Fechter, heute ihr Fitnesstrainer, ihr ein Twitter-Foto zeigte, aufgenommen um 3 Uhr morgens in Tunis, wo auf den Fernsehern in den Cafés ihre Matches übertragen wurden. Nie zuvor hatte eine Frau aus ihrem Land eine Partie bei den Australian Open gewonnen; ihre Landsfrau Selima Sfar schlug vor einem Jahrzehnt in Wimbledon, Paris und Flushing Meadows in der zweiten Runde auf. Aber eine Profitennisspielerin aus der arabischen Welt im Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers ist eine Premiere, die für Schlagzeilen sorgt. "Ich erhalte eine Menge Nachrichten, besonders von Leuten, die früh morgens aufwachen, um mir zuzusehen", erzählte Jabeur. Es ist ein Interesse, das sie nutzen will, um Jüngere zu inspirieren, "in Tunesien, in Arabien, in Afrika". Schließlich, sagte sie lachend, sei sie "ein 100-prozentiges tunesisches Produkt".

Man kann es schaffen in die Spitze eines Sports, überall, in jedem Land, lautete die Botschaft, die sie aus Melbourne in die Welt senden wollte: Sie selbst hatte als Kind, im Alter von drei Jahren, erstmals einen Tennisschläger in die Hand genommen, danach trainierte sie durchgängig in Tunesien bis zum Baccalaureate. Den Schulabschluss habe ihre Mutter zur Bedingung für eine Profikarriere erklärt. Doch der Übergang von der hochdekorierten Juniorenspielerin, der kleinen Siegerin in Roland Garros, zur Berufssportlerin, die ihren Lebensunterhalt und den ihrer Trainer mit dem Racket bestreitet, war beschwerlicher als gedacht. Nach drei Jahren hatte sie sich noch immer nicht unter den besten 100 Namen der Welt etabliert mit ihrem unkonventionellen Sandplatzspiel, "und ich will nicht leugnen, dass ich zwischenzeitlich ein bisschen die Hoffnung verlor". Ihr Mann erzählte der Zeitung The National aus Abu Dhabi, dass er seine Frau vor fünf Jahren überreden musste, nicht alles hinzuwerfen. "Sie war bei einem Turnier und wusste nicht, ob sie genug Geld hatte, zum nächsten reisen zu können." Manchmal habe die Familie ausgeholfen: "Aber letztlich ist sie jemand, der an seine Ziele glaubt und der sie durchsetzen kann und will."

In der Runde der letzten Acht hat Ons Jabeur nun umgerechnet bereits 325 000 Euro verdient, ihre nächste Gegnerin ist Sofia Kenin (USA), die das Australien-Abenteuer der 15-jährigen Cori Gauff beendete. Kenin, 21, eine Spezialistin für Hartplatztennis, schlug Gauff 7:6 (5), 3:6, 0:6 in einem aus ihrer Sicht fast makellosen, fehlerfreien Match. Jabeur? Die trauerte dem verpassten Duell mit Williams doch ein wenig hinterher. "Es ist, wie es ist", sagte sie. "Vielleicht kann ich bei anderer Gelegenheit gegen Serena spielen."

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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