Olympia:Ohne deutsche Tennishoffnung nach Athen

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Das NOK hat entschieden: Florian Mayer darf nicht mit zu den Olympischen Spielen. Das sorgt nicht nur beim Deutschen Tennisbund für Unverständnis. Nun will sogar die Welttennisorganisation ATP das NOK umstimmen.

Von René Hofmann

Ein wenig Hoffnung darf Florian Mayer noch hegen auf die Olympischen Spiele in vier Wochen in Athen. Am Montag hatte das Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) in Frankfurt am Main entschieden, den 20-jährigen Bayreuther nicht fürs weltgrößte Sportfest zu nominieren.

Begründung: Mayer hätte bis zum 14. Juni Weltranglistenposition 32 erreicht haben müssen, oder das Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers. Das schaffte Mayer erst am 28. Juni, als er im Achtelfinale von Wimbledon den Schweden Joachim Johansson bezwang. In der aktuellen Weltrangliste belegt er Platz 37. Die Kriterien des Welttennisverbandes ITF und der Tour-Organisation ATP erfüllt er damit.

"Dies war keine Frage der Kosten", sondern eine der festgelegten Kriterien, hatte NOK-Präsident Klaus Steinbach die Entscheidung begründet. Am Dienstag hagelte es dafür heftige Kritik. "Das kann nicht sein. Wir sind sehr enttäuscht, dass sich das NOK plötzlich umentschieden hat", sagte Mayers Trainer Ulf Fischer. Rolf Schmid, der Sportwart des Deutschen Tennis-Bundes, der Mayers Interessen am Montag in Frankfurt vertreten hatte, sagte: "Dass ihm die Nominierung verweigert wird, weil er das Viertelfinale in Wimbledon ein paar Tage nach der Frist erreicht hat, ist unverständlich."

Schriftliche Beschwerde an NOK-Präsident

Als "unglaublich" kritisierte Schmid das Vorgehen des Präsidiums, Mayer einen Olympia-Start zunächst in Aussicht zu stellen, den Sportler dann aber auflaufen zu lassen. Schmid war in der Überzeugung nach Frankfurt gefahren, die Härtefallprüfung sei für den Tennisprofi lediglich eine Formsache. "Ich habe sogar schon seine Olympia-Kleider abgeholt", sagt Schmid.

Horst Klosterkemper, der Europachef der Tennistour ATP, rügte das Vorgehen des NOK als "nicht nachvollziehbar" und sagte: "Wenn die Herren sagen, Florian Mayer habe keine Medaillenchance, dann erlaube ich mir die Frage: Wer von denen hätte denn gedacht, dass er in Wimbledon das Viertelfinale erreicht?" Georg von Waldenfels, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes, griff unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Votums zum Diktiergerät und ließ NOK-Präsident Klaus Steinbach seinen Unmut schriftlich zukommen. "Mit der Absage an Florian Mayer hat das NOK einem jungen hoffnungsvollen Nachwuchsspieler ohne Not die Rote Karte gezeigt", heißt es in dem Brief.

Besonders missfällt auch Waldenfels die Art und Weise, wie das Gremium mit Mayer umsprang: "Sinn solcher Sitzungen - so stelle ich mir das jedenfalls vor - ist, sportpolitisch sich die Mühe zu machen, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob es eine Ausnahme geben kann. Wenn die einmal niedergeschriebenen Kriterien das Ein und Alles sind, hätten Sie sich diese Sitzung sparen können. Ihre Sekretärin hätte schneller und mit weniger Aufwand die Absagen mitteilen können." Schläge, die über die normalen Scharmützel zwischen Sportfunktionären in solchen Fällen weit hinausgehen.

Auch international sorgt der Fall Mayer für gewaltig Wirbel. "Mit seiner Nichtnominierung hat sich das NOK einen Bärendienst erwiesen", glaubt DTB-Sportwart Rolf Schmid. Denn: Anders als bei Amateur-Verbänden haben beim olympischen Tennis-Turnier auch die Profi-Organisationen ATP (bei den Männern) und WTA (bei den Frauen) etwas zu sagen. Beide haben mit dem Welttennisverband (ITF) ausgehandelt, dass es für die Auftritte in Athen Weltranglistenpunkte gibt. Bei den Männern erhält der Sieger 400 Zähler, bei den Frauen, die zum ersten Mal bei Olympia Zählbares sammeln können, sind es 248. Die Punkte sollten das Turnier aufwerten.

"Wir haben mit der ITF und dem IOC vereinbart, Weltranglistenpunkte zu vergeben, so lange unsere Regeln eingehalten werden. Sollte das nicht der Fall sein, könnte diese Entscheidung noch einmal überdacht werden", teilte ATP-Sprecher Nicola Arzani mit. Für das IOC wie die ITF wäre das ein Schreckensszenario. Ein Entzug der Weltranglistenpunkte in letzter Minute würde unter den Tennisprofis einen Aufschrei provozieren und wieder die ungeliebten Fragen heraufbeschwören, ob der Filzballsport bei Olympia überhaupt etwas zu suchen hat.

Kein Wunder, dass am Montag die Telefonleitungen glühten. ATP-Chef Mark Miles und ITF-Präsident Francesco Ricci Bitti versuchten, das deutsche NOK zu einer Umkehr zu bewegen und bei IOC-Präsident Jacques Rogge einen Aufschub der Nominierungsdeadline zu erreichen. Ordnungsgemäß müssen die NOKs ihre Delegationen den Veranstaltern der Spiele bis zum Abend des 21. Juli - dem heutigen Mittwoch - melden. Streitfälle gibt es bei den Tennisspielern nur wenige. Neben Mayer kämpft bei den Männern nur noch der Niederländer Raemon Sluiter um einen Startplatz. Bei den Frauen sind es die beiden Deutschen Anca Barna und Marlene Weingärtner.

Wie Mayer blieben die beiden unberücksichtigt, obwohl sie sich zum Stichtag in der bereinigten Weltrangliste, die pro Land lediglich vier Spielerinnen gelten lässt, unter den besten 48 befunden hatten. "Hätte das NOK Mayer nominiert, wäre das Schicksal der beiden wohl kaum aufgefallen", sagt DTB-Verhandlungsführer Rolf Schmid.

Die 27-jährige Barna und die 24-jährige Weingärtner gelten nicht mehr unbedingt als Talente, Mayer hingegen zieht nach seinem Wimbledon-Auftritt viel Aufmerksamkeit auf sich. Er ist der Bube, dessen Fehlen das ganze Kartenhaus des olympischen Tennis wackeln lässt. Das NOK hielt sich am Dienstag zurück. Sein Sprecher sagte lediglich: "Es gibt noch Gespräche."

© Süddeutsche Zeitung vom 21.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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