Oliver Bierhoff:Medium und Diplomat

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Bierhoff weiß noch nicht genau, was er als Manager tun soll - dennoch kommt ihm eine Schlüsselrolle im neuen DFB-Team zu.

Von Philipp Selldorf

Am selben Ort an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt hatten vor sechs Jahren Erich Ribbeck und Uli Stielike ihren unvergesslichen Auftritt. Die beiden wurden der Fußballgemeinde als neues Gespann an der Spitze des Nationalteams vorgestellt, das Fernsehen sendete live, und Stielike trug dieses Jacket, das ihm angeblich morgens seine Frau zurechtgelegt hatte. Es war grobkariert und rief in Verbindung mit Krawatte und Hemd nicht den Eindruck hervor, den der DFB erreichen wollte.

Schwere Last zu schultern: Oliver Bierhoff unterstützt seinen früheren Team-Kollegen Jürgen Klinsmann (rechts im Bild). (Foto: Foto: AP)

Und nachdem die Beteiligten ihre Ideen präsentiert hatten, geriet das abseitige Kleidungsstück zum Symbol des Stillstands und des traurigen Verfahrens. Die Ära Ribbeck begann, wie sie enden sollte: als Missgeschick.

Kalifornisch-schwäbisches Regiment

Als gestern kurz vor zwölf Uhr mittags die Delegation des DFB mit Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff in den Sitzungssaal 3 einzog, waren die makellosen Anzüge der neuen Männer Nebensache.

Im Mittelpunkt der Betrachtung standen ihre Zuversicht und ihre Vorstellungen, wohin sich die Dinge wenden sollen. In den vergangenen Tagen war häufig die Rede von einer Revolution, die durch Klinsmanns kalifornisch-schwäbisches Regiment den urdeutschen Fußballverband komplett umkrempeln werde.

Das ist möglicherweise richtig, aber es wird eine Reform und keine Wutrebellion sein, wie sie Klinsmann aus der Ferne angedeutet hatte ("Im Prinzip muss man den ganzen Laden auseinandernehmen"), und etwaige Verluste werden wohl nur Wenigen wehtun: etwa dem immer noch amtierenden Chef der DFB-Trainer, Michael Skibbe, und seinem Stab mit Erich Rutemöller und den Juniorenbetreuern Stielike, Horst Hrubesch und Dieter Eilts, über deren Wirken sich Klinsmann jedoch zurückhaltend äußerte ("Ich kann ihre Arbeit gar nicht beurteilen").

Stehplatz im Hintergrund

Dann ist da noch der eingesessene DFB-Logistikmann Bernd Pfaff, der die Veranstaltung von einem Stehplatz im Hintergrund verfolgte, bleich und ziemlich schockiert, wie einige im Saal gesehen haben wollen.

Seine Position im inneren Zirkel der Nationalmannschaft wird künftig Oliver Bierhoff einnehmen, mit ganz anderen Zuständigkeiten allerdings und einer viel weiter reichenden Aufgabenstellung. Ihn dafür zu gewinnen, war einfach. Mehr oder weniger im Handumdrehen einigte sich der DFB mit ihm auf einen Zweijahresvertrag und räumte die Schwierigkeiten aus, die sich durch bestehende vertragliche Verpflichtungen ergeben hatten. Künftig wird Bierhoff demnach, wie Klinsmann es formulierte, als "eine Art Manager" an der Seite des Trainers fungieren, wobei niemand einschließlich ihm selbst genau weiß, was er dabei exakt tun wird.

"Eine tolle Partnerschaft"

Dennoch nimmt er eine Schlüsselrolle ein im neuen, noch nicht vollzähligen Dreigestirn, Klinsmann erwartet einen Alliierten, "dem ich tausendprozentig vertraue und mit dem ich mich blind verstehe". Bierhoff, sein Mitspieler aus alten Zeiten im Nationalteam, besitzt diesen Vertrauensbonus und ist nach Klinsmanns Auffassung die ideale Besetzung, "ich freu' mich auf 'ne tolle Partnerschaft", sagte er in seiner emphatischen Art.

Über die Bedeutung der Position sind sich die Beteiligten klar, "das ist ganz arg wichtig", sagte Klinsmann - über deren Definition nicht so sehr. "Man wird sehen, ich werde die Sache angehen", warb Bierhoff für Verständnis und beschrieb seine Stelle als "Bindeglied", das er irgendwo "zwischen Mannschaft, Bundesliga, Medien und Sponsoren" ortete. So diffus das klingen mag, so einleuchtend ist es, den Posten einzurichten, denn die WM 2006 ist für das deutsche Team ein Unternehmen von staatspolitischer Wucht: gleichzeitig Karneval und nationales Schicksalserlebnis, das mit den jüngsten Ausflügen nach Japan und Portugal wenig gemein haben wird, obwohl auch die bereits von allerlei Volksbewegung und Hysterie begleitet wurden.

Tücken der Medienmacht

Es war deshalb keine Floskel, als Gerhard Mayer-Vorfelder Klinsmann und Bierhoff "für Mut und Tatkraft" dankte und darauf hinwies: "Auf ihren Schultern werden sehr viel Arbeit und Erwartungen ruhen - und auch lasten." Klinsmann ahnt das: "Wir gehen auf viele Stressmomente zu in den nächsten zwei Jahren."

Und unbedingt wollte er zum Schutz des Teams einen Mann neben sich haben, der sich einerseits auskennt mit der Denkweise und den typischen Vorbehalten der Fußballer, der aber auch die Tücken der Medienmacht einzuschätzen weiß und die Erwartungen der Industrie versteht, die den Fußball finanziert. "Oliver muss sich in die Köpfe der anderen versetzen", sagt er.

Als kluges Medium und Mann mit diplomatischem Geschick will Bierhoff "vieles vom Jürgen abhalten und ihn entlasten". Einen kurzen Eindruck davon gab er, als die Rede auf den psychologischen Beistand kam, den Klinsmann für die Mannschaft engagieren möchte - eine Idee, die in Fachkreisen erwartungsgemäß Argwohn weckte. Die deutsche Skepsis gegen diese Art von Hilfe könne er nicht verstehen, "da müssen wir uns öffnen", sagte Klinsmann, und dann sprang Bierhoff ein und ergänzte: "In Deutschland stellt man sich unter psychologischer Betreuung vor, dass man sich auf die Matratze legt und irgendetwas beichtet." Es ist nur der Moment einer Zusammenarbeit, aber für den Deutschen Fußball-Bund ist es vermutlich das Zeichen für einen großen Schritt nach vorn.

© SZ vom 30.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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