Österreichs Olympiateam:Zwischen Goldrausch und Dopingsumpf

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Langweilig wird Österreichs Bundeskanzler Schüssel in Turin sicher nicht: Erst schimpft er über den bizarren Dopingskandal seiner Biathleten und Skilangläufer, dann jubelt er über die Skirennläufer: "Das war genau die richtige Antwort auf die dunklen Ereignisse."

Was für eine Woche für unseren kleinen Nachbarn: Zum Auftakt der letzten Olympiawoche überschlugen sich nach der Doping-Razzia in der Nacht zum Sonntag die Ereignisse.

Der Ex-Biathlontrainer durchbricht auf der Flucht eine Polizei-Sperre und fährt zwei Autos zu Schrott. Zwei Biathleten fliehen aus Angst vor den italienischen Carabinieri aus dem olympischen Dorf Hals über Kopf. Und der Verdacht gegen einige Olympia-Teilnehmer erhärtet sich.

Und mitten in dem allgemeinen Entsetzen und Ärger in der Alpenrepublik gewinnt Benjamin Raich den Riesenslalom und Michaela Dorfmeister im Super-G ihr zweites Gold in Turin.

Verdächtiges Material gefunden

Die 32-Jährige siegte fünf Tage nach ihrem Erfolg in der Abfahrt mit 0,27 Sekunden Vorsprung vor Kombinations-Olympiasiegerin Janica Kostelic aus Kroatien. Bronze ging an Dorfmeisters Teamkameradin Alexander Meissnitzer.

Doch der Reihe nach: Die italienische Polizei hat bei den Razzien in den Quartieren der österreichischen Biathleten und Skilangläufer offenbar sehr viel verdächtiges Material gefunden.

Laut ORF-Radio sollen über 100 Spritzen, 30 Schachteln mit Medikamenten, diverse Apparate für Bluttests und Transfusionen beschlagnahmt worden sein.

Der österreichische Biathlet Wolfgang Perner, der zusammen mit seinem Teamkollegen Wolfgang Rottmann noch in der Nacht zum Sonntag "aus Angst vor der Polizei" sein Team verließ und durch sein Nationales Olympisches Komitee (ÖOC) von den Spielen ausgeschlossen wurde, sieht sich nach den Ereignissen am Wochenende am Ende seiner Karriere: "Für mich ist es vorbei."

"Das war genau die richtige Antwort auf die dunklen Ereignisse"

Wie am Montag bekannt wurde, hatte die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) laut ihrem Chef Dick Pound bereits zehn Tage vor Olympia in einem verlassenen Trainingsquartier der österreichischen Langläufer und Biathleten "Instrumentarien für Blutdoping" gefunden.

Biathlon-Trainer Walter Mayer, der Auslöser der Razzien gewesen war, wurde von Österreichs Skiverband (ÖSV) fristlos entlassen. Ihm drohen drei Jahre Haft, weil er auf der Flucht Widerstand gegen die Staatsgewalt leistete.

Er wurde vorerst auf freien Fuß gesetzt. In Italien droht ihm ein Doping-Prozess. Soweit zum unangenehmen Teil der Olympischen Spiele.

Der Bundekanzler live dabei

Jetzt zum erfreulichen: Im zweiten Versuch setzte sich der große Favorit Benjamin Raich endlich durch und riss zugleich ein ganzes Land aus einem bösen Traum.

Zwei Tage nach der Groß-Razzia bei den österreichischen Biathleten und Langläufern hat sich Ski-Rennläufer Raich im Riesenslalom die Goldmedaille geholt, die er ein paar Tage zuvor in der Kombination verschenkt hatte.

Balsam auf die einen Tag lang gequälte rot-weiß-rote Seele. "Das war genau die richtige Antwort auf die dunklen Ereignisse vom Sonntag", betonte daher auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Augenzeuge am Berg.

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