Österreich leidet:Trainerdämmerung

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Nichts geht mehr: Marko Arnautovic (links) signalisiert, dass Teamkollege David Alaba ausgewechselt werden muss. (Foto: Robert Jaeger/dpa)

Nach Österreichs Aus in der Qualifikation werben die Spieler für eine Weiterbeschäftigung von Marcel Koller. Aller Voraussicht nach vergeblich.

Von David Ryborz, Wien/München

Marko Arnautovic lehnte sich an den Pfosten und schüttelte den Kopf: Nur 1:1 gegen Georgien, die letzte Chance zur WM-Qualifikation war fast sicher verspielt, das war auch für einen wuchtigen Menschen wie den früheren Stürmer von Werder Bremen schwer zu verstehen: "Wir dürfen nicht 1:1 gegen Georgien spielen, das tut mir leid", sagte Arnautovic mit angebrachtem Schmerz. Dass das ÖFB-Team in den verbleibenden beiden Spielen gegen Serbien und Moldawien den Fünf-Punkte-Rückstand auf Rang zwei noch wettmachen wird, glaubt kein Österreicher mehr: "Die letzten Zweifel sind beseitigt", schrieb der Standard.

Der Trainer verdiene größten Respekt, sagt Stürmer Arnautovic fast flehentlich

Österreichs Fußballer werden die WM 2018 also vom Fernseher aus verfolgen müssen, im Nachbarland ist das eine große Enttäuschung. In einer nicht allzu schweren Gruppe mit den Hauptrivalen Serbien, Irland und Wales schien eine derart dünne Ausbeute - acht Zähler aus neun Spielen - kaum vorstellbar zu sein. Auch gegen Georgien, Nummer 112 der Fifa-Weltrangliste, geriet die Elf von Trainer Marcel Koller schon nach acht Minuten in Rückstand, mehr als der Ausgleich durch Louis Schaub (43.) sollte nicht mehr gelingen. Von den spärlich gefüllten Rängen des Wiener Ernst-Happel-Stadions (13 400 Zuschauer) setzte es Pfiffe. Gegen das Team, aber auch gegen den Trainer aus der Schweiz, der sein Amt wohl abgeben dürfte.

Die Misere an diesem Abend lag nicht an Arnautovic. Österreichs Rekordprofi - er wechselte gerade für 27,9 Millionen Euro zu West Ham - spielte, kämpfte und rackerte vor allem für einen Mann: für Teamchef Koller: "Es liegt nicht am Trainer. Er verdient größten Respekt", erklärte Arnautovic fast flehentlich, "der Trainer steht nicht auf dem Platz, wir stehen auf dem Platz. Wir sind schuld, dass wir nicht gewinnen." Die Ablösediskussion solle man mit ihm bloß nicht führen, "so was macht mich sauer", warnte er die Journalisten.

Tatsächlich feierte Österreich unter Kollers Regie die größten Erfolge der jüngeren Vergangenheit. Der Schweizer machte das oftmals rumpelige Spiel des ÖFB-Teams wieder ansehnlich und führte die Auswahl auf Platz zehn der Weltrangliste. Nach der Qualifikation für die EM in Frankreich, die Österreich ungeschlagen geschafft hatte, wurde Koller geradezu vergöttert. "Er ist seit sechs Jahren hier, hat viel aus der Mannschaft gemacht", sagte Arnautovic, der nicht nur für sich selbst sprach, sondern auch für seine Mitspieler. Fast alle, die gefragt werden, würden Koller gerne behalten. Nicht erklären können sie allerdings die Negativspirale, in die das Team nach der erfolgreichen EM-Qualifikation im Sommer 2016 geraten ist.

Bei der EM in Frankreich holte Österreich nur einen einzigen Punkt und schied bereits nach der Vorrunde aus, die propagierte "Europhorie" erlosch wie ein Streichholz. Kapitän Christian Fuchs trat zurück, auch für David Alaba, der beim FC Bayern als Linksverteidiger agiert, sich aber im Mittelfeld besser aufgehoben sieht, fand Koller nie die perfekte Rolle. Gegen Georgien verletzte sich Alaba nun in der ersten Halbzeit am Kapselband-Apparat des linken Sprunggelenks. Damit wird er auch dem FC Bayern für längere Zeit fehlen.

Das Spiel der Österreicher ist keineswegs schlecht, aber eine katastrophale Chancenverwertung und individuelle Fehler in der Defensive verhindern regelmäßig Erfolge. Die Medien kritisieren Kollers fehlende taktische Flexibilität, Eingriffe seien selten. Der Verband muss entscheiden, ob er einen Neuanfang mit neuem Coach wagt - oder Koller eine letzte Chance in der EM-Qualifikation für 2020 gibt.

Die Aussichten auf eine bessere Zukunft stehen gar nicht schlecht. Talente wie die in der Bundesliga angekommenen Konrad Laimer (Leipzig), 20, Michael Gregoritsch (Augsburg), 23, oder Alessandro Schöpf (Schalke), 23, stehen kurz vor der endgültigen Integration ins Team, zentrale Stützen wie Alaba, 25, oder der Augsburger Martin Hinteregger, 24, haben noch gute Jahre vor sich. Koller gab sich am Dienstag wortkarg, was seine Zukunft betrifft: Er wolle "ein wenig Abstand gewinnen. Ich weiß nicht, was der Verband plant".

Die Landsleute Hasenhüttl und Stöger werden kaum das Nationalteam übernehmen

Die Kandidatenliste für seine Nachfolge ist eher kurz, die international erfolgreichen Austro-Trainer Peter Stöger (1. FC Köln), Ralph Hasenhüttl (RB Leipzig) und Adi Hütter (Young Boys Bern) werden dem Klubfußball in absehbarer Zeit kaum den Rücken kehren. Lieblingskind der Verbandsfunktionäre und Zeitungskolumnisten ist Andreas Herzog - der einstige Bremer und ÖFB-Rekordspieler war zuletzt Jürgen Klinsmanns Co-Trainer im US-Nationalteam. ÖFB-Präsident Leo Windtner kündigte eine Entscheidung noch vor den beiden Spielen im Oktober an. Es werden spannende Tage im österreichischen Fußball, und es stellt sich die Frage, ob die Mannschaft, die sich klar pro Koller positioniert, in der Teamchef-Frage überhaupt noch ein Wörtchen mitzureden hat.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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