Olympia-Entscheidung:Spiele unter dem Hammer

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Samsung verliert gegen Gazprom - pardon: Pyeongchang verliert gegen Sotschi. Die Entscheidung des IOC zeigt, dass Olympia nur noch für viel Geld zu haben ist.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Ins Fußballdeutsche übertragen lautet das Resultat von Guatemala: Gazprom schlägt Samsung knapp, aber verdient 1:0. Das wäre die einfache Art, ein komplexes sportpolitisches Problem zu umreißen.

Trauer in Südkorea: Ein weinender Fan von Pyeongchang. (Foto: Foto: AP)

Zwar wird bei olympischen Städtewahlen zuverlässig wie eh und je in Visionen und Träumen geschwelgt, fast mag man sich die Schlafkrankheit wünschen. Doch ist das nur PR-Pomp, eine per Knopfdruck erzeugte Gefühligkeit, um vergessen zu machen, dass die Inszenierung ein besinnungsloses Geschäft verhüllt.

Eines, das in Guatemala die 100-Millionen-Dollar-Schwelle erreicht hat. So viel ungefähr muss ein Interessent künftig berappen, der sich ernsthaft um Winterspiele bemüht, diese Dimension haben Gazprom und Samsung - pardon: Sotschi und Pyeongchang bei ihrer großen Olympia-Auktion vorgegeben. Die Sommerspiel-Marge lässt sich da übrigens leicht auf 150 Millionen kalkulieren.

Da sollte sich auch eine vermögende Nation wie Deutschland kein falsches Bild machen. Das Votum des IOC für Sotschis Angebot, eine Computeranimation rund um Herrn Putins Sommerresidenz, steht für den Triumph der Demokraturen: Oligarchen und Chaebols (Koreas Variante der Mammonmogule) haben das Spiel übernommen. Auch im Sommerbewerb werden bald weitere - auch arabische - Rohstoffstaaten hinzukommen, die ihre Argumente so lange aus der Erde pumpen, bis es passt.

Transparente Demokratien mit intakten Kontrollfunktionen, gerade bezüglich schwarzer Kassen, dürften da kaum konkurrenzfähig sein. Diese ernüchternde Nachricht platzt leider mitten hinein in den wieder losbrechenden nationalen Veranstaltungstaumel (der dem deutschen Interessenten München dank Stoibers Solo sogleich erste Minuspunkte eingetragen hat). Und so schaut das Pflichtszenario für die erfolgreiche Olympiakandidatur der Zukunft aus:

Während das offizielle Deutschland von der Kanzlerin abwärts auf der olympischen Bühne Träume abliefert nebst der üblichen Versprechen mit begrenzter Haltbarkeit, stellt hintenrum die Deutschland AG all die erforderlichen Schecks aus. Ein Unterfangen, das ins Auge gehen kann, zumal man die Bedingungen ja nun von vornherein kennt.

Freude im Gazprom-Land. Russland feiert. (Foto: Foto: dpa)

Wäre es nicht Sotschi, wäre es Pyeongchang geworden. Die - gleichfalls virtuelle - Alternative für ein IOC, das sich rasant zu dem Klüngelklub zurückentwickelt, der vor wenigen Jahren in die Existenzkrise geschlittert war. Präsident Rogge, angetreten als Reformer, gleitet die Kontrolle aus der Hand, wenn ihn sein Vorgänger immer wieder düpiert.

Schon vor zwei Jahren, bei der Kür Londons, vermochte Juan Antonio Samaranch mit einem erstaunlich beliebten Madrid die Stimmgänge stark zu beeinflussen, nun versuchte er für Sotschi, in letzter Stunde noch ein paar Wahlleute umzudrehen. Offenkundig gelang es, vielleicht hat es gar die Schlacht entschieden: Eingedenk des engen Entscheids von 51:47 Voten machten ja drei Stimmen schon den Unterschied.

Nun will sich dieses IOC noch in Guatemala neue Spiele zulegen: Olympia für die Weltjugend, von 14 bis 18 Jahren. Der breite Zuspruch für die Materialschlachten zwischen Sotschi und Pyeongchang nährt den Verdacht, dass der Neuanfang mit der Jugend vor allem ein Versuch ist, von den eigenen Werten zu retten, was noch zu retten ist. Die Spiele der Erwachsenen sind ja nun unter den Hammer gekommen.

© SZ vom 6.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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